Sonntag, 22. Dezember 2024

Teuerung oder Inflation oder beides?

Ein Gastbeitrag von Frank Jordan

„Teuerung in Deutschland auf höchstem Stand seit Jahren“, titelt die Thüringer Allgemeine. Beim Spiegel ist es die „Inflation“, die „auf den höchsten Stand seit 2011 klettert“. So geht es munter quer durch die deutschsprachige Medienlandschaft. Einmal ist es die Teuerungsrate, die auf einen“Rekordstand“ steigt, mal die Inflationsrate. Ja was denn nun?  Inflation oder Teuerung? Oder ist es dasselbe, wie die Artikel allesamt insinuieren? Oder haben wir beides?

Zur ersten Frage: Nein – es ist nicht dasselbe. Preisanstiege infolge Teuerung sind etwas Natürliches im Wechselspiel der Märkte. Sie haben ihren Grund in den Veränderungen von Angebot und Nachfrage. Inflation hingegen ist etwas Unnatürliches: Es sind Preisanstiege, die ihren Grund darin haben, dass der Wert von Geld abnimmt weil es mehr (siehe: zuviel) davon gibt.

Wenn der Kaffeepreis steigt, weil in den Kaffee produzierenden Ländern eine Dürre herrscht, dann steigen die Preise für Kaffee aufgrund des Angebotsrückgangs. Dann liegt eine knappheitsbedingte Preissteigerung vor und nicht Inflation. Wenn der Ölpreis steigt, weil die Födermengen gedrosselt werden oder ein Förderland im Chaos versinkt und nicht mehr fördert, dann ist auch das keine Inflation, sondern eine Teuerung aufgrund der Verknappung des Angebots. Und wenn die Steuern auf Tabak erhöht werden, dann ist auch das keine Inflation, sondern eine räuberische staatliche Verteuerung.

Anders sieht es aus, wenn die Zentralbanken die Geldmenge weit über das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft hinaus ausweiten. Also immer mehr Euros oder Schweizer Franken „aus dem Nichts“ schöpfen und in Umlauf bringen, wie dies hier seit bald 10 Jahren der Fall ist. Dann verbilligt sich der Wert eines Euros und der Bäcker will für ein Brot verständlicherweise mehr Euros, um den gleichen „Gegenwert“ wie zuvor für sein Produkt zu erhalten.

Was liegt heute also heute vor, wo die Preissteigerung über der groteskerweise als Preisstabilität bezeichneten EZB-Limite von zwei Prozent liegt? Die Inflations-/Teuerungsrate sei vor allem dem Ölpreis zu verdanken, heisst es. Liegt hier eine Angebotsknappheit vor? Jein. Laut Bloomberg wurde im Monat August der grösste Öl-Output seit Jahren verzeichnet. Die OPEC-Länder pumpten mehr Öl aus dem Boden als je zuvor und konnten den Rückgang der Ölförderung im Iran aufgrund des durch die USA angekündigten Boykotts auffangen. Die Preissteigerung ist also nicht in der aktuellen Angebotsmenge zu verorten. Aber Märkte nehmen künftige Entwicklungen voraus. Und diese lässt sich beim Öl in einem Wort zusammenfassen: Unsicherheit. Über politische Entwicklungen und über die Realisierbarkeit künftiger Produktionssteigerungen. Der Markt fürchtet eine Angebots-Stagnation und rechnet diese mögliche Verknappung bereits heute mit in den Preis ein. Hier liegt also auf den ersten Blick eine marktbedingte Teuerung und nicht Inflation vor.

Wie sieht es mit den Lebensmittelpreise aus, die um rund 2.8 Prozent gestiegen sind? Auch hier ist Unsicherheit sicher ein Faktor. Es war viel vom „Hitzesommer“ zu lesen in den vergangenen Monaten und es ist durchaus denkbar, dass auch in der Lebensmittel-Industrie mögliche zukünftige Knappheit beim einen oder anderen Rohstoff eingepreist werden.

Aber das allein ist es sicher nicht. Die Preissteigerungen liegen nicht erst seit gestern im Bereich von zwei Prozent und darüber, sondern seit Monaten. Und das ist ja wie man allwöchentlich irgendwo lesen kann, gewollt und „gut“. Womit man zur Beantwortung der zweiten Frage kommt: Haben wir beides? Haben wir sowohl Inflation, als auch knappheitsbedingte Teuerung? Die Antwort hier ist ein deutliches Ja. Mit Ausnahme des Öls ist der grösste Anteil an den Preisanstiegen inflationsbedingt. Die Ursache die seit bald 10 Jahren praktizierte „lockere Geldpolitik“ der EZB, die Euros in einem Mass in Umlauf bringt, wie es das noch nie zuvor gegeben hat. Wenn wir also künftig immer mehr zahlen für Lebensmittel, dann bringt es nichts, über Wetter und Witterung zu klagen. Ein herzhaftes „Danke, Staat!“ reicht dann völlig aus.

Und wenn wir schon beim Staat sind, dann ist es an dieser Stelle angebracht, darauf hinzuweisen, wo es bereits heute richtig weh tut in Sachen Preisanstieg und wo es seit Jahren weit über Durchschnitt teurer wird. Nämlich dort, wo der Staat „wirtschaftet“ – sprich: selber „fuhrwerkt“ (Staatsbetriebe), mit Staatsgewalt Geld erpresst (Steuern/Abgaben/Gebühren) oder ein die Wirtschaft eingreift (Regulierungen).

Seit ich mich vor fünf Jahren hier im Südwesen Frankreichs niedergelassen habe, ist die Grundsteuer um 25 Prozent angestiegen. In Deutschland hat sich das Porto für einen Standardbrief seit 2012 um 27 Prozent verteuert. Die deutschen Bahnpreise haben sich in der gleichen Zeit um 30 Prozent verteuert. In der Schweiz schlägt dieselbe Periode „nur“ mit einem 15prozentigen Preisanstieg zu Buche. Da hier aber der Schienenverkehr via Strassenverkehr massiv subventioniert wird (von den staatlichen Milliarden-Zuschüssen für die SBB-Beamten-Rentenkasse ganz zu schweigen), kann hier nicht von nachhaltigem „Wirtschaften“ gesprochen werden. Die Kosten für die obligatorische Krankenversicherung (Grundversicherung) sind in der Schweiz seit der Einführung des Obligatoriums 1996 um rund 140 Prozent gestiegen. Der Reigen kann fast endlos weitergeführt werden: Abgaben, Steuern und Umlagen auf Strom, Tabaksteuer, Mineralölsteuer, Parkgebühren, Rundfunkbeiträge, Agrarsubventionen. Gemeinsam ist dem bunten Gemisch: Mit marktbedingter Teuerung haben all diese Kostensteigerungen nichts zu tun.

Steigende Preise sind heute grösstenteils politisch bedingt. Konsumentenpreise und Alltagskosten sind  vergleichsweise stabil. Was steigt, sind Inflation, Abgaben, Steuern, Prämien – all jene Bereiche, in denen der Staat wirtschaftet oder stark interveniert, also die Hauptverantwortung trägt. Wenn sich die Situation für die Konsumenten also verschlechtert, dann ist auch hier ein herzhaftes „Danke Staat!“ die einzig angebrachte Reaktion. Dies oder – soweit möglich – aussteigen aus dem Irrsinn.

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PP-Redaktion
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