Ein Gastbeitrag von Alexander Meschnig
Das wirklich Erschreckende nach dem Terrorangriff auf den Berliner Weihnachtsmarkt war für mich das Schweigen danach. Damit meine ich nicht die unsägliche Haltung der Regierung, sondern die Tatsache, dass mich niemand, keine einzige Person – ich lebe in Berlin – am nächsten Tag darauf ansprach. Es war, als ob der Anschlag des 19. Dezember nicht stattgefunden hätte. Nur Stille, Weitermachen, Alltag. Ich habe mich, auch weil mir andere von ähnlichen Erfahrungen berichteten, danach oft gefragt: „Wie kann man sich dieses Schweigen erklären?“
Was bedeutet das Schweigen nach dem Attentat?
Eine schlüssige Antwort darauf habe ich nicht. Man könnte die Stummheit als eine Art Ohnmacht oder Schockstarre interpretieren, wie sie nach katastrophalen Ereignissen oft der Fall ist. Es könnte eine Angst sein, die verhindert, das „Böse“ zu benennen, damit es nicht existiert, eine psychisch notwendige Verdrängung des Schrecklichen, die ein „normales Weiterleben“ ermöglicht. Das alles mag sein. Immer mehr frage ich mich aber, ob wir es hier nicht mit einer fast schon pathologischen Form der Gleichgültigkeit, der Passivität und moralischen Indifferenz zu tun haben, die nicht einmal mehr naheliegende Gefühle wie etwa Wut auf die dafür Verantwortlichen zulässt.
Warum gab es keine Massenproteste, keine landesweiten Demonstrationen gegen die Regierung, insbesondere als sich herausstellte, dass der tunesische Attentäter bereits auf einen Gefährdungsliste stand, über 14 Identitäten verfügte und schon längst hätte abgeschoben werden müssen?
Der scheinbare Gleichmut, mit der eine breite Öffentlichkeit auf den Terroranschlag reagierte, aber auch die Angst davor, etwas Falsches zu sagen („Wasser auf die Mühlen der Rechten“), waren nur weitere Momente einer staatlich verordneten Schweigekultur über die katastrophalen Folgen der massenhaften Einwanderung seit der verhängnisvollen Öffnung der Grenzen.
Selbst für eine Lichterkette, die ansonsten verlässlich und reflexhaft gegen „Rechts“ funktioniert, reichte es nach dem Anschlag nicht. Offensichtlich waren es wohl die „falschen Opfer“. In Polen, Italien und Israel wurde der eigenen Opfer deutlich sichtbar gedacht, während das hierzulande – wenn überhaupt – nur auf Druck von Angehörigen geschehen wird.
Eine neue Qualität der Gewalt
Die Nachrichtenlage in Deutschland war bereits vor dem Anschlag in Berlin von einer geradezu unglaublichen Verrohung des Alltags bestimmt: Da wurde eine Frau auf offener Straße angezündet, eine andere an einem Seil befestigt mit dem Auto fast zu Tode geschleift. Die Studentin Maria L. wurde in Freiburg vergewaltigt und ermordet, eine junge Frau wurde auf einer U-Bahntreppe in Berlin ohne Vorwarnung von hinten in den Rücken gesprungen, aus purer Lust und Vergnügen für den Täter und seine Komplizen. Ein 12jähriger wollte eine Nagelbombe auf einem Weihnachtsmarkt deponieren, drei schwule Männer wurden am Alexanderplatz in Berlin von „Südländern“ attackiert.
All das waren nur einige Fälle in den Meldungen der Wochen vor dem Terrorangriff am Breitscheidplatz, Nachrichten, die in derselben Tonlage inzwischen jeden Tag in der vor allem regionalen Presse zu finden sind (statistisch, so wird uns „erklärt“, soll die Kriminalität aber sinken).
Die öffentlich-rechtlichen Medien waren und sind in der Regel weiter ängstlich bedacht, die in allen zitierten Fällen ausländische Herkunft der Täter (oft Flüchtlinge) möglichst lange zu verschweigen, um ja keine „Vorurteile“ zu schüren. Man will ja kein Rassist sein, vielleicht der inflationärste Begriff der letzten Jahre.
