Mittwoch, 18. Dezember 2024

#MeToo und Harvey Weinstein – oder: Was darf Mann noch?

Das banale Ziel hinter betulichen Kampagnen wie #MeToo ist: Der Mann soll solange verschreckt, angeschwärzt und letztlich kriminalisiert werden, bis endlich Ruhe herrscht und nur noch die Frau bestimmt, was Mann darf, was nicht – und vor allem, was er muss. Ein Gastbeitrag von Marcus Franz

In Amerika hat der Filmmogul Harvey Weinstein offenbar über Jahrzehnte versucht, seine Position als (möglicher) Arbeitgeber gegenüber Frauen auszunützen und diese sexuell belästigt. Diverse Schauspielerinnen sind jetzt an die Öffentlichkeit gegangen, haben die Vorkommnisse berichtet und aus diesen Outings ist daraufhin eine nahezu weltweite Kampagne namens #MeToo geworden. Sie soll es Frauen erleichtern, persönliche Erlebnisse ähnlicher Art publik zu machen.

Als Vorgesetzter ein NoGo

Es ist keine Frage, dass das Ausnützen eines Abhängigkeitsverhältnisses, wie das der Filmproduzent augenscheinlich tat, erbärmlich und ekelhaft ist. So etwas kann keine Rechtfertigung bekommen. Und natürlich ist dieses Verhalten auch kein Einzelfall, sondern das kommt in allen Branchen und überall auf der Welt vor. (Wir haben derzeit einen ähnlichen Fall in Österreich: Ein mittlerweile fristlos gekündigter Chefredakteur einer renommierten Zeitung hat angeblich in Weinstein-Attitüde einer Frau und Nachgeordneten Arbeit gegen Intimitäten angeboten).

Ein Festmahl für Feministinnen

Das Thema ist natürlich ein gefundenes Fressen für Feministinnen aller Art. Sogar die immer irgendwie merkwürdigen männlichen Frauenkämpfer haben sich draufgesetzt und spielen die Empörten im Konzert des vielstimmigen weiblichen Aufschreis.  Der Feminismus, der bis vor kurzem nur noch zwischen Opfergehabe, Selbstmitleid und furienhaften Auftritten oszillierte und bereits ein völlig degeneriertes, geradezu scheintotes Mauerblümchendasein fristete, hat mit #MeToo endlich wieder eine Thema gefunden, um seine eigene Reanimation zu probieren.

Der Stellvertreterkrieg

Die kämpferischen Damen haben es zwar nicht geschafft, beim alles überschattenden Thema der letzten Jahre Position zu beziehen und die zu uns importierte orientalische Kultur, in der die Frauen zu Millionen unterdrückt werden, in einer entsprechenden Kampagne anzugreifen, aber dafür hat jetzt Hollywood endlich einen Anlass geliefert, die westliche Männerwelt einer feministischen Generalkritik zu unterziehen. Ist ja auch einfacher, weil sich der schon lange domestizierte westliche Mann offensichtlich jederzeit wie ein Tanzbär vorführen lässt, wenn aus Hollywood von den dort stets streitlustigen weiblichen Stars ein angriffiges oder viktimisierendes Thema vorgegeben wird.

Was darf Mann noch?

Die Weinstein-Affäre hat nicht nur ihre zweifellos ungustiöse Seite, sondern sie wirft ja auch durch die breite Lancierung via #MeToo-Kampagne viele Fragen nach dem grundsätzlichen Umgang zwischen Mann und Frau auf. Speziell in der Arbeitswelt, aber auch im ganzen sozialen zwischengeschlechtlichen Verhältnis steht nun die Frage im Raum: Was darf Mann noch? Wo verläuft die Grenze zwischen Belästigung und Flirt? Einfache Alltagsgeschichten werden zum Problem: Wie mache ich mir heutzutage korrekterweise ein Rendezvous aus – vor allem, wenn es mit einer Arbeitskollegin stattfinden soll? Ist es ratsam, dabei gleich Betriebsrat und Anwalt mitzunehmen?

Fundamentale Fragezeichen

Es geht auch um ganz grundsätzliche Fragen: Darf ein Mann heute noch eine Frau „erobern“ oder braucht er für zwischenmenschliche Annäherungen die schriftliche Einverständniserklärung der hofierten Dame? Oder wird ihm so ein Ansuchen überhaupt gleich zum Verhängnis? Ist es vielleicht für Männer am sichersten und besten, zölibatär zu leben oder in die Homosexualität zu wechseln?

Das männliche Dilemma

Der Mann scheint nun in einer Double-Bind-Situation gefangen zu sein, in der er nur mehr verlieren kann. Riskiert er eine Annäherung ans weibliche Geschlecht, hat er mit juristischen Schwierigkeiten zu rechnen. Riskiert er nichts, bleibt er „unbeweibt“ und muss sein Dasein als Junggeselle fristen oder sich eben dem eigenen Geschlecht hingeben. Wobei – auch da könnte ja die Frage der Belästigung auftauchen. Die unerwünschte homosexuelle Zudringlichkeit zwischen Männern ist ein Themenbereich, der noch ziemlich unerforscht ist, aber er wird sicher in der nächsten Zeit seine Aktivisten finden. Das neue „Opfer Mann“ muss sich erst sein Betätigungsfeld suchen, den Linken wird da schon noch was einfallen.

Aber nun wieder zurück zur Frage zwischen Mann und Frau: Was ist eigentlich mit den Frauen, die am Arbeitsplatz versuchen, ihr Frausein ohne Hemmungen ausnützen, um „nach oben“ zu kommen? Jeder involvierte Mann ist ab nun ein möglicher Täter und man weiß nicht mehr, wie ein Flirt ausgeht oder wie eine charmante Bemerkung aufgefasst wird: Am Ende könnte ein Richter darüber urteilen müssen.

Rufmord inbegriffen

Was ist mit jenen Situationen, wo Männer ungerechtfertigt wegen Belästigung angezeigt werden und einen massiven Reputationsschaden erleiden – auch wenn sie freigesprochen werden oder die Anzeige niedergeschlagen wird? In Österreich werden etwa 1300 Anzeigen pro Jahr wegen sexueller Belästigung erstattet, aber nur knapp ein Drittel davon gelangt vor Gericht. Der Rest kommt ad acta. Es bleibt die Tatsache, dass man als Mann wegen einer unguten Geschichte, die offenbar gar nicht stattgefunden hat, angezeigt wurde. Mit allen negativen Folgen und Auswirkungen.

Absurd und kontraproduktiv

Wenn man näher über das offiziell gewünschte politisch korrekte Verhältnis zwischen Mann und Frau eingehender nachdenkt, ist es leicht, die Absurdität der Situation zu erkennen. Die Feministinnen wollen eine völlig neue und definitiv desexualisierte, zumindest aber testosteronfreie Sexualmoral etablieren. Alles, was Mann tut, ist ja männlich und daher potenziell immer gefährlich und womöglich im Grunde sogar kriminell. Und wenn es noch nicht kriminell ist, dann wollen die Damen es zumindest gesellschaftlich ächten. Die linken Opportunisten, die eigentlich Männer sind, tun dabei fleißig mit, es könnten ja ein paar Krümel abfallen. Vielleicht kann man als „Feminist“ doch noch in die Gunst einer Frau gelangen?

Das banale Ziel hinter betulichen Kampagnen wie #MeToo ist: Der Mann soll solange verschreckt, angeschwärzt und letztlich kriminalisiert werden, bis endlich Ruhe herrscht und nur noch die Frau bestimmt, was Mann darf, was nicht – und vor allem, was er muss. Dass am Ende dieser von Linken und Feminist(inne)n forcierten Entwicklung ein geschlechts- und farbloses Wesen und nur noch die Karikatur einen Mannes stehen kann, ist den Masterminds der völlig aus dem Ruder gelaufenen kämpferischen Abteilung der Frauenbewegung klar, nur die Mitläufer(innen) haben es noch nicht durchschaut.

Der Zynismus von Frauen gegenüber Frauen

Im Namen der Gleichstellung und des Schutzes der Frau müssen diese Masterminds den Frauen und Männern vorgeben, was in Ordnung ist und was nicht. Frauen sollen das bitte nicht individuell selber entscheiden, das übernehmen lieber die Vordenkerinnen. Damit verhalten sich diese aber unglaublich zynisch, weil sie auf diese Weise der einzelnen Frau ihr Recht und ihre Kompetenz absprechen, ihre Situation selber in die Hand zu nehmen. Seltsamerweise hört man von den Kampftruppen der Frauenbewegung daher immer nur, was nicht OK ist zwischen Mann und Frau, niemals aber liest man etwas darüber, was denn eigentlich im Umgang miteinander normal ist und dem traditionellen Anstand und Hausverstand entspricht.

Die Medien-Damen sind natürlich dabei

Die politkorrekten und in der Frauenfrage stets hochaktiven Redakteurinnen in allen Medien haben längst in diesen Chor der Belästigten und Tonangebenden eingestimmt und lassen keine andere Meinung zu – nicht einmal eine von Frauen: Die österreichische Schauspielerin Nina Proll hat den Mut gehabt, die #MeToo Kampagne in Frage zu stellen und an sich triviale Wahrheiten in die Debatte zu bringen, die ohnehin jede normale Frau (und auch jeder normale Mann) so sieht. Mehr hat sie nicht gebraucht.  Sie erntete dafür von ihren an der Front kämpfenden Geschlechtsgenossinnen einen Shitstorm der Extraklasse. Am harmlosesten waren noch Kommentare wie: Frau Proll möge doch ihre Haltung bitte überdenken, sie habe noch nicht verstanden, worum es eigentlich geht.

Fazit: Wer nicht mitsingt bei #MeToo und all den Kampagnen, die da noch kommen werden, ist halt dumm oder ein hirnloses Weibchen – oder er ist eben ein unbelehrbarer Sexist und Mann. Und das kann sich keine vernünftige Frau und kein vernünftiger Mann mehr gefallen lassen.

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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