(David Berger) Eigentlich sollte er nur über die Möglichkeit der Gottesbeweise im Sinne des hl. Thomas von Aquin an einer Jesuitenhochschule referieren. Doch dann wurde er nach dem Protest linksradikaler Kreise, die ihn als „rechtsextremen Fundamentalisten“ beschimpften, ausgeladen: Sebastian Ostritsch. Wie gefährlich der renommierte Autor philosophischer Werke tatsächlich für die Klientel ist, die sich den Ruf „Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland“ zum neuen Glaubensbekenntnis erkoren haben, zeigt sich an seinem soeben erschienen neuen Buch.
Es kommt nicht allzu oft vor, dass ein Buch schon vor seinem Erscheinen für Furore sorgt. Bei dem neuen Buch von Sebastian Ostritsch freilich war das der Fall. Nicht ohne Grund, denn unter dem harmlos klingenden Titel „Serpentinen“ stellt der Philosoph nicht nur die Gottesbeweise des Thomas von Aquin sachkundig vor.
Er rechnet zuvor mit der Aufklärung, besonders dem Denken des angeblichen Alleszermalmers Kant ab, die bis heute das komplett verfehlte Vorurteil über das angeblich dunkle „Mittelalter“ und die Möglichkeit eines Gottesbeweises wie ein nicht hinterfragbares Dogma bestimmt: Vereinfacht hat man sich auf den Glaubenssatz geeinigt, dass so etwas wie Gott nur durch Glauben erfahrbar, nicht aber durch rationale Argumente „beweisbar“ sei. Glaube und Vernunft werden in diesem Rahmen zu unversöhnlichen Gegensätzen, treten in einen dialektischen Gegensatz.
Der Alleszermalmer
Ein Gegensatz, das sei hier am Rande erwähnt, bis heute die Moderne prägt und keiner der beiden Komponenten gut getan hat. Ganz im Gegenteil. Ein anderer Autor, Markus von Hänsel-Hohenhausen (Pseudonym für Donatus Prinz von Hohenzollern) hat schon vor Jahren in seinem Buch „Hitler und die Aufklärung“ überzeugend zeigen können, dass sich der Erfolg des Nationalsozialismus nicht aus seiner Primitivität und angeblichen Dummheit erklären lässt, sondern nur aus seiner unbeschränkten Rationalität und dem totalen Materialismus, die sogar den Menschen zum Ding gemacht haben. Ein Erbe, das konsequent auf die Aufklärung und Kant zurückgeht. Da fragt man sich natürlich angesichts der Vorwürfe der Ostritsch-Gegner, wer hier tatsächlich in der Tradition der Nationalsozialisten steht….
Ostritsch tritt Kant – und das erfordert heute Mut, wo man mit einem katholischen Heiligen und Gelehrten argumentierend schnell in die Nähe von „Rechtextremen“ gerückt wird – mit dem Denken des großen Kirchenlehrers und wichtigsten Philosophen des Mittelalters, Thomas von Aquin entgegen. Ein Vorteil: wie Kant auch, rechnet Thomas hart mit dem ontologischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury ab. Dieser hatte Kant ausgereicht, um die Existenz Gottes für die von ihm zur Alleinherrscherin erklärte Vernunft für unzugänglich zu erklären und so den bis heute in der philosophischen Gottesfrage anhaltenden Agnostizismus und sich in letzter Konsequenz aus dem Denken Kants ergebenden Atheismus (aus dem wiederum das Gift des Nihilismus herausquillt) zu begründen.
Eine erhellende Bergtour
Für Thomas steht, wie auch für die moderne Physik (Fall theoretischer Entitäten) fest, dass auch die indirekte Wahrnehmung von Dingen, zum Beispiel aus ihren Wirkungen die Annahme ihrer Existenz rechtfertigt. Auf dieser unserer Erfahrung selbstverständlichen Grundlage bauen die „Gotteswebeweise“ des Thomas auf.
Die Größe ihres geistesgeschichtlichen und denkerischen Hintergrundes offenbart sich in deren faszinierend einfacher Formulierung in der Summa theologiae des Thomas: „Alle großen Dinge sind immer ganz einfach“ (R. Garrigou-Lagrange). Eine Einfachheit, die uns allerdings zunächst überfordern könnte. Während das Denken des Thomas einem Adler gleich vom Tal zu den höchsten Gipfeln des Berges aufsteigt, nimmt uns Ostritsch mit auf den leichter zu bewältigenden Aufstieg über Serpentinen, die dem Buch seinen Titel gegeben haben, hin zum Gipfel.
Das Basislager dieser Expetitionen ist die Welt der sinnlichen Erfahrung, für die zum Beispiel die Bewegung (philosophisch ausgedrückt, der dauernde Fortschritt von der Möglichkeit zur Wirklichkeit, von Potenz zu Akt) eine nicht hinterfragbare Tatsache ist.
Von dort aus gilt es den Berg über fünf verschiedene Routen zu erklimmen (Thomas selbst nennt seine Gottesbeweise vermutlich ganz bewusst nicht so, sondern fünf Wege der Vernunft zur Existenz Gottes: quinque viae). Jeder dieser Wege zeigt dabei andere Seiten des Berges bzw. Gottes, sodass am Ende der Beweisführungen Gott kein leerer Begriff bleibt, sondern als die Fülle des Seins erscheint, sich als das für sich selbst Seiende (ipsum esse subsistens), das sich wiederum in dessen verschiedenen Ausformungen (absoluter Akt bzw, erster unbewegter Beweger etc.) zeigt. So wird mit jedem der fünf Wege deutlicher, was der Ausdruck „Gott“ eigentlich meint.
Gott existiert!
Wer den intellektuellen Mut aufbringt, diese Bergtouren mit Ostritschs Thomasauslegung zu gehen, der wird bemerken, dass die klassischen Gottesbeweise des Thomas von Aquin und damit auch die weiteren philosophischen Implikationen für die Metaphysik auf der einen und die Offenbarungstheologie (sacra doctrina) auf der anderen alles andere als überholt oder entkräftet sind:
„Wer sich ehrlich darum bemüht, den sich schlängelnden, steilen und daher nicht immer leicht zu gehenden Denkwegen zu folgen, auf denen Thomas zu der Erkenntnis gelangt, dass Gott existiert, der wird – ob er den Schlussfolgerungen des Thomas nun zustimmt oder nicht – wohl aber eines nicht tun können: behaupten, dass Gottesbeweise ein grundsätzlich irrationales Unterfangen darstellen, das man „nach Kant“ nicht mehr ernsthaft anstreben könnte.“ – so Ostritsch.
Ob Atheist, Agnostiker oder Theist: Wer in Zukunft ernsthaft in den Diskussionen über die Existenz Gottes mitreden möchte, der sollte dieses Buch gelesen haben.
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Sebastian Ostritsch: Serpentinen. Die Gottesbeweise des Thomas von Aquin nach dem Zeitalter der Aufklärung 220 Seiten, Klappenbroschur, Matthes&Seitz Berlin 2025, Preis: 20,00 €. Hier bestellen.
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