Donnerstag, 21. November 2024

Ist Putin der neue Hitler?

Die durch die Russophobie angerichteten Verwüstungen in den Köpfen der Deutschen haben inzwischen einen Grad erreicht, der jede Gegenwehr sinnlos macht. Am Ende bleibt man als „Putinversteher“, Relativierer oder unheilbarer Nostalgiker der Sowjetunion allein auf weiter Flur. So Prof. Dr. Eckart Leiser, Privatdozent an der Freien Universität Berlin

In einem Gespräch mit einer guten Freundin vor einigen Tagen wird uns beiden klar, dass unsere Positionen zum Ukraine-Konflikt nicht unterschiedlicher sein könnten. Noch Tage lang kaue ich an einem Bekenntnis, das sie mir entgegenhielt: Dass sie sogar eine Neuauflage der nationalsozialistischen SA begrüßen würde, wenn diese unser Land vor einem Angriff Putins verteidigen würde.

Putin als neuer Hitler

Dann las ich heute einen Artikel mit dem Titel „Die mentalen Verwüstungen der Russophobie“ auf den brillanten NachdenkSeiten, der mir besser zu verstehen half… In diesem Text berichtet Prof. Dr. Eckart Leiser, Privatdozent an der Freien Universität Berlin, über eine SMS, die ihm ein guter Freund vor einigen Tagen hat zukommen lassen. Dieser schreibt: „Putin ist ein ähnlich gefährlicher Diktator wie Hitler… Ein einzelner kranker Mann darf nicht die Menschheitsgeschichte bestimmen. Putin muss durch Gewalt wie Hitler gestoppt werden. Das wird leider viele ukrainische Opfer dauern.“

Und Prof. Leiser kommentiert dann diese Aussage: „Der obengenannte Freund zählt zur sogenannten „Altlinken“. Auch diese hat es anscheinend nie geschafft, sich von ihrer mit der Muttermilch aufgenommenen Russophobie zu befreien und die Russen zumindest als „normale menschliche Wesen“ wahrzunehmen: die Angst vor den Russen wurde lediglich überlagert durch eine Glorifizierung der Sowjetunion aus der Perspektive von Delegationsfahrten.

Ein Tabu hatte diese versteckte Russophobie bisher allerdings gewahrt: Nach dem Abschlachten von 27 Millionen Sowjetbürgern sollten mit deutscher Hilfe nicht noch einmal Russen liquidiert werden. Das war ja bis vor kurzem genau die Grenze zwischen defensiven und offensiven Waffen. Mit der Lieferung „schwerer Waffen“ ist dieses Tabu nun gebrochen worden.

Der russische Untermensch

Um zum Vergleich (der ja kein Einzelfall ist) von Putin mit Hitler zurückzukehren, könnte man als Psychoanalytiker noch einen Schritt weitergehen. Wie die Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland zeigt, „ist der Schoß, der das gebar“, nämlich Hitler, Naziherrschaft und Antisemitismus, durchaus noch fruchtbar. Das Profil dieser „Neugeburt“ sind nicht mehr die gestiefelten „Dumpfbacken“, sondern gepflegte Damen und Herren mit Schlips und Kragen, die immer mehr die Feuilletons, Kommentarspalten und Talkshows bevölkern.

Das neue „Narrativ“ (so heißt das ja heute) ist die deutsche Kultur bis hin zum Identitären (was abgestuft funktioniert: Schutz der deutschen Kultur vor der „Umvolkung“, ukrainische Flüchtlinge dürfen umarmt werden, die von außerhalb Europas kommenden dürfen an der polnischen Grenze verrecken, und die russischen “Horden” gehören vernichtet). Was aus dem Versuch geworden ist, deutsche „Kulturwerte“ durch europäische zu entstauben, kann am Beispiel Ukraine besichtigt werden: Von der Leyen betreibt den EU-Beitritt des Landes im Schnellverfahren, während der von der britischen Zeitschrift „The Economist“ berechnete Demokratie-Index dort im Jahr 2021 gefallen ist: von 5,81 auf 5,57. Das Land bleibt aber noch in der Kategorie „hybrides System“ (eine Stufe vor der untersten Kategorie, der „Autokratie“).

Allein auf weiter Flur

Noch ist es jedoch nicht soweit, dass Hitler wieder salonfähig wäre. Aber immerhin dient er wieder zum Befeuern der Russophobie: Der in unserem Unbewussten steckende Hitler wird auf Putin projiziert, der sodann als Vertreter des russischen „Untermenschen“ gehasst und zur Liquidierung freigegeben werden darf. Mit der Ausrottung der Millionen Putins, die am 9. Mai demonstriert haben und die inzwischen mit Russland identifiziert werden, kann der Überfall auf die Sowjetunion 1941 vielleicht doch noch zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden

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Die durch die Russophobie angerichteten Verwüstungen in den Köpfen der Deutschen haben inzwischen einen Grad erreicht, der jede Gegenwehr sinnlos macht. Am Ende bleibt man als „Putinversteher“, Relativierer oder unheilbarer Nostalgiker der Sowjetunion allein auf weiter Flur.“

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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