(David Berger) Das südfranzösische Nizza scheint das perfekte Ziel für diejenigen, die sich nicht zwischen Kulturreise, Bergwandern, Badeurlaub und Städtetour entscheiden können. Als perfekte Reisezeit gilt der Herbst.
Dem Neuankömmling in Nizza sei zu allererst ein Gang zum Strand „Plage Castel“ empfohlen. Der ist nicht nur am schnellsten von der Altstadt zu erreichen – in etwa fünf Minuten ist man vom Dom der südfranzösischen Stadt am Strand – , sondern ist auch perfekt, um auf einen Blick zu erfassen, was Nizza so besonders macht.
Selbst im Oktober und der ersten Novemberhälfte ist das Meer noch so warm, dass man sich an sonnigen und windstillen Tagen am steinigen Strand angekommen, ins Meer wagen, ein Stückchen hinaus schwimmen und den Blick zum Strand zurück drehen sollte. Dann sieht man vor sich eine großartige Kulisse:
Nizza – mediterran und im besten Sinne europäisch
Rechts fällt einem sofort der Burghügel ins Auge. Auf dem plätschert heute ein künstlicher Wasserfall, wo einst die Burg stand; zu jenen Zeiten, als die Stadt italienisch war: Nizza oder Nice, wie der Ort auf Französisch heißt – das ist ein Urlaubsort mit einer reichen, zutiefst europäischen Geschichte, der man auf Schritt und Tritt hier begegnet.
Der berühmte italienische Protagonist des Risorgimento, Giuseppe Garibaldi ist in Nizza geboren und der Philosoph Friedrich Nietzsche verbrachte zwischen 1883 und 1888 in der Stadt, von der Syphilis geplagt, stets die Wintermonate: „Sicherlich kann es keine schönere Jahreszeit für Nizza geben als den Winter …“ lesen wir in seinem Tagebuch. Für reine Kultur- und Städtereisen mag das auch heute noch zutreffen, wer aber wer ganz Nizza erleben will, der sollte im September oder Oktober hierher kommen.
Dabei eignet sich die „Perle der Côte d’Azur“ auch für ein verlängertes Wochenende. Hat Nizza doch den zweitgrößten Flughafen Frankreichs und ist etwa von Köln aus in einer guten Stunde Flugzeit zu erreichen.
Côte d’Azur: der Zauber des Meeres in einem Wort eingefangen
Noch immer im tiefen Blau der Côte d’Azur plantschend, sieht man geradeaus die barocke Altstadt. Wenige Meter vom Strand entfernt liegt hier der weltberühmte Blumenmarkt am Cours Saleya, dessen Abschluss das Wohnhaus des berühmten Malers Henri Matisse bildet. Von Strand und Meer aus schaut man direkt auf das gigantische Fenster, von dem aus der das Licht des Südens einfing. Und noch heute kann man beim Spaziergang an der langen Promenade d’Anglais („Prom“) erahnen, warum Matisse von hier nicht mehr wegwollte: nirgends – außer vielleicht auf kleinen griechischen Inseln in der Ägäis – habe ich auf meinen vielen Reisen das Mittelmeer in einem solch strahlenden Blau erlebt wie hier.
Man möchte Dichter sein, um das zu besingen sagt mir eine Freund, der mit mir aus Paris hierher gekommen ist – und spielt damit auf die Tatsache an, dass auch der Begriff Côte d’Azur (azurblaue Küste) eine Schöpfung des Dichters Stéphen Liégeard ist. Wie inhaltslos klingt da das englische „French Riviera“, das fast so tut, als sei dieser wundervolle Landstrich nur ein Anhängsel an die ligurische Riviera.
Nizza das ist aber auch eine Stadt, die nicht nur im vergangenen Jahrhunderten Maler, Schriftsteller und andere Künstler magisch anzog, sondern auch heute wieder als wichtiges Kunstzentrum Frankreichs gilt. Vor allem die vielen Galerien der Stadt zeugen davon. Die Stadt ist auch stolz darauf, nach Paris die zweitmeisten Museen in Frankreich ihr eigen zu nennen.
Nizza – die große Opernbühne
Links von der Altstadt sieht man in der Sonne zunächst die Fassade der Oper, an der unter anderem Tschaikowskys „Eugen Onegin“ auf französischem Boden erstaufgeführt wurde,. Wenn eine Stadt an der Côte d’Azur unbedingt eine Oper braucht, dann ist das ganz sicher Nizza. Gleicht doch die Altstadt mit jeder ihrer kleinen spätbarocken Plätze, ihren ausladenden Rokoko-Kirchen und prunkvollen Palazzi einer großen Opernbühne.
Die Stuckvorhänge über den vergoldeten Altarsäulen der Gotteshäuser unterscheiden sich so gut wie gar nicht von jenem Goldstück und gigantischen roten Samtvorhänge, die vom Schein großer Kronleuchter erleuchtet, einen bei einem Opernbesuch in Nizza ins 19. Jahrhundert zurück versetzen.
Mit zu diesem Gesamtbild gehört auch die wunderliche Tatsache, dass hier der katholische Gottesdienst in vielen Kirchen der Altstadt noch in jener traditionellen Form gefeiert wird (s. Foto), wie sie prägend für die Inszenierungen der Oper war.
Ein Ereignis, das man in keinem Reiseführer erwähnt finden wird, das sich aber kein wirklich Kultur interessierter Nizzabesucher entgehen lassen sollte.
„Negresco“: Nizza als Stadt des Glamours
Von der spät- und neubarocken Pracht zum Glanz des beginnenden 20. Jahrhunderts schreitet man fort, wenn man den Blick über den Palmen der Promenade d’Anglais auf die von Gustave Eiffel konstruierte Kuppel eines der bekanntesten Grand Hotels der Welt, des „Negresco“, wendet.
Das „Negresco“ steht geradezu symbolisch für Nizza als Stadt des Glamours. Welcher cineastisch einigermaßen Versierte denkt bei Nizza nicht sofort an Grace Kelly, Kunstmillionäre und Diamanten über den „Dächer Nizzas“? Eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt: so hat etwa Elton John oberhalb von Nizza, auf dem Mont Alban, ein Haus.
Nur wenige Meter hinter der Oper tobt das ganz normale französische Großstadtleben
Hinter dem „Negresco“ beginnt aber zugleich die moderne Stadterweiterung. Nizza – das ist eben nicht nur eine Stadt großer historischer und touristischer Traditionen, sondern auch eine der modernsten Großstädte Frankreichs. Nur wenige Meter muss man gehen, um von den touristischen Schwerpunkten weg in ein ganz normales südfranzösisches Großstadtleben einzutauchen.
Schon Klaus und Erika Mann bemerkten in ihrem gemeinsamen Reisetagebuch vor knapp 100 Jahren: „Nizza, in dem 184.000 Leute leben, mitten unter ihnen große Europäer arbeiten, das blaue Meer, ihren Karneval und ihre Sonne genießen, unter den schlechten Zeiten leiden, Blumen züchten und sterben“. Heute ist die Zahl der Einwohner auf das doppelte angestiegen, schlechte Zeiten gibt es für die herausgeputzte Stadt derzeit nicht. Aber das Meer und die Sonne sind auch im Bewusstsein der Bewohner allgegenwärtig.
Gerade in den Herbst- und Wintermonaten kann man an den Tagen mit weniger schönem Wetter eine Shoppingtour durch die an den Place Massena angrenzenden Einkaufsstraßen genießen. Für die Shoppingpausen, ist es eigentlich überflüssig, hier Worte über das hohe Niveau der französischen Küche zu verlieren. Das Besondere in Nizza freilich ist, dass sich hier Elemente der französischen und italienischen Küche kunstvoll ergänzen.
Strukturell und stadtplanerisch hat Nizza unter dem dem konservativen Flügel der Sarkozy-Partei angehörenden Stadtoberhaupt große Sprünge gemacht. Der Autoverkehr wurde eingedämmt, neue Parks entstanden, wo früher hässliche Parkhäuser der 70er Jahre vor sich hin verfielen und auch der öffentliche Nahverkehr funktioniert in der vielleicht saubersten und gepflegtesten Stadt Frankreichs tadellos.
Das wird schon der Neuankömmling an dem schmucken Flughafen Nizzas, dessen Start- und Landebahnen eine Halbinsel im Meer bilden, bemerken. Fast vom Gepäckband weg, kann man in den Flughafenbus einsteigen, der einen in 20 Minuten ins touristische Zentrum der Stadt bringt.
Im Hintergrund die Alpen der Haute Provence
An klaren Tagen sieht man vom Meer aus auch immer die Berge der Alpes de Haute Provence, die sich hinter der Stadt erheben. Wer das Glück hat, sich länger an der Côte d‘Azur aufzuhalten, der sollte unbedingt auch einmal einen Ausflug ins Hinterland unternehmen. Die „Pinienzapfenbahn“ fährt mehrmals täglich vom Provence-Bahnhof aus über das Voralpenland in den Wintersportort Digne.
Je mehr sich die wackelige Bahn von der Stadt am Meer entfernt, umso einsamer werden die Dörfer, umso rauer die Landschaft und umso höher die Berge. Das beeindruckendste Reiseziel für einen Tagesausflug dürfte der etwa eineinhalb Zugstunden von Nizza entfernte Ort Entrevaux sein. Mittelalterliche Wehrmauern umgeben eine die Stadt, die eigentlich die Dimensionen eines Dorfes hat, aber schon seit dem 5. Jahrhundert einen eigenen Bischof und eine Kathedrale ihr eigen nennt. Unterbrochen werden die Stadt nur durch drei Tore, die noch immer durch voll funktionierende Zugbrücken komplett verschließbar sind; und einen Zugang zur hoch über der königlichen Stadt thronenden Zitadelle.
Direkt am Ausgang von zwei Stadttoren beginnen jeweils einsame Wanderwege, über die man an den Berghängen, oberhalb der Flüsse Var oder Chalvagne durch Weinberge und Olivenhaine wandern kann. Zurück im kleinen Ort sollte man in den paar wenigen Restaurants die rustikalen Spezialitäten der Bergwelt genießen. Besonders schön kann man auf dem kleinen Place de la Hospice neben einem plätschernden Brunnen sitzen, dessen Wasser eiskalt direkt aus den Bergen kommt und besser schmeckt als das in den Restaurants ausgeschenkte Tafelwasser.
Eintauchen ins faszinierende Blau
Selbst dem Abgehärtetsten dürfte es nun, nach dieser Rundschau vom Meer aus, langsam zu kalt werden. Dann bietet sich beim Zurückschwimmen zum Strand zuletzt ein Blick zu den Felsenspringern vom Pointe de Rauba Cabeú an.
An nahezu jedem sonnigen Tag kommen immer einige einheimische Jungs und Männer in der Schul- oder Mittagspause hierher und versuchen sich in wagemutigen Sprüngen von traditionsreichen Felsen aus ins immer wieder neu faszinierende Blau der Côte d’Azur.
***
MIT EINEM KLICK KÖNNEN SIE DEN UNABHÄNGIGEN UND WIRKLICH FREIEN JOURNALISMUS VON PP UNTERSTÜTZEN:
… oder auf Klassische Weise per Überweisung:
IBAN: DE04 3002 0900 0803 6812 81
BIC: CMCIDEDD – Kontoname: David Berger – Betreff: PP
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.