Die Nachrichten aus den entstehenden Gewalträumen sind bestürzende Signale einer Welt, die nun mit den Massen vor allem arabisch-afrikanischer Jungmänner und radikaler Islamisten auch in Deutschland Einzug hält. In meinen Augen scheint niemand die Psyche dieser Täter zu verstehen, die ein Gewaltpotenzial offenbaren, das in diesem Land bis dato unbekannt war. Es geht hier vor allem um die Qualität der Gewalt, die der Definition des Terrors (die psychische Erzeugung von Angst und Schrecken) nahekommt, indem sie uns allen zeigt, was es etwa heißt, sich als Frau in bestimmten Räumen zu bewegen. Taten, die sich gegen staatlich garantierte Grundrechte richten, müssen Terror genannt werden.
Nach aktuellen Umfragen des Emnid-Instituts fühlen sich über die Hälfte der deutschen Frauen nicht mehr sicher im eigenen Land, andere Umfragen ergeben noch viel höhere Zahlen. Dass das nichts mit der schrankenlosen Öffnung der Grenzen zu tun hat, können nur noch Ideologen behaupten.
Die politische Führung, eine Ansammlung von „postfaktischen Dilettanten“, tut seit Sommer 2015 alles dafür, diese verheerenden Entwicklungen weiter zu beschleunigen.
Außer verbalen Absichtserklärungen folgte selbst nach den tödlichen Ereignissen von Berlin nichts Konkretes, auch wenn SPD-Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel mit seinen opportunistischen Forderungen nun exakt die AfD-Positionen vertritt, die er vor einem Jahr noch als Äußerungen des „Packs“ abqualifiziert hatte.
Und der weitaus größte Teil der Zivilgesellschaft sieht einfach zu, wie eine über Generationen geschaffene Welt, an erster Stelle ein Leben in Sicherheit und Frieden, sich immer rascher auflöst.
Verstärkend wirken hier linksgrün dominierte Medien in ihrer Mischung aus infantiler Weltsicht, pauschalem Antirassismus und einem ins Pathologische gehenden Selbsthass, wie ihn nur eine (dekadente) Überflussgesellschaft wie die unsere hervorbringen kann.
Köln als Menetekel
Die moralische Verkommenheit eines Landes zeigt sich auch darin, dass ein Jahr nach den Ereignissen in Köln sich erneut über tausend Nordafrikaner, aber auch Syrer, Afghanen oder Iraker, davon die Hälfte „fahndungsrelevante Personen“, wie es hieß, in Köln versammelten, nach strengen polizeilichen Kontrollen der Angereisten aber ernsthaft eine Diskussion über „Racial Profiling“ stattfand. Ohne das massenhafte Aufgebot an Polizisten (1700) wäre 2016 exakt dieselbe Situation wie ein Jahr zuvor eingetreten.
Kaum jemand stellte sich die Frage, was es eigentlich bedeutet, wenn nicht nur in Köln, sondern in Städten wie Essen, Dortmund, Düsseldorf oder Frankfurt tausende arabische Jungmänner lautstark und aggressiv auftreten, in Dortmund „Allahu Akbar“ skandieren, alle offensichtlich hypermobil und gut miteinander vernetzt.
Es ist wohl keine Übertreibung, hier von einer Art Landnahme zu sprechen, ein territorialer Besitzgestus, aber auch ein Symbol für die Schwäche des Rechtsstaates und seiner Exekutive, die offensichtlich in den Augen der arabischen „Intensivtänzer“ eine Lachnummer ist, die niemanden beeindruckt.
Ähnlich verhalten sich auch türkisch-libanesisch-arabische Clans in einzelnen deutschen Städten, auch wenn der Innenminister in NRW oder der Berliner Bürgermeister erklären, es gäbe in Deutschland keine No-Go-Areas. Ein Gespräch mit Streifenpolizisten dürfte da Abhilfe bringen.
In tribalistischen, patriarchalen Gemeinschaften ist die Abwertung der gegnerischen Männer über die Demütigung ihrer Frauen ein verbreiteter Akt.
Für Kulturen, die nach den Prinzipien von Ehre und Schande funktionieren, ist unsere Gesellschaft mit ihren Freiheits- und Frauenrechten eine, die alles verkörpert, was verachtenswert ist (was denken wohl afghanische Männer darüber, dass wir „Flirtkurse für Asylanten“ anbieten?). „Ich ficke Frankreich wie eine Hure“, so der französische Rapper Sniper – Ausdruck für die Vorstellung, dass Europa, und vor allem seine Frauen, längst schutz- und wehrlos sind.
