(David Berger) Nach einem Aufsehen erregenden Beitrag von Dr. Michael Andrick wagt die „Berliner Zeitung“ als erstes großes Mainstreammedium den Einstieg in die ausstehende Corona-Debatte. Der Verleger scheint fest entschlossen, die Berliner Zeitung weiter zu einem in dieser Form einmaligen „Forum für einen Austausch ohne Themen- und Denkverbote“ auszubauen.
Michael Andrick dazu: „Nach meiner Kolumne vom 14.11. mit dem Titel „War dies möglich, so ist alles möglich“ gingen viele bewegte Zuschriften ein. Der Text wurde ausgiebig in den Sozialen Medien, in Messenger-Kanälen, auf Interneblogs und an Küchentischen diskutiert und weiterverteilt. Der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Tomasz Kurianowicz, schrieb damals eine Erwiderung. Schließlich wurde entschieden, an diesen Austausch eine ganze Debattenreihe anzuknüpfen.
Sträfliche Verdrängungsleistung
Der Verleger Holger Friedrich beginnt diese offene Reihe in der aktuellen Wochenendausgabe der Berliner Zeitung mit einem eigenen Text. Die Berliner Zeitung, so erklärt er, soll das Forum für einen Austausch ohne Themen- und Denkverbote sein. Es sollen Lehren aus den Corona-Jahren gezogen und konkrete Vorschläge formuliert werden, wie es jetzt besser weitergehen kann. Meine Hoffnung ist, dass diese Debattenreihe informativ, fesselnd, verunsichernd und rückversichernd, anregend und herausfordernd wird und dass jeder in ihrem Verlauf seine ganz persönlichen AHA-Momente erlebt.“ – soweit Andrick, dessen klug-provokativer Kolumnentext vom 14. November wohl den eigentlichen Auftakt der Debatte markiert.“
Friedrich scheut in seinem Text zur Eröffnung der Debatte das klare Wort nicht: „Wir sind gesamtgesellschaftlich wieder dabei, eine sträfliche Verdrängungsleistung zu vollbringen. Daher sollte jetzt miteinander geredet werden − ohne Themenverbote, ohne Denkverbote. Alle vom Grundgesetz gedeckten Meinungen und politischen Vorschläge sollten gehört werden.“
Es wird schmerzhaft
Ihm sekundiert zum Auftakt die Berliner Juristin Jessica Hamed, die durch ihren erfolgreichen Einsatz gegen eine Verkürzung des Genesenenstatus deutschlandweit bekannt wurde: Der ausstehende Dialog, den wir gesamtgesellschaftlich führen müssten, werde schmerzhaft: Eine „wohlige Versöhnung ohne die notwendige und dabei schonungslose, vielleicht sogar qualvolle Tiefe“ könne es nicht geben kann es nicht geben:
„Wir müssen analysieren, wie es dazu kommen konnte, dass führende Politiker (…) sich hemmungslos autoritärer Vokabeln wie Zügelanziehen bedienten, dass der für den Rechtsstaat fundamentale Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Disposition gestellt wurde und dass selbst das Bundesverfassungsgericht bisherige verfassungs-rechtliche Maßstäbe ignorierte und faktisch der Regierung in Krisenzeiten einen Persilschein für hemmungs- und grenzenlose Krisenpolitik ausstellte. Wir müssen darüber sprechen, wie es möglich war, wesentliche Teile der Gesellschaft glauben zu machen, es sei solidarisch geboten oder gar ethisch tragbar, eine ganze Bevölkerungsgruppe verächtlich zu machen und aus der Gesellschaft zu drängen.“
Umgang mit Ungeimpften und Lockdown unfassbare Tabubrüche
Der staatliche, soziale und private Umgang mit „Ungeimpften“ werde „der schmerzlichste Teil des Dialogs, der im Großen wie im Kleinen geführt werden muss“ Er könne nur mit Einsicht und einer Entschuldigung für die Ausgrenzung beginnen: „Diese Ausgrenzung war und ist rechtlich, ethisch und gesellschaftlich zu missbilligen. Diese Ausgrenzung stellte für eine freiheitliche Demokratie ebenso einen Tabubruch dar wie der Lockdown.“
Für diese Bewertung komme es weder auf die Richtigkeit der getätigten Annahmen noch auf die Einschätzung des Gesundheitsrisikos an, so Hamed, deren profunder Beitrag neben dem Auftaktartikel von Friedrich hinter einer Paywall, aber zu einem fairen Preis (2 € pro Monat Zugriff auf alle Artikel der BZ, jederzeit kündigbar) zu lesen ist.
Update 03.12.22, 15 Uhr: Die Beiträge von Jetzt sind die Texte von Friedrich, Andrick und Kurianowicz sind jetzt auch online auch vor der Bezahlschranke an einem Ort versammelt.
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