(David Berger) Ist es Ihnen schon einmal passiert, dass ein ihnen völlig fremder Mensch im Ausland auf sie zukam, Ihnen Ihren Namen nannte und Ihnen dann sagte, dass er sie ohne Ende abstoßend findet? Ich dachte bislang, das sei nicht möglich, bis ich gestern in Spanien eines Besseren belehrt wurde.
Vermutlich haben Sie es verpasst: Gestern war Weltfreundlichkeitstag oder World Kindness Day. Der wurde nicht in Berlin erfunden, wie jetzt viele nichtberliner Menschen, die schon einmal die überbordende Berliner Höflichkeit genießen durften, denken werden, sondern von der japanischen Nettigkeitsbewegung initiiert.
Zu diesem sinnreichen Tag passt eine private Begegnung, die ich gestern hatte und die ich meinen Lesern auf keinen Fall vorenthalten möchte. Für diejenigen, die sie für eine Erfindung halten, gibt es einen Augenzeugen, der das Ganze erstaunt mitverfolgte und der jederzeit die Echtheit des im Folgenden zu Schildernden bestätigen kann.
Freundliche, respektvolle Atmosphäre
In meinem kanarischen Exil, in das ich mich – aus erahnbaren Gründen – aus Berlin zurückgezogen habe, gibt es bei meiner bescheidenen Unterkunft um die Ecke ein wunderbares Fitnessstudio (ich habe andernorts bereits von meinem Einstand dort berichtet).
Durch die großen, fast immer offenstehenden Fenster schaut man durch ein paar Palmen hindurch direkt auf den Atlantik, die Atmosphäre ist entspannt. Wie das unter männlichen Sportlern zumeist üblich ist, herrscht eine freundliche, respektvolle Atmosphäre, in der weder Hautfarbe, sozialer Status, noch Bildungsgrad, Alter u.ä. akzidentelle Dinge eine Rolle spielen.
Am späten Nachmittag waren auch ich und mein Trainingspartner dort angekommen, das Studio mäßig besucht, als uns dort ein etwas ausgefallener „Sportler“ auffiel. Etwa 40 Jahre alt, war er im Unterschied zu den vielen Einheimischen, die dort trainieren, im Stil Berliner Livestyle-Prolls (weiße Tennissocken, die über der Jogginghose getragen werden) gekleidet.
„Bist du David?“
Der Körper stark tätowiert, wobei sich Motive im Stil der 80er Jahre mit denen abwechselten, die einen harten Kerl signalisieren sollten (grimmige Wolfgesichter und Gehörnte, die entweder an die grauen Wölfe oder „Satanisten“ (böse ist sexy) aus der Kitkat-Szene erinnerten). So schnell wie ich das wandelnde Bilderbuch bewundern konnte, hatte er auch mich ins Visier genommen, schaute dabei aber stets verlegen und fast als hätte er etwas angestellt weg, wenn ich seinen Blick erwiderte.
Ich hatte ihn schon vergessen, als er, etwa eine halbe Stunde, bereits umgezogen und zum Abgang bereit, im zweiten Stockwerk auf mich zukam, während ich noch an einem der Geräte am trainieren war. Sein Versuch die Wartezeit mit einem Schluck aus seiner Proviantflasche zu überbrücken, misslang. Vermutlich, weil bereits seine Hände unruhig wurden, ging der Fitnessdrink (?) aus dem Fläschchen daneben. Die Sauerei schnell mit dem Ärmel weggewischt und ich inzwischen in der Trainingspause kam er mir näher und fragte, ob mein Name David sei. Ich bejahte und fragte ihn, ob wir uns kennen.
Er: „Nein, aber ich will Dir aus vollem Herzen meine ganze Abneigung ausdrücken!“
Was ich dem Unbekannten gerne gesagt hätte
Mein Versuch, Näheres zu seiner Abneigung zu erfahren, misslang, da er sofort die Flucht ergriff und aus dem Studio floh. Leider kam es zu keinem Gespräch. Gerne hätte ich erfahren, woher diese Abneigung einem Menschen gegenüber kommt, den er persönlich gar nicht kennt.
Vermutlich politisch motiviert, hatte er mich als Macher von PP erkannt. Unklar blieb mir freilich, ob diese Abneigung durch eine links- oder rechtsextreme Einstellung motiviert war, zumal ich seit Jahren mit der Gewalt und Morddrohungen von beiden Seiten zu leben habe. Allerdings schien mir die Motivation Sport zutreiben und der elaborierte Sprachcode eher gegen einen Antifanten sprechen. Aber wer weiß schon?
Oder war er gar einer extrem homohassenden-homophilen Macher oder Fans der Katholiban-Seite „kreuz.net“, die spätestens seit jenem „Tagesschau“-Interview ebenfalls eine „Abneigung“ gegen mich „aus vollem Herzen“ kultivieren?
Gerne hätte ich ihm gesagt, dass ich seinen Mut zur direkten Ansprache schätze und es schade fand, dass dieser doch nicht zu einer konstruktiven Aussprache hinreichte. Dass mir Abneigung gegen jeden Menschen, den ich persönlich nicht kenne, zutiefst fremd ist, dass es für mich selbstverständlich