Der Kölner Silvester 2015 war insofern eine Machtdemonstration und eine Art Test, um zu „beweisen“, dass hier in diesem Land nur noch Frauen und Schwache existieren, an denen man seine Macht und die Wehrlosigkeit der Angegriffenen demonstrieren kann. Jeder Leser kann sich an dieser Stelle die einfache Frage stellen: Wäre in Moskau, Belgrad oder Warschau so etwas wie in Köln möglich gewesen und wenn nein, warum nicht? Die Antwort liegt in tiefer liegenden mentalen Mustern.
Der Psychotherapeut und Kriegsreporter Eugen Sorg schreibt zur Diskrepanz von hehrer Absicht und der Wirkung unserer Werte auf nicht-westliche Gesellschaften:
„Es ist eine der Illusionen des Westens, seine Menschenrechtsgesinnung, seine Dialogdiplomatie, seine Tugenden der Therapiekultur würden bei den afrikanischen, arabischen, asiatischen Clangesellschaften, bei den unzimperlichen außereuropäischen Aufsteigernationen oder nur schon bei den süd- oder osteuropäischen Völkern Respekt oder Bewunderung hervorrufen. Sie werden vielmehr als Zeichen der Verweichlichung und Schwäche ausgelegt, die man auszunutzen versucht, um die eigene Macht und Gewinnchance zu optimieren.“
Das gegenwärtige Dilemma liegt im Wesentlichen in einer gedanklichen Schwäche, einer Art historischer Amnesie, die es verunmöglicht, in Kategorien und Begriffen zu denken die für ein Analyse und ein Begreifen der aktuellen Lage notwendig sind. Noch bewegen sich viele in diesem Land in der ihnen vertrauten Welt, unfähig zu begreifen, dass wir anfangen müssen, uns von der Illusion zu verabschieden, unsere Werte, unser Humanismus oder unsere Toleranz könnten alle Differenzen zum Verschwinden bringen, indem sie allgemeine Gültigkeit erlangen. Die One-World-Phantasie bleibt was sie ist: eine reine Chimäre.
Im Jahr 2013 habe ich gemeinsam mit der Journalistin Tina Hüttl im Piper-Verlag Porträts von Holocaust-Überlebenden veröffentlicht, die als Kinder oder Jugendliche versteckt in Deutschland überlebten. In den letzten Wochen sind mir die Interviews mit den sehr alten jüdischen Menschen stark in Erinnerung, insbesondere ihre plastischen Schilderungen der innerfamiliären Konflikte rund um die Frage, wie sich die Situation für Juden mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland verändern wird.
Selbst als eigentlich alle Fakten sichtbar waren, einzelne Familien schon deportiert wurden, insistierten viele, vor allem die Älteren, noch darauf, „es werde sicher nicht so schlimm werden.“
Wir sind „objektive Gegner“
Es war für die meisten einfach unmöglich zu begreifen, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, deren einziges Ziel darin bestand, die jüdische Bevölkerung und damit auch das eigene Leben zu vernichten. Diejenigen, die die Dinge klar sahen, verzweifelten wiederum an der Ignoranz und den Beschwichtigungen der Anderen. Ähnlich geht es heute manchem, der vor den Gefahren des islamistischen Terrors, der mit der Masseneinwanderung nach Europa gekommen ist, warnt und sich dafür als Schwarzseher, Populist oder Rassist bezeichnen lassen muss.
Die Philosophin Hannah Arendt hat in ihrer großen, bereits 1951 erschienenen Studie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft den Begriff des „objektiven Gegners“ eingeführt, wie er sich für sie im Rassenkrieg des NS-Staates beziehungsweise im stalinistischen Klassenfeind manifestierte. Entscheidend für Arendts Begriff des „objektiven Gegners“ ist: Was der zu Vernichtende denkt, fühlt oder plant, wie er handelt, was er auch tut – es interessiert den Verfolger nicht. In diesem Sinne ist der zu Ermordende kein politischer Gegner (mit dem man etwa verhandeln könnte), es sind die ewigen Gesetze des Rassen- und Klassenkrieges, die als historische Notwendigkeit seinen Tod verlangen.
Deshalb, und um den Bogen zur aktuellen Situation wieder herzustellen, ist es auch ein weit verbreiteter Irrglaube, wir – der Westen, die deutsche Gesellschaft – müssten uns nur anders verhalten, um den radikalen Islam zu besänftigen, der auf der Dichotomie von Gläubigen und Ungläubigen beruht.
Auf derselben Ebene befindet sich die Auffassung, Israel müsse den Palästinensern nur einen eigenen Staat geben, dann würde der Terror von selbst verschwinden. Ich darf hier daran erinnern, dass in der Charta der Hamas die Vernichtung Israels explizit genannt wird.
