Ein Gastbeitrag von Jürgen Fritz
Bettina Röhl, Dushan Wegner, Anabel Schunke, sie alle schreiben nicht mehr auf „Tichys Einblick“. Seit Februar 2017 ging es monatelang steil bergab mit dem Blog. Inzwischen konnte er sich wieder etwas erholen, hat aber nie wieder die Position erreicht, die er Ende Januar letzten Jahres hatte. Was ist los mit der Seite?
Wieso rennen Tichy seine Topautoren weg?
Ist Ihnen folgendes auch aufgefallen? Vor einem Jahr noch hatte Tichys Einblick, das liberal-konservative Meinungsmagazin, einige herausragende Autoren mit eigener Kolumne, zumindest aber mit regelmäßigen Beiträgen, teilweise fünf bis zehn pro Monat. Insbesondere Bettina Röhl (eigene Kolumne), Dushan Wegner (eigene Kolumne) und Anabel Schunke (reihenweise ‚Bestseller‘) verfassten immer wieder bemerkenswerte respektive sehr erfolgreiche, oft gelesene Artikel. Seit mehreren Monaten schweigen aber alle drei – zumindest auf Tichys Einblick (TE). Von allen dreien keine einzige Zeile mehr, teilweise schon seit fünf bis acht Monaten. Irgendwie seltsam. Womit könnte dies zusammenhängen?
Die erste Möglichkeit könnte sein, es ist reiner Zufall, dass im Verlaufe von 2017, speziell in der zweiten Jahreshälfte alle drei andere Schwerpunkte als das Schreiben von Artikeln setzten. Dagegen spricht aber, dass Anabel Schunke zum Beispiel inzwischen öfters für Die Achse des Guten und für Journalistenwatch schreibt. Und Dushan Wegner veröffentlicht auch weiterhin Artikel, das aber nunmehr auf seinem eigenen Blog.
Probleme im elementaren menschlichen Umgang?
Eine zweite Möglichkeit wäre, dass die Chefredaktion von TE ihre Autoren nicht so behandelt, wie man sich das eigentlich vorstellen würde. Hier hört man so einiges in der Branche. Im Januar 2017 hat Roland Tichy, nachdem der Druck von außen zu groß wurde für ihn, nicht nur meinen Psychopathologie-Artikel ohne irgendein Wort mir gegenüber, ohne jede Erklärung einfach gelöscht, sondern auch gleich noch einen meiner älteren Artikel, der schon Monate zuvor auf TE publiziert worden war und mit dem anderen gar nichts zu tun hatte.
Bei David Berger, der ihn für dieses Einknicken und das nicht gerade stilvolle Agieren heftig kritisierte, ließ er zwar dessen Artikel auf TE stehen, ließ aber David Bergers Namen unter seinen Artikeln überall entfernen, so dass der Eindruck entstehen konnte, die Texte seien von Tichy. Auf die Bitte Bergers, dies zu unterlassen, kam nie eine Reaktion Tichys. Auch andere Autoren berichten eher seltsame Erfahrungen mit TE. Hatten die drei oben genannten TE-Autoren vielleicht einfach keine Lust mehr auf solch einen zwischenmenschlichen Umgang respektive gestörte Kommunikation?
TE-Kritik geht meist nicht ans Eingemachte
Es gäbe aber noch eine dritte mögliche Erklärung. Beobachtet man TE etwas genauer, fällt einem irgendwann auf, dass das Magazin zwar durchaus kritisch berichtet und kommentiert, dass die Kritik vielleicht nicht gerade an der Oberfläche bleibt, aber auch nicht ans Eingemachte geht. Wirklich substanzielle Kritik, die in die Tiefe vordringt, sucht man auf TE oft vergeblich. Es mag sicherlich Ausnahmen geben, insgesamt aber kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren,
…dass hier jemand eine Internetseite und ein Magazin betreibt, der ja doch irgendwie weiterhin dazugehören möchte zum Medien-Establishment, der weiterhin in Talkrunden eingeladen werden möchte und Fundamentalkritik daher doch eher scheut, weil er ja nicht ausgegrenzt werden, weil er weiterhin einer der ihren sein will.
TE dürfte politisch der FDP und trotz Merkel der CDU sehr nahe stehen. Man wünscht sich wohl einfach eine CDU ohne den Merkelkurs, als ob CDU und FDP die Kraft besäßen, unser Land grundlegend zu reformieren, die Demokratie und die Menschenrechte zu wahren, dem Islam zu widerstehen und die Massenimmigration von Afrikanern und Personen aus der arabisch-islamischen Welt nicht nur minimal zu bremsen, sondern zu stoppen oder gar umzudrehen.
AfD-Feindlichkeit
In dieses Bild passt wohl auch eine gewisse AfD-Feindlichkeit, nicht Kritik, sondern extreme Ressentiments, die immer wieder mal durchschimmern. So auch vor zwei, drei Tagen wieder bei Dr. Hugo Müller-Vogg, der sehr gut zu TE zu passen scheint und dort nach wie vor seine wöchentliche Kolumne hat. Müller-Vogg war bis 2001 Mitherausgeber der FAZ. Seither schrieb bzw. schreibt er vorwiegend für den Axel Springer Verlag, unter anderem wöchentlich Kolumnen für die Bild-Zeitung, eine Streitkolumne mit Gregor Gysi (Die Linke) für die wöchentlich erscheinende SUPERillu und seit knapp drei Jahren eben für TE. Auf Twitter schreibt Müller-Vogg:
„Die AfD mit ihren völkischen Tönen als bürgerlich zu bezeichnen, ist schon kühn. Wer CDU/CSU und FDP gewählt hat, wollte gerade nicht die Rechtsaußen von der AfD in der Regierung haben.“
Dies würde wiederum sehr gut ins Bild passen, dass man bei TE ja doch weiterhin dazugehören möchte zu den Massen- und Leitmedien, zum Establishment. Wer aber gegenüber der AfD, den „Schmuddelkindern“, auch nur die geringsten Sympathien bekundet, der läuft natürlich im Deutschland des Jahres 2017, 2018 höchste Gefahr, ausgegrenzt, ja als Aussätziger behandelt zu werden.
Ein Mangel an Mut und Courage?
An der Stelle fällt mir ein Text von Jack Donovan ein:
„Wenn ein Mann mir versichert, er sei gegen Rassismus oder Sexismus oder Xenophobie oder Transphobie oder was auch immer gerade angesagt ist, dann ist alles, was ich sehe: Angst. Er hat Angst, seinen Job zu verlieren. Er hat Angst, seine Kunden zu verlieren. Er hat Angst, von der Schule geschmissen zu werden. Er hat Angst, von den Medien angeschwärzt zu werden. Er hat Angst, verklagt zu werden. Er hat Angst, sein Haus zu verlieren. Er hat Angst, seine Freundin oder Ehefrau zu verlieren. (…) Er kennt die Regeln und er hat gesehen, was mit denen passiert, die gegen sie verstoßen haben. Viele Männer haben Angst, die Gedanken auch nur zu denken, die zu den Worten führen könnten, die ihnen Ärger einbringen können.“
Nun schreiben auf TE in der Regel keine Wissenschaftler oder gar Philosophen, sondern eben meist Journalisten. Insofern darf – von einigen Ausnahmen abgesehen – kein allzu großer Tiefgang und keine zu hohe Abstraktion erwartet werden. Gleichwohl hob sich doch gerade TE von dem übrigen journalistischen, opportunistischen, teilweise auch verlogenen Sumpf der Presse deutlich ab. Hier wurde nicht nur rein handwerklich eine sehr saubere Arbeit abgeliefert, es wurden kritische Themen zumindest überhaupt mal angepackt und von einer anderen Seite beleuchtet.
Dass aber Roland Tichy nicht gerade ein sehr couragierter, mutiger Mann ist, dem seine inneren Überzeugungen und das Einstehen für diese wichtiger wären als das Dazugehören-Wollen, diesen Eindrucks kann man sich nur schwer erwehren. Sollte dem so sein, dann wäre es natürlich nahe liegend, dass er seine Autoren tendenziell ein wenig ausbremst, so ihre Kritik zu sehr in die Tiefe, zu sehr ans Eingemachte geht. Dass sich dies wiederum nicht gerade positiv auf die Motivation von kritischen Autoren auswirkt, dürfte klar sein.
Oder wie Monika LM auf Facebook schrieb:
„Vielleicht übt Monsieur Tichy subtil Zensur bezüglich kritischer Autoren, da er selbst eher meinungskonform einzuordnen ist. Aber das ist nun wirklich spekulativ, doch sicher nicht gänzlich abstrus. Ob wir es je erfahren werden im Spectaculum des großen Medien-Orbits?“
In Wahrheit ist bestimmt alles ganz anders
Ach, aber wahrscheinlich ist alles ganz anders, hat ganz profane Gründe, zum Beispiel, dass Bettina Röhl einfach an ihrem neuen Buch arbeitet, keine Zeit und Lust hat, Artikel zu schreiben. Wahrscheinlich sind all diese Spekulationen eben genau das und nichts weiter: Spekulationen. Aber wir leben ja in einem freien Land und in einem solchen darf man auch frei spekulieren, nicht wahr?
Fakt ist auf jeden Fall, dass ab Februar 2017 die Leserzahlen von TE über Monate hinweg enorm zurückgingen, nachdem sie die Jahre zuvor bis Januar 2017 steil angestiegen waren. Ab Juni konnte die Seite sich allmählich wieder erholen, hat aber nie wieder die Position erreicht, die sie Ende Januar 2017 hatte.
Vielleicht ja deshalb, weil wir just in einer solchen Zeit leben, in der die Menschen sich vor allem immer mehr nach Authentizität und Wahrhaftigkeit, nach inneren Werthaltungen, nach Mut und Courage sehnen, nach Menschen, die inhaltlich für etwas stehen und sich für das einsetzen, was sie für richtig halten und es auch bei Gegenwind nicht sogleich fallen lassen respektive einknicken. Und jetzt fällt mir ein Lied von Bettina Wegner ein, speziell die Schlusszeilen.
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Gastbeiträge geben grundsätzlich nur die Position des Autors, nicht automatisch die des Blogbetreibers wieder. Für die Korrektheit der Aussagen ist ausschließlich der Gastautor verantwortlich. Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Gastbeiträge hängt mit einem wichtigen Ziel dieses Blogs zusammen: Die Stimmen hörbar zu machen, die die Nannymedien bewusst nicht zu Wort kommen lassen.
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Zum Autor: Jürgen Fritz studierte in Heidelberg Philosophie, Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik und Geschichte für das Lehramt. Nach dem zweiten Staatsexamen absolvierte er eine zusätzliche Ausbildung zum Financial Consultant unter anderem an der heutigen MLP Corporate University. Er arbeitete etliche Jahre als unabhängiger Finanzspezialist. Außerdem ist er seit Jahren als freier Autor tätig. 2007 erschien seine preisgekrönte philosophische Abhandlung „Das Kartenhaus der Erkenntnis – Warum wir Gründe brauchen und weshalb wir glauben müssen“ als Buch, 2012 in zweiter Auflage. Seit 2017 betreibt er schwerpunktmäßig seinen Blog JÜRGEN FRITZ. Hier erschien der hier veröffentlichte Beitrag zunächst.