Samstag, 20. April 2024

Stehen wir vor einem Euro-Crash?

Unabhängige Finanzexperten warnen vor einem Zusammenbruch der Bankenwirtschaft in etwa zwei Jahren, deren Folgen die Krise von 2007/08 weit überträfen. Selbst die immensen Kosten der „Flüchtlings“-Krise würden etwa um das Zehnfache überschritten. Was müsste getan werden?  Interview mit Peter Boehringer – von A.R. Göhring

Peter Boehringer ist Finanzpublizist und Haushaltspolitischer Sprecher der AfD. Er ist Mitglied des Bundestags und der Vorsitzende des Haushaltsausschusses.

Herr Boehringer, in den alternativen Medien wird seit geraumer Zeit auf die Risiken der Euro-Stützungspolitik hingewiesen; und natürlich von der AfD. Nun scheint die Erkenntnis auch in der Massenpresse angekommen zu sein. Wo liegen die Gefahren der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank?

In der Tat hat es unendlich lange gedauert, bis die strukturell schon Anfang der 1990er Jahre angelegten Probleme des Euro, die von unabhängigen Ökonomen durchaus damals auch schon thematisiert wurden, nun auch einmal im Mainstream angemessen behandelt werden. Allerdings noch immer viel zu selten – und dies gilt auch noch immer nicht quantitativ: Der o.g. Artikel im Focus ist die absolute Ausnahme – die genannte Größenordnung von absehbar mehr als drei Billionen Euro bereits heute verlorener Gelder wird weiterhin von den Medien und von fast allen politisch und regulatorisch Verantwortlichen verleugnet oder verdrängt.

Es gilt hier ganz profan das Motto „es kann nicht sein, was nicht sein darf – jedenfalls nicht während meiner Amtszeit“.

Und doch muss man (je nach Annahmen) von mindestens diesen Abschreibungs-Größenordnungen ausgehen, die natürlich bei den Geschäftsbanken nicht ansatzweise durch Eigenkapital oder Rücklagen oder gar durch bereits ergebniswirksame Rückstellungen abgedeckt sind!

Die künstlich-manipulative, welthistorisch völlig einmalige Nullzinspolitik der EZB verunmöglicht nicht nur den Aufbau halbwegs risikoarmer Vermögen etwa für die Altersversorgung von Millionen Menschen, sondern bewirkt zugleich das Ende der angestammten Geschäftsmodelle der Lebensversicherer und Privatbanken.

Die Notenbanken selbst können aufgrund ihrer Geldschöpfungsmacht niemals illiquide – und im Prinzip auch nie überschuldet werden. Nichtsdestotrotz ist die euphemistisch als „quantitative easing“ umschriebene Politik der Geldflutung aus dem Nichts durch ungedeckte, fast beliebig hohe Kreditgeldschöpfung extrem gefährlich. Diese Billionensummen, denen keine reale Vermögenssubstanz und auch keine künftig noch real erbringbare Arbeits- und Steuerleistungen gegenüberstehen, werden eines Tages auszubuchen sein.

In der Finanzgeschichte ist das regional oder in Einzelstaaten schon oft geschehen – entweder deflationär über eine sogenannte „Wahrungsreform“ – oder inflationär über langjährig hohe Inflationsraten und/oder über eine Hyperinflation, die schließlich aber auch in einer deflationären Währungsreform endet. Auf europäischer oder gar weltweiter Ebene wurde dieses „Experiment“ jedoch noch nie versucht.

Die Niedrig- und Nullzinspolitik, die wir in Japan (BoJ) und EZB-Europa bis hin zu den USA (Fed) seit 30 Jahren erleben, ist weltgeschichtlich einmalig. Es spricht aber nichts dafür, dass das Experiment diesmal anders ausgeht als Hunderte Male zuvor bei Papiergeldexperimenten auf nationalen Ebenen, nur weil es diesmal länger andauert, viel globaler ist und durch Finanzderivatinstrumente und durch massenmediale Propaganda „Alles ist gut“ unterstützt und verlängert wird.

Mit jeder ungedeckten Kredit-Milliarde wird Konsum der Zukunft in die Gegenwart vorgezogen.

Roland Baader meinte dazu „Wir werden nachhungern müssen, was wir vorausgefressen haben“. Das unfaire an dem Spiel ist, dass es andere Menschen sind, die nachhungern werden als die, die von der Gelddruckerei profitieren. Und es sind auch immer die kleinen Leute, die am meisten unter den solchen Finanzkrisen oft nachfolgenden wirtschaftlichen Krisen und militärischen Konflikten leiden.

Der volkswirtschaftlich eher wenig bedarfte Bürger hört und liest häufig von Target2 (dt. „Transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Abwicklungs-Express-Überweisungssystem 2“).  Der Eurokraten-Kauderwelsch bezeichnet schlicht immense Kreditsummen, die aus der nördlichen EU, also hauptsächlich Deutschland, in den Süden transferiert werden. Was wird unserer Wirtschaft passieren, wenn diese Kredite nicht zurückgezahlt werden (können)?

Target2 (T2) ist ein seit 2010 heiß diskutiertes Thema. Ich warne schon seit damals davor, dass diese Summen, die auf der Aktivseite der Bilanz der Deutschen Bundesbank unter „Sonstiges“ (!) als Verrechnungs-Forderung gegen das EZB-System in Höhe von derzeit 915 Milliarden Euro geführt werden, niemals zurückgezahlt werden können. Deutschland finanziert über T2 seit etwa 2010 volkswirtschaftlich (ungleich betriebswirtschaftlich) seinen eigenen Exporterfolg speziell in die Euro-Südländer selbst. Das ist gleichbedeutend mit einer Vollsubventionierung unseres Exports durch die Bundesbank.

Wir verschenken volkswirtschaftlich unsere Exportgüter ans Ausland – die Rechnung wird zwar an die Export-Unternehmen bezahlt – aber faktisch durch die Bundesbank, die (bei fünf Milliarden Euro Eigenkapital) selbstredend niemals die absehbaren Rückzahlungsausfälle wird tragen können.

Damit muss die Bundesbank aus dem allgemeinen Haushalt rekapitalisiert werden, wenn der Euro zusammenbricht. Die Bundesbank hätte dann zwar theoretisch einen Anspruch auf eine Zahlung über fast eine Billion Euro durch die EZB, die formal die Gegenpartei Deutschlands bei Target2 ist. Dummerweise wird aber das EZB-System an dem Tag nicht mehr existieren bzw. eine ggf. im letzten Moment des Systems noch geleistete Rückzahlung an Deutschland über derzeit 915 Mrd. Euro würde von der EZB in dann wertlosem Euro-Buchgeld geleistet.

Das Problem liegt also zunächst weniger bei der Wirtschaft (die hat ja ihre Exporterlöse über den Target2-Mechanismus bereits seit 2008/2010 erhalten) – sondern beim Steuermichel. Allerdings wird auch die Exportwirtschaft natürlich einen Anpassungsschock erleiden, wenn der Euro – und damit Target2 – endet: Die extreme Ausrichtung der deutschen Wirtschaft auf den Export wird dann normalisiert werden müssen. Was volkswirtschaftlich nicht so schlimm wäre, denn ein Großteil unserer Exporterlöse kommt auch aus anderen Gründen als T2 nicht greifbar bei uns an: Die Auslandsvermögen Deutschlands etwa sind im Vergleich zu denen der Chinesen und angesichts unserer seit EUR-Einführung explodierenden Handelsbilanz-Überschüsse winzig.

Die Entwicklung der akkumulierten Handelsbilanzüberschüsse seit Januar 1950 im Chart. Am äußeren Rand dokumentieren sich kumulierte +4.125 Mrd. Euro an Überschuss. Ein akkumulierter Wahnsinn pur!

Wir werden an mehreren Außenhandels-Stellen faktisch nur in nicht in Kaufkraft umsetzbarem Buchgeld bezahlt. Target2 ist nur eines dieser Beispiele. Und wie schon oft von mir betont: Target2 ist wertlos!

Jede Bank (außer offenbar der Bundesbank) müsste eine nicht verzinste Kreditposition gegen notleidende Schuldner ohne Endfälligkeitsdatum (und darum nicht fälligstellbar) als „wertlos“ ausbuchen oder dafür wenigstens hohe Risikorückstellungen einbuchen. Doch selbst wenn die Bundesbank auch nur 10% ihrer T2-Forderungen abschreiben würde, wäre sie bereits mehrfach überschuldet, und damit pleite. Wir fordern seit Langem eine Risikovorsorge für diesen Fall im deutschen Bundeshaushalt, der dann über Nacht alleine nur wegen T2 keine „Schwarze Null“ mehr auswiese, wie Olaf Scholz ebenso wie sein Vorgänger Schäuble noch immer behaupten. Von den Risiken seitens der EZB-Käufe fauler Anleihen ganz abgesehen…

Es gibt (leider) EINE Möglichkeit, die Target-Salden auch anders verschwinden zu lassen – wenn auch nur buchhalterisch: Wenn Macron und Merkel und Co es schaffen, Deutschland verfassungs- und demokratiewidrig in die „Vereinigten Staaten von EUropa“ (VEU) umzubauen, gibt es selbstredend auch einen EU-Gesamthaushalt.

Die nationalen Budgets würden aufgehen in einem großen transfersozialistischen EU-Haushalt – die nationalen Notenbankenbilanzen würden konsolidiert in einer großen ESZB (Europäisches System der Zentralbanken)-Bilanz der VEU. In dieser würden sich dann mirakulöserweise die Target-Forderungen (Deutschlands) und die Target-Verbindlichkeiten (fast aller anderen EUR-Staaten) zu nahe Null saldieren! Auch diese Variante würde aber auf das seit 100 Jahren „bewährte“ Postulat „L´Allemagne paiera“ hinauslaufen.

Dieses Zitat „Deutschland wird alles zahlen“ geht auf den französischen Finanzminister Clemenceau zurück, der dies als Grundlage des Versailler Friedensdiktats von 1919 sah. Ein Postulat, das der französische Präsident Mitterrand schon seit 1988 im Hinblick auf das bereits damals geplante Euro-System erneuerte – bis heute, da es sein Nachnachfolger Macron erneut einfordert. Das geht genau so lange gut, bis „L´Allemagne“ eben einmal nicht mehr zahlen kann. Oder will…

Wie wären die konkreten Auswirkungen auf den einzelnen Bürger? Gäbe es Massenarbeitslosigkeit; würden Konten gepfändet?

Wie in der Frage zuvor schon beschrieben, gibt es mehrere Optionen des Ablaufs. Bei allen wird Deutschland bezahlen müssen. Und ja, hier gilt die schon vor 90 Jahren geäußerten Erkenntnis des deutschen Bankiers Carl Fürstenberg,

„Wenn der Staat pleite macht, geht natürlich nicht der Staat pleite, sondern seine Bürger!“.

Jemand muss die Zeche dieses Wahnsinns zahlen – und nach aller geschichtlichen Erfahrung sind dies die Arbeiter, Sparer und Vermögensbesitzer. Niemand kann den genauen Ablauf der finanziellen Repression voraussagen. Vermutlich wird zunächst mit statistisch nicht zugegebener hoher Geldschöpfung = Inflation bei gleichzeitigem Nullzins auf Sparguthaben gearbeitet. Dieses Spiel läuft ja bereits seit Jahrzehnten.

Gleichzeitig bescheinigt eine aktuelle OECD-Studie Deutschland überdurchschnittlich hohe Steuern und Abgaben. Wenn all das nicht mehr ausreicht, wird es repressivere Mittel geben – u.U. bis hin zur offenen Konfiskation von Vermögen.

Politisch können wir nur dafür sorgen, dass die Summen, die aufgebracht werden müssen, nicht NOCH höher werden. Nach meiner Rechnung sattelt D-EU-tschland derzeit über eine bis zwei Milliarden Euro pro Tag (!) auf den Billionenberg drauf. Alles nur für den Erhalt des sakrosankten Euro, der gemäß Draghi ja schon seit 2012 „Koste es was es wolle!“ gerettet wird.

Wer ist für das finanzielle Chaos in der Europäischen Union verantwortlich? Müßte man noch Helmut Kohl Vorwürfe machen, oder gibt es aktuell Profiteure der Krise, die sich durch ihr Handeln die Taschen füllen? Oder sind hier schlicht Unfähige wie Angela Merkel am Werk?

Wie oben bereits gesagt: Das Euro-Desaster ist systemisch angelegt. Man kann über einen geographischen Raum Europa, der aus kulturellen und historischen Gründen dauerhaft heterogen sein wird und sich schon aus sprachlichen Gründen auch niemals als „Schicksalsgemeinschaft“ verstehen wird, keinen homogenen Raum machen, was Voraussetzung für eine europäische Nation und damit auch zwingende (!) Voraussetzung für eine Währungsunion mit Transfercharakter wäre.

Leute wie Bandulet, Brunner, Baader haben schon Anfang der 1990er all dies in Büchern beschrieben – vor dem BVerfG gab es ebenfalls in den 1990ern grundlegende Klagen gegen diesen Wahnsinn – sogar die wenigen unabhängigen Ökonomie-Wissenschaftler sind Sturm gelaufen gegen eine Währungsunion ohne vorherige politische Union.

Kohl und auch Schäuble haben Jahre später zugegeben, dass sie niemals eine Mehrheit in Deutschland für das Projekt „Euro“ gehabt hätten.

Dass sie aber das Projekt „wie ein Diktator“ (Kohl) „gegen 70% der Deutschen“ (Kohl) durchgezogen haben. Beide wussten neben der fehlenden demokratischen Mehrheit zum Euro auch um die Verfassungswidrigkeit – die Euro-Dauerrettung seit 2010 widerspricht ohnehin dem Maastricht-Vertrag, auch wenn das BVerfG das partout bis heute nicht feststellen will.

Inzwischen gibt es Euro-Fragen sogar trotz (wegen) eindeutiger Verfassungswidrigkeit der Euro-Rettung an den EuGH in Luxemburg ab – nur um kein eigenes Urteil sprechen zu müssen!

Der Stammtisch in Deutschland hatte damals wie heute recht: Man war immer gegen den Euro – ebenso wie die unabhängigen Denker in der Wissenschaft.

Doch eine supranationalistisch gepolte systemmediale Übermacht und eine bedingungs- und kopflos EUropäisch handelnde EUlitäre Führungsclique hat anders entschieden. Die Nachfolger heute halten weiterhin an der damaligen, heute superteuren Fehlentscheidung fest. Bis es eben nicht mehr geht. Und ja, diese Clique profitiert vom Euro – sehr viele Bürokratenjobs hängen an dieser unsäglichen Brüsseler Maschine.

Man will erkennbar das falsch konstruierte System bis zur letzten (illegalen) Patrone bzw. bis zur letzten (deutschen) Transfer-Zwangszahlung verteidigen.

Das Ende ist sicher – doch der Zeitpunkt hängt zum einen von der verbliebenen deutschen Bonität und Substanz ab (da ist noch immer einiges zu holen bzw. zu EUropäisieren) – zum anderen von der kriminellen Energie, mit der europäische und nationale Verfassungsregeln noch gebrochen werden, um das Projekt Euro zu verlängern.

Grafik: Gläubiger und Schuldner in der EU. Über der Null-Linie: Gläubiger, x-Achse: Jahr. Y-Achse: +0 bis eine Billion € (1.000.000.000.000€) (Quelle Wikimedia commons)

Internetempfehlung

Reden mit Peter Boehringer https://www.youtube.com/watch?v=p0lblZgqBlU

Antrag im Bundestag gegen den geplanten EWF der EU

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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