Der Islamismus, der als der Nachfolger der totalitären Systeme Nationalsozialismus und Kommunismus gedacht werden kann , hat den Ungläubigen als „objektiven Gegner“ definiert, dem der Hass und die Vernichtung gilt, einfach deshalb, weil er existiert und nicht weil er sich falsch verhält.
Im periodisch seit 2014 auf Englisch erscheinenden Online-Magazin des IS mit dem Titel Dabiq – in der islamischen Eschatologie der Ort, an dem die muslimischen Armeen zur Entscheidungsschlacht gegen ihre Feinde antreten – wird diese Tatsache unmissverständlich ausgedrückt: „The fact is, even if you were to stop bombing us, imprisoning us, torturing us, vilifying us, and usurping our lands, we would continue to hate you because our primary reason for hating you will not cease to exist until you embrace Islam. Even if you were to pay jizyah and live under the authority of Islam in humiliation, we would continue to hate you.“
Die radikalen Islamisten haben immer, wie ihre totalitären Verwandten des Dritten Reiches, offen ausgesprochen, was sie vorhaben und was sie leitet. Der IS will und zielt darauf, unsere westliche Gesellschaft von innen zu zerstören
… nachzulesen etwa im „Management of Savagery“, einer Gebrauchsanleitung für Dschihadisten, die vermehrt Angriffe auf sogenannte „weiche Ziele“ empfiehlt, also Restaurants, Bars, Musikklubs, Fußgängerzonen oder auch Weihnachtsmärkte. Niemand der politisch Verantwortlichen scheint diese Verlautbarungen ernst zu nehmen. Man flüchtet sich in Selbstberuhigung und Verdrängung, maximal in die üblichen verbalen Forderungen nach Schließung radikaler Moscheen oder dem Verbot salafistischer Vereine.
So schwer es uns fällt zu begreifen und zu akzeptieren: Eine Welt, in der wir, aus Sicht der Anderen, die inzwischen unter uns sind, als Ungläubige und damit als „objektiver Gegner“ bestimmt wurden, wird uns und unsere Gesellschaft verändern, unabhängig von der Frage, ob wir das wollen oder nicht. Wir können nicht mehr die bleiben, die wir waren.
Alle Werte, die unsere Zivilisation lebenswert machen (Toleranz, Liberalität, Dialog, Konsens, Kooperation, Rechtssicherheit) sind plötzlich Elemente von Schwäche geworden und versagen dabei, Strategien im Umgang mit einem Akteur zu finden, der in uns seinen Feind sieht.
Der amerikanische Geschichtsphilosoph Lee Harris verweist in seinem Buch Civilization and his Enemies deshalb auf eine notwendige Transformation unserer Selbstdefinition:
„And while it is true that the enemy always hates us for a reason, it is his reason and not ours. He does not hate us for our faults any more than for our virtues. He sees a different world from ours, and in the world he sees we are his enemy.“
Terror als Kollateralschaden
Der Terror, der uns nun endgültig eingeholt hat, ist eine Art Kollateralschaden der Implosion der islamischen Welt, die an ihren eigenen toxischen Widersprüchen zerbricht.
Der Terror in unserer Mitte ist aber auch die Folge der massenhaften Migration Millionen muslimischer Einwanderer nach Westeuropa, die ihre Einstellungen, Werte, politischen und religiösen Dispositionen mitbrachten. Die (linken) Debatten um Integration und Verständigung übersehen dabei immer noch das entscheidende Moment in der Auseinandersetzung: die islamische Kritik an der Dekadenz des Westens und den Wunsch nach Differenz, nicht nach Integration.
Neben einer naiven und auf falschen Prämissen beruhenden Integrationspolitik haben die mit den Millionen von muslimischen Einwanderern mitgekommenen Fundamentalisten und ihr wachsender Einfluss zur Entstehung von Gegengesellschaften in Westeuropa beigetragen.
Die Radikalen sitzen nicht nur in Moscheen, sondern in islamischen Einrichtungen, Vereinen und Organisationen. Ihr Wertesystem, das auf der Scharia beruht, sitzt aber auch in den Köpfen vieler muslimischer Migranten.
Deshalb können weiterhin Teile der Kinder und Enkel in Abgrenzung gegen die Werte unserer Gesellschaft erzogen werden. Wer meint, mit zusätzlichen Angeboten, Dialogkonferenzen, Zugeständnissen oder einer geradezu selbstmörderischen Toleranz könne es gelingen, weitere Millionen von muslimischen Migranten aus den gewaltaffinsten Ländern der Welt zu integrieren, ist noch immer nicht in der Realität angekommen.
Verschärfend kommt seit einigen Jahren hinzu – und hier besteht der eigentliche Konnex zwischen der alltäglichen Gewalt und dem religiösem Terror –, dass viele der „radikalen Verlierer“ (H. M. Enzensberger) aus den bereits vorhandenen Gegengesellschaften – in der Regel Kleinkriminelle, Drogenhändler oder Gewaltverbrecher – heute im Islam eine Möglichkeit sehen, ihren Hass und ihr Ressentiment gegen eine Gesellschaft, von der sie sich gedemütigt und ausgeschlossen fühlen, durch höhere Ideale zu legitimieren.
Eine Analyse der Attentäter der letzten Jahre in Europa, alle zuvor nicht durch ein religiöses Leben aufgefallen, bestätigt den hohen Anteil dieser Gruppe unter den Mördern, die anders als noch die Terroristen von 9/11 aus dem von Marx so genannten städtischem Lumpenproletariat stammen. Insbesondere in Frankreich existiert ein großes Reservoir von hauptsächlich arabischen Kleinkriminellen, die sich, wie etwa die Anschläge in Paris zeigen, jederzeit und rasch radikalisieren können.
Die Tatsache, dass die zumeist arabischen Attentäter mitten in Europa aufgewachsen und sozialisiert, aber niemals Teil der einheimischen Gesellschaft wurden, zeigt, worin die größte Gefahr besteht: In der weiteren Reproduktion von Milieus, die keinerlei Bindung an den Staat haben und keine Loyalität kennen, außer zu ihren familiären Kreisen oder ethnisch-religiösen Gruppen.
Die Voraussetzungen für die Existenz solcher Gruppen im eigenen Land hat die deutsche Regierung mit der Abschaffung der Grenzkontrollen in großer Zahl geschaffen.
Inzwischen sitzen Hunderttausende von hauptsächlich jungen Männern, viele mit vollkommen unrealistischen Vorstellungen über ihr Zielland, ohne Sprachkenntnisse oder Arbeitsqualifikationen, frustriert und ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Reichtum in Massenunterkünften – alles ideale Voraussetzungen für die Anwerbung durch Radikale.
Die Attentäter verfügen inzwischen auch in Deutschland längst über ein Netz von Anlauf- und Kontaktpunkten, Sympathisanten, Vereinen, salafistischen Moscheen, die dafür sorgen, dass solche Taten erst möglich werden (man erinnere sich daran, dass einer der Drahtzieher der Anschläge in Paris, Salah Abdeslam, erst Monate später in Brüssel gefasst werden konnte, wo er eine breite Unterstützerszene vorfand).
Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis wir dieselben Zustände wie in Frankreich, Belgien oder im ehemaligen Multikulti-Musterland Schweden haben werden, von dem man in der deutschen Presse seit längerer Zeit nichts mehr hört. Dieses Schweigen dürfte kein Zufall sein.
Die Grenzöffnung hat Fakten geschaffen
Die alltägliche Gewalt und der islamistische Terror sind schwarze Zwillingsbrüder. Der Publizist Samuel Schirmbeck beschreibt in seinem Buch „Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen „eindringlich, wie in Algerien, wo er lange Zeit gelebt hat, der normale Alltag langsam und zunächst fast unbemerkt von islamischen Fundamentalisten und permanenter Gewalt unterwandert wurde.
Die Brutalisierung des Alltags (Angriffe auf Frauen, Gewalttaten, Anschläge, allgemeine Verrohung), so seine abschließende These, drohe nun einem „ratlosen Westen“, der weder mental noch militärisch auf die Herausforderung durch den Islamismus vorbereitet sei.
Können wir, so die Frage, die sich wahrscheinlich viele stellen, die, so wie ich, gleichzeitig wütend und verzweifelt sind, dieser Entwicklung noch gegensteuern?
Zunächst müssen wir uns wohl von vertrauten Dingen verabschieden. Für eine kurze Zeitspanne, die für uns alle prägend war, haben wir in einer Zone des Friedens, der Sicherheit und des allgemeinen Wohlstandes gelebt. Wir haben darüber aber „vergessen“, dass das nicht der historische Normalzustand ist. Bereits heute können wir sehen, wie sich unsere Welt verändert: Sicherheitskontrollen, Kameras in öffentlichen Räumen, private Aufrüstung durch Überwachungselektronik, Schutz von Krankenhäusern, Schulen, Sozialämtern, zentralen Plätzen.
Es ist vollkommen absurd, dass tausende Polizisten und Security-Mitarbeiter eingesetzt werden, um Straßen, öffentliche Plätze und Einrichtungen im Inneren zu bewachen, weil versäumt wurde, die Außengrenzen der EU rechtzeitig zu kontrollieren.
Die mit September 2015 erfolgte Grenzöffnung hat, was sich schwerlich leugnen lässt, für die Zukunft irreversible Fakten geschaffen.
- Jeder von uns, der bei halbwegs klarem Verstand ist, weiß, dass es aufgrund unzähliger Hindernisse unmöglich sein wird, hunderttausende abgelehnte Asylbewerber abzuschieben;
- jeder von uns weiß, dass es genauso unmöglich ist, Massen von Analphabeten und Geringqualifizierten mit noch so großem finanziellen Aufwand in Arbeit zu bringen;
- jeder von uns weiß, dass das Gesundheits- und Sozialsystem in Deutschland auf Dauer die Aufnahme von Millionen Einwanderern nicht verkraften kann;
- jeder von uns weiß, dass der Anschlag in Berlin nicht der letzte gewesen sein wird und dass die Sicherheit im öffentlichen Raum, vor allem für Frauen, nicht mehr länger garantiert werden kann.
Natürlich lassen sich angesichts der täglichen Realität Veränderungen in der öffentlichen Debatte attestieren. Es werden Dinge ausgesprochen, die lange tabuisiert blieben. Aber wird das praktische und konkrete Konsequenzen haben? Und wie könnten diese aussehen?
Ich weiß nicht, wie es den Lesern hier geht. Ich mag mich noch so sehr anstrengen, nur eine positive Vision will mir nicht einfallen. Es mag einen Zeitaufschub geben, da Deutschland ökonomisch ein starkes Land ist, aber die Dynamik selbst könnte nur durch einen gemeinsamen Kraftakt aller demokratisch Gesinnten in diesem Land (und damit sind auch die säkularen muslimischen Migranten gemeint) unterbrochen werden.
Dazu würden aber politische „Formen der Grausamkeit“ (Errichtung von Auffanglagern, konsequente Abschiebungen, Aufkündigung von Entwicklungshilfe bei Nichtkooperation, Isolierung potenzieller Attentäter vor einer eventuellen Tat, Streichung finanzieller Mittel bei Ausreisepflichtigen, Anwendung von staatlicher Gewalt bei illegalem Grenzübertritt et cetera) gehören. Alles Dinge, von denen ich glaube, dass wir mental nicht in der Lage sein werden sie umzusetzen, wie etwa der Grenzansturm im Herbst 2015 eindringlich zeigte. Vielleicht kommt aber alles anders.
Das eigentlich Fatale unserer Situation ist aber, dass große Gruppen in der eigenen Bevölkerung dem zu Verteidigenden in Feindschaft gegenüberstehen („Deutschland verrecke!“, „No Border“ und dergleichen).
Der amerikanische Philosoph und Zivilisationshistoriker Will Durant hat wahrscheinlich recht, wenn er schreibt:
„A great civilization is not conquered from without until it has destroyed itself within.“
Umso wichtiger ist es, dass jetzt jeder seine Stimme erhebt, denn es ist absolut inakzeptabel, der eigenen Selbstzerstörung ohne Widerstand zuzusehen.
**
Zum Autor: Dr. Alexander Meschnig, geboren 1965 in Dornbirn (Österreich), studierte Psychologie und Pädagogik in Innsbruck. Promotion in Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben kulturwissenschaftlichen Veröffentlichungen („www.revolution.de. Die Kultur der New Economy“ 2001, „Arbeit als Lebensstil“ 2003, „Wunschlos unglücklich“ 2005) arbeitet er vor allem zu den Themen Nationalsozialismus („Uns kriegt ihr nicht. Jüdische Überlebende erzählen“, 2013), Militär- und Kriegsgeschichte („Der Wille zur Bewegung. Militärischer Traum und totalitäres Programm“, 2008). Der hier mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlichte Beitrag erschien zuerst auf der „Achse des Guten“ unter den Titel „Das Ende der Welt oder der Illusionen?“
***
Foto: Flüchtlingsausschreitungen in Calais (c) AmirahBreen (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons