(David Berger) Seit ihrer frühesten Jugend ist sie in Sachen Menschenrechte engagiert. Und das aus einem zutiefst christkatholischen Antrieb, notfalls auch gegen den linken Zeitgeist, aber auch schon mal gegen ultrakonservative Katholiken. Ihr Einsatz gegen den Antisemitismus sowohl von links wie von rechts (kreuz.net) spricht dafür Bände: Felizitas Küble.
Wir kennen uns schon seit mehr als 10 Jahren, auch aus Kontroversen und Streit, wobei Küble aber immer sachlich und argumentativ blieb – selbst dann, wenn von mir manch für Katholiken schwer verdaulicher Brocken produziert wurde.
Nach vielen wechselvollen Jahren gemeinsamen An-einem-Strang-Ziehens, gegenseitiger, auch öffentlicher Kritik, haben wir ein – wie unser gemeinsamer Bekannter Professor Walter Hoeres es immer anmahnte – Gleichgewicht aus Nähe und Distanz gefunden, welches das folgende Gespräch erst ermöglicht hat.
Wer es liest, dem begegnet eine faszinierende Frau, die über mehr als drei Jahrzehnte das positive Gesicht der „Kerntruppen katholischer Kirchlichkeit“ (Kard. Šeper) in Deutschland mit-geprägt hat und – nicht zuletzt über ihren Blog „Christliches Forum“ – nach wie vor mit einer jugendlichen Frische mitgestaltet.
***
Frau Küble, Sie gehören mit zu den Urgesteinen des Katholizismus in Deutschland. Dabei haben Sie immer Ihre Arbeit und Anliegen in den Vordergrund gerückt, Ihre Person sehr bedeckt gehalten. Verraten Sie uns ein paar wichtige Stationen Ihrer Biographie?
Besonders aufregend ist mein Lebenslauf allerdings nicht. Zudem bin ich weit entfernt von einem – wie Sie etwas drollig meinen – „Urgestein des Katholizismus in Deutschland“. Dazu bin ich viel zu unbekannt, vermutlich auch nicht talentiert und originell genug. Zu meiner Vita aber trotzdem ein paar Hinweise: Ich bin 1961 in einem oberschwäbischen kleinen Marienwallfahrtsort – nämlich Bergatreute – geboren und zusammen mit vier jüngeren Geschwistern und gläubigen katholischen Eltern aufgewachsen – und zwar auf einem Bauernhof in idyllischer Landschaft und mit reichlich Arbeit, die mir aber nicht geschadet hat.
Obwohl unsere Region damals noch sehr CDU-konservativ geprägt war, haben sich viele Lehrer, die ich in meiner Schulzeit erlebte, politisch links geäußert. Ich ließ mich davon aber nicht beirren, sondern widersprach ihnen manchmal deutlich in und außerhalb des Unterrichts. Immerhin waren sie fair und bestraften mein konservatives Rebellentum nicht mit schlechten Noten.
Ich bin zuerst in die „Schüler-Union“ eingetreten, danach mit 15 Jahren in der IGFM (Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte) aktiv geworden; damals hieß dieser Verband aus Frankfurt noch „GfM“ (Gesellschaft für Menschenrechte) und wurde von Cornelia Gerstenmaier geleitet.
Ich sammelte als Schülerin eifrig Unterschriften für politische Gefangene, Bürgerrechtler und verfolgte Christen aus aller Welt, vor allem im kommunistischen Ostblock.
Und wie sind Sie dann zum KOMM-MIT-Jugendverlag ins weit entferne Münster in Westfalen gekommen?
Etwa zur selben Zeit spielte ich mit dem Gedanken, in einen Orden einzutreten, doch dann schien es mir für meinen eigenen Weg besser zu sein, mich außerhalb von Klostermauern, aber voll-engagiert für Christus, die Jugend und die Kirche einzusetzen, zumal ich ohnehin Journalistin werden wollte.
Als ich mit 17 die Realschule beendete, drängte es mich bereits zum KOMM-MIT-Verlag im weit entfernten Westfalen, weil mir dessen jugendbewegte, idealistische und klar katholische Ausrichtung so gut gefiel und ich geradezu fasziniert die KOMM-MIT-Kalender und die gleichnamige Monatszeitschrift verschlang.
Doch meine Eltern wollten mich so früh nicht ziehen lassen, also ging ich zur Überbrückung noch ein Jahr auf eine sozialpädagogische Schule. Im August 1979 konnte ich dann endlich „ab nach Münster“, wo es mir in der KOMM-MIT-Redaktion als „junges Küken“ toll gefiel.
Günter Stiff, ein sehr kreativer und aktiver Verlagsleiter, hat mich gleich mit allerlei journalistischen und praktischen Aufgaben eingedeckt. Manchmal war es mir – offen gestanden – fast zuviel des Guten, was an Herausforderungen in der täglichen Arbeit auf mich zukam, aber so habe ich auf dem schnellsten Wege viel lernen können.
Bei Wikipedia heißt es ganz kurz, dass Sie nach dem Tod von Günter Stiff das Christoferuswerk und den Komm-Mit-Verlag übernommen haben. Inwiefern hat Sie die große Gestalt Stiffs geprägt?
Er war ein typischer Rheinländer, in Köln geboren, besaß ein ausgesprochen frohes, beschwingtes Naturell, war quasi ein „Stehaufmännchen“, freute sich riesig über gute Nachrichten, die schlechten nahm er hingegen nicht allzu tragisch. Er ließ sich durch Rückschläge nicht entmutigen, konnte andere Menschen sagenhaft begeistern, aktivieren, anregen, aber manchmal auch aufregen, zumal wenn er als spontaner Rheinländer ein paar flapsige Sprüche zum Besten gab und damit so manchen „sturen“ Westfalen auf die Schippe nahm.
Andererseits wusste er die Zuverlässigkeit und Treuherzigkeit dieses Menschenschlags durchaus zu schätzen. Immerhin war er selber größtenteils in Münster aufgewachsen und fühlte sich sehr wohl in dieser schönen Westfalenmetropole.
Sein Vater Dr. Max Stiff war Landrat hier, wurde aber im Mai 1933 von den Nazis aus dem Amt geworfen, weil er als engagierter Katholik den neuen Machthabern politisch nicht genehm war.
Nach dem Krieg wurde er dann einstimmig wieder zum Landrat gewählt.
Glauben Sie, dass das Schicksal des Vaters auch den Sohn Günter Stiff beeinflusst hat?
Ja, bestimmt, obwohl er selten darüber sprach. Er hat mir von der damaligen Amtsenthebung seines Vaters erst viele Jahre später berichtet. Doch ich glaube, Günter Stiffs kernkatholische, unabhängige, zeitgeistkritische Grundhaltung war nicht zuletzt ein geistiges Erbe seiner Eltern.
Auch seine Mutter stand damals in schwerer Zeit voll hinter ihrem mutigen Mann, die Familie mit drei Kindern hielt eisern zusammen. Trotzdem habe ich bei Günter Stiff keine trotzige oder irgendwie verbitterte Lebenseinstellung bemerkt. Gerade als „Bruder Immerfroh“ hat er mich besonders beeindruckt.
Neben seiner ideenreichen und gern zur Situationskomik aufgelegten Art war da auch sein schwungvoller Idealismus, die aufmerksame Hilfsbereitschaft, seine anspruchslose, bescheidene Lebensführung, aber auch ein unverwüstliches, tiefes Gottvertrauen.
Er hat in unserem Team, gerade auch bei den vielen jungen Praktikanten und Ferienhelfern, eine natürliche Autorität gehabt, obwohl oder gerade weil er nie autoritär auftrat.
Ich wurde sogar manchmal von Neulingen gefragt, wer hier im Verlag eigentlich der Chef sei, denn Günter Stiff ging mit den Jugendlichen ganz unbekümmert und kameradschaftlich um, von Chefallüren keine Spur. Das fanden die meisten dieser jungen Leute natürlich „voll cool“.
Schon 1994 begannen gegen Stiff, der indirekt auch unter den Nazis gelitten hatte, heftige Kampagnen, die inzwischen zum Alltag konservativer Persönlichkeiten gehören. Da diese doch schon etwas her ist: Können Sie uns dazu etwas – soweit dies in der kurzen Form möglich ist – hier sagen.
Die von Ihnen erwähnte Medienkampagne begann im April 1994 und dauerte fast ein Jahr lang – mit einigen Intervallen, doch sie ist mehrfach wieder ausgebrochen, vor allem im Dezember 1994 mit weiteren Fernsehsendungen und sonstigen Attacken in der Presselandschaft.
Dabei wurde unsere patriotisch-konservative Grundhaltung mit der „braunen Keule“ bekämpft.
Dazu ein Beispiel: In unserem Jugendkalender-1994 wurde das Deutschlandlied mit allen drei Strophen abgedruckt, die dritte Strophe aber an erster Stelle und mit Noten sowie grafisch hervorgehoben, die anderen Strophen befanden sich in kleinerer Schrift darunter. Dies wurde uns als „rechtsradikal“ und „nationalistisch“ angelastet, natürlich ein lächerlicher Vorwurf.
Dass die teils geradezu hysterischen Anschuldigungen unbegründet waren, wurde uns zudem auch durch die Staatsanwaltschaft Münster, das Bundesamt für Verfassungsschutz und die „Bundeszentrale für jugendgefährdende Schriften“ bestätigt, aber leider kamen diese Stellungnahmen teils sehr spät, teils wurden unsere Pressemeldungen schlicht totgeschwiegen.
Mir liegen etwa zweitausend Artikel vor, die seinerzeit gegen unseren Verlag publiziert wurden, allerdings haben die meisten Zeitungen und Zeitschriften nur voneinander abgeschrieben bzw. Agenturmeldungen unkritisch übernommen. Das gilt auch für viele Bistumsblätter – mit wenigen Ausnahmen wie Regensburg, Augsburg und Fulda.
Erzbischof Johannes Dyba (Bild unten) hat uns sogar im Fernsehen gegen ultralinke Anschuldigungen in Schutz genommen.
Solidarität kam zudem von evangelikalen Persönlichkeiten, etwa von dem bekannten Verlagsleiter Friedrich Hänssler und der evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, natürlich auch von katholischen Gruppen und Redaktionen, wie etwa dem „Fels“, dem „Pur“-Magazin und der Monatsschrift „Theologisches“.
Schützenhilfe erhielten wir zudem von jüdischer Seite, z.B. von mehreren jüdischen Professoren, teils auch aus dem Ausland. Unter den zahlreichen, mir bekannten Artikeln, die gegen uns los getreten wurden, befindet sich keine einzige jüdische Publikation.
Worauf führen Sie diese Beobachtung hinsichtlich des jüdischen Spektrums zurück?
Vermutlich hat es etwas damit zu tun, dass unsere KOMM-MIT-Schriften grundsätzlich immer israelfreundlich ausgerichtet waren, allerdings durchaus nicht in naiver Weise. Wir haben z.B. Anfang der 90-er Jahre die Benachteiligung von Judenchristen in Israel mehrfach kritisch beleuchtet.
Unser Motto lautet damals wie heute: Sachkritik gegenüber dem jüdischen Staat JA, aber Diffamierung und Vorurteile NEIN. – Wir haben sowohl gegen den ultralinken wie auch gegen den ultrarechten Antizionismus argumentiert und tun dies weiterhin.
Oft wird übersehen, dass es auch den „Antisemitismus von links“ gibt, der sich gerne als „Israelkritik“ oder „Palästina-Solidarität“ tarnt; davon waren z.B. auch die Anfangszeiten der Grünen stark geprägt, etwa wenn Arafat auf grüne Parteitage eingeladen und dort eifrig die Palästinensertücher getragen wurden.
Was viele Ihrer linken Kritiker überrascht hat: Sie haben das Hassportal kreuz.net sehr früh hart kritisiert. War die Kampagne gegen kreuz.net in dem Ausmaß, wie sie gefahren wurde, und in der Abschaltung des Portals wirklich nötig?
Ich habe „kreuz.net“ aus verschiedenen Gründen deutlich kritisiert, nachdem ich es näher kennen lernte, wobei es mit diesem Radauportal von Jahr zu Jahr noch schlimmer wurde:
Das sprachliche Niveau von kreuz.net befand sich größtenteils unterhalb der Kanalisation, die Artikel waren vielfach von Zynismus und Hetze bestimmt, die Richtung eindeutig juden- und israelfeindlich bei gleichzeitiger auffälliger Sympathie gegenüber dem Islam, sogar gegenüber dem Christenverfolgerstaat Iran.
Durch die Anonymität und Willkür dieser Webseite konnten sich angegriffene Personen nicht wirksam gegen Verleumdungen wehren. Zudem lief dort eine menschenverachtende, unerträgliche Dauerhetze gegen Homosexuelle. Auch wenn ich als konservative Katholikin die christliche Sexualethik befürworte und eine Einführung der „Homo-Ehe“ ablehne, unterscheide ich zwischen Person und Sache, wie sich das für Christen gehört. Diese unterirdische Dauerpolemik von „kreuz.net“ war vom echtem Konservatismus um Lichtjahre entfernt.
Was nun die Kampagne gegen „kreuz.net“ betrifft, so war sie in ihrem Grundanliegen berechtigt, ist nach meinem Eindruck aber streckenweise aus dem Ruder gelaufen, etwa wenn Personen, die leichtfertig Leserkommentare oder vereinzelt Berichte auf „kreuz.net“ publiziert hatten, allzu sehr in den Focus der Aufmerksamkeit gerieten, als ob sie gar „Betreiber“ oder Hintermänner dieses Ferkelportals wären. Hier wurde im Eifer des Gefechtes bisweilen zu wenig differenziert.
Aber selbstverständlich habe ich mich gefreut und war geradezu erleichtert, als die Kampagne gegen „kreuz.net“ endlich zum Abschalten dieser irrsinnigen Seite führte, die in meinem bürgerlich-konservativen Umfeld übrigens oft als „schweinsnet“ oder „hakenkreuznet“ bezeichnet wurde, auch von etlichen Priestern.
Inzwischen hat sich – nicht zuletzt unter Benedikt XVI. – eine selbstbewusste katholische Jugend etabliert, der Konservativismus wird wieder als hipp betrachtet. Wie sehen Sie diese Entwicklung und was würden Sie den jungen Aktivistinnen und Aktivisten mit auf den Weg geben?
Natürlich bewerte ich diese Entwicklung auf den ersten Blick als positiv, bei näherer Betrachtung aber auch etwas skeptisch – und zwar unter anderem aus folgenden Gründen:
1. Die katholisch-konservative Jugendszene sollte sich ein vernünftiges und fundiertes geistig-theologisches Fundament erarbeiten, wozu auch ein besseres Bibelwissen und kirchengeschichtliche Grundkenntnisse gehören. Mit einer emotionalen Euphorie für diese oder jene Päpste, mit Personenkult und oberflächlichem Halleluja-Christentum ist es beileibe nicht getan.
2. Diese an sich erfreuliche Bewegung driftet teilweise in ein stark gefühlsbetontes oder gar wundersüchtiges Schwärmertum ab, pilgert seltsam gerne zu kirchlich nicht anerkannten „Erscheinungsstätten“ (als ob es nicht genügend bewährte und bodenständige Wallfahrtsorte gäbe) und scheint bisweilen mehr an sogenannter „Heilung“ als am eigentlichen „Heil“ interessiert zu sein.
So schön es ist, dass wieder eine neue jugendliche Begeisterung für konservative Werte erkennbar wird, so reicht der Blick „in weite Ferne“ und zu hohen Idealen eben nicht aus, wenn nicht auch die Füße auf einem „Felsen“ stehen.
Womit ich nicht nur den „Felsen Petri“ meine, sondern das ABC der Vernunft sowie die biblische und dogmatische Basis unseres Glaubens. Wir können nur Sand im Getriebe der Welt sein, wenn unser Glaube nicht auf Sand gebaut ist!
Und hier geht es zu dem Blog von Felizitas Küble: ⇒ Christliches Forum Christliches Forum
***
Fotos: alle privat bis auf Portrait von Erzbischof Dyba: (c) Pegnitzer at German Wikipedia [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.