Die Freiheit, die wir auch in letzten 75 Jahren genossen, ist auch jenen Tapferen, die vor 500 Jahren zum Dreschflegel griffen, zu verdanken. Eine Befreiung aus geistiger Leibeigenschaft, ist nötiger denn je. Ein Gastbeitrag von Meinrad Müller
Wir sind traurig, zornig und auch wütend, weil wir am eigenen Leibe spüren, wie mit uns politisch und ökonomisch umgegangen wird. Der gesunde Menschenverstand zählt nicht mehr. Anpassung wird diktiert, was klar denkenden Bürgern zutiefst widerstrebt. Die Medien zeigen uns ohne Scheu den „Stinkefinger“ und verhöhnen uns. Würfen wir im heiligen Zorn einen Pantoffel an die Mattscheibe, so bliebe dies wirkungslos.
Einfach das Maul halten
Im Jahre 1838 erließ der preußische Innenminister Gustav von Rochow diese Order:
„Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen“. Wir fragen uns heute, ob unsere Freiheit erneut hochherrschaftlich beschränkt wird.
Die geballte rechte Faust in der Hosentasche drückt unsere Machtlosigkeit aus. Wir sind gelähmt. Mit halber Kraft gehen wir unser Tagwerk an. Mit nur einer Hand kann der Bauer nicht pflügen, der Bäcker kein Brot backen und der Pilot nicht fliegen. Es stellt sich hierbei die Frage, ob unsere geballte Faust gewollt ist. Ließen wir uns in die Falle locken? Mit geballter Faust in der Hosentasche lässt es sich nicht kämpfen, nicht arbeiten und auch nicht leben. Die Hälfte unserer Gedankenkraft ist in Beschlag genommen.
Mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, um unsere Meinung zu verdeutlichen, das trauen wir uns schon lange nicht mehr. Nicht im Familienkreis und nicht am Arbeitsplatz. Unsere geballte, wütende Faust bleibt unsichtbar und wirkungslos. Niemand sieht sie, nicht einmal jene, die genauso denken wie wir.
Kommunisten grüßen mit geballter und erhobener Faust
Uns bleibt derzeit auch nicht verborgen, dass mehr und mehr Fotos in der Presse erscheinen, in denen sich wichtig nehmende Personen und Persönchen mit geballter und provokativ erhobener Kommunistenfaust hämisch in die Pressekameras grinsen.
Siegesgewiss wird demonstriert, dass man auf der Seite der Fortschrittlichen stehe und uns schon kleinkriegen werde. Wie sehr diese Ideologie seit 1917 krachend in den Graben fuhr und Millionen Tote forderte, ist hinlänglich bekannt und anscheinend schon wieder vergessen. Wir wollen nicht gleich sein, schon gar nicht gleich arm, ökonomisch wie geistig.
Und wieder ballen wir unsere eigene Faust in der Hosentasche, und wieder ist das nur unser stiller Protest, der ohne Wirkung bleibt.
Faust raus aus der Hosentasche
Wer seine Meinung aufrecht kundtun will, braucht sprichwörtlich beide Hände. Selbst beim Schreiben dieses Textes fliegen alle zehn Finger über die Tastatur, um das, was gärt, zu Papier zu bringen. Papier und Internet werden gelesen, Gedanken werden transportiert, die so auf Gleichgesinnte stoßen. Wir sind nicht allein, wenn wir uns verbinden.
Werden wir uns in einigen Jahren selbst vorhalten, dass wir unsere rechte Faust nicht aus der Hosentasche befreiten? Dass wir nichts anderes getan hätten als zu grollen?
Ein Ur-Ur-Vorfahre des Autors wollte und konnte seine Faust auch nicht in der Hosentasche halten und wurde „Aktivist“, wie es heute heißt. Er verlor 1524 im „Deutschen Bauernkrieg“ bei der „Revolution des kleinen Mannes“ im Raum Memmingen sein Leben. Offensichtlich hatte er zuvor seine Gene weitergegeben, sonst wären diese Zeilen nicht entstanden.
Die Freiheit, die wir auch in letzten 75 Jahren genossen, ist auch jenen Tapferen, die vor 500 Jahren zum Dreschflegel griffen, zu verdanken. Eine Befreiung aus geistiger Leibeigenschaft, ist nötiger denn je.
Addendum (DB): Rotes Brokkoli
Damit heute auch der Humor nicht zu kurz kommt, gibt es zum erwähnten Kommunistengruß hier ein aktuelles Video für meine Leser:
Unsere Gemoss:innen Stephanie und Brokkoli über den Kampf gegen die Räumung in @LuetziBleibt und das Versagen der Linkspartei im Kampf gegen die Klimakrise. pic.twitter.com/Lgv39htf3U
— RevBruch (@Rev_Bruch) January 11, 2023