Dienstag, 12. November 2024

Hollywood war nicht dabei: Zahlreiche rote Hochburgen fallen bei Bürgermeisterwahlen an die Lega

„Hollywood“ mischte sich nicht ein in die gestrigen Bürgermeisterwahlen in Italien. Vielleicht ging deshalb nach 69 Jahren das schöne Ferrara der Linken verloren? Ein kleiner Rundblick, wie in den 136 Gemeinden gewählt wurde, lohnt – vielleicht auch als Ermutigung sein Kreuzchen bei anstehenden Bürgermeisterwahlen in Görlitz oder in Deutschland mal an eine neue Stelle zu setzen. Ein Gastbeitrag von Dr. Wulf D. Wagner.

Man sagt uns, selbst „Hollywood“ mische sich in die kommende Görlitzer Bürgermeisterwahl ein. So scheint denn Görlitz – eine unserer letzten Städte mit historischem Stadtkern – bedeutender als die kunstgeschichtlichen Juwele Ferrara oder Orvieto, als die Hafenstadt Livorno oder das wegen seiner berühmten Gartenanlagen berühmte Tivoli bei Rom? Dort fanden am gestrigen Sonntag, 9. Juni, Stichwahlen für die Bürgermeister statt – ohne Wahlkampfhilfe der Film- oder sonstiger Sternchen für die Linke.

Und das, obwohl doch auch hier zwischen Links und Rechts alles knapp aussah. Die Entscheidungen waren zu treffen zwischen den in Italien bei Wahlen üblichen Zusammenschlüssen linker Parteien (centrosinistra, vor allem Partito Democratico) und denen der Rechten (centrodestra, vor allem Lega, Forza Italia, Fratelli d’Italia); nur in wenigen Städten traten auch Movimento 5 Stelle (M5S) oder andere Listen zur Stichwahl an.

Salvini auch hier der Star

„Hollywood“ zeigte kein Interesse, umsomehr stand Innenminister Matteo Salvini (Lega) in den beiden Wochen nach der für ihn siegreichen Europawahl und den ersten unentschiedenen Bürgermeisterwahlen am 26. Mai wieder morgens und abends auf Marktplätzen, um die Bürgermeisterkandidaten seiner Lega bzw. von centrodestra zu unterstützen. Und wie jetzt schon geradezu zur Gewohnheit geworden, strömten die Massen, alle Altersgruppen, Kind und Kegel zusammen, um zu hören, was Salvini verkündet, verspricht oder auch einfach nur im Plauderton zur Politik denkt.

Die Filmaufnahmen und Bilder aus Prato, San Bonifacio, Foligno oder Porto Mantovano auf Salvini Facebook-Seite ähneln sich, wie auch die Reden. Aber doch wird so Politik und Demokratie in Italien wieder erlebbar – übrigens nahezu ohne Störungen der Gegner.

Nicht jeder Auftritt wurde ein Sieg – doch der Aufstieg der Lega setzt sich fort

Nicht überall führten Salvinis Auftritte oder die Kandidaten von centrodestra auch zum Wahlerfolg, in Biella nur knapp mit 50,98 %, während centrosinistra etwa in Argenta (50,17 %) oder in Novate Milanese (50,83 %) ebenso nur mit winzigem Vorsprung gewann. Nicht überall konnte die bisherigen linken Bürgermeister von ihren Herausforderern geschlagen werden, so bleibt die lombardische Geigenbauerstadt Cremona – für die historisch Interessierten unter den Lesern der Hinweis auf die seit den Staufern traditionelle Kaisertreue dieser Stadt –, dem bisherigen Bürgermeister Prof. Gianluca Galimberti (PD).

Schwere Verluste erlitt etwa M5S; vor allem ging Livorno nach fünf Jahren an centrosinistra verloren, während man einzig Campobasso, bisher von einem Bürgermeister der PD regiert, in der Stichwahl gegen einen Kandidaten von centrodestra gewann.

Doch in vielen Städten zeigt die Politik von centrodestra, verbunden mit den Auftritten von Salvini Erfolge, und oft nach Jahrzehnten gingen etwa Marsciano, Mirandola Modena, Vercelli, Forlì oder das schöne Foligno der Linken verloren oder konnte wie das apulische Foggia von centrodestra gehalten werden.

Von den 15 größeren Städten blieben acht links, sieben rechts und eine bei M5S. Ein bedeutender Sieg und Symbol für den Aufstieg der Lega wurde Potenza in der Region Basilicata. Mit dem 35jährigen Mario Guarente wird hier – wenn auch mit 50,30 % sehr knapp – nun erstmals eine Provinzhauptstadt in Süditalien von der Lega regiert.

Die rote Hochburg Ferrara ist genommen

Vor allem aber schaut nun alles nach Ferrara. Nach 69 Jahren gewann der Kandidat der Lega, der Ingenieur Alan Fabbri, mit 56,77 % gegen den bisherigen Bürgermeister Tiziano Tagliani (PD). Der Fall der roten Hochburg mit ihrer mächtigen Burg im zum Weltkulturerbe zählenden Stadtzentrum wird von sämtlichen Medien als historisch bezeichnet.

Den Wahlkampf in Ferrara (Foto) bestimmte besonders das Thema „Sicherheit“, darunter der in afrikanischer Hand befindliche Drogenhandel; doch wurden auch andere Fragen, wie etwa die medizinische Infrastruktur der Stadt, nicht vernachlässigt, und stets das Thema Nr. 1 in Italien bleibt die „Arbeit“.

Der 40jährige neue Bürgermeister Ferraras, dem Berlusconi gerne seinen charakteristischen Zopf abgeschnitten hätte, ist nicht nur seit seiner Jugend politisch aktiv, sondern von jeher auch kulturell engagiert; so mit Gründung der Kulturstiftung „Teuta Lingones“ oder einem der wichtigsten „Celtic Festival“ Italiens. Nun hofft Fabbri, dass Ferrara alsbald Kulturhauptstadt Italiens wird.

Am Ende hat sich „Hollywood“ auch in Görlitz nicht in den Wahlkampf eingemischt – sondern nur einige besorgte deutsche Sternchen, die schon lange nicht mehr verstehen, was sich im realen Leben in Deutschland abspielt und sich für die Sorgen der Görlitzer wohl kaum interessieren.

Nun, die Görlitzer benötigen keine Wahlkampfhilfe von diesen in Italien als „radical-chic“ Bezeichneten, sie brauchen Mut zu Neuem wie die Italiener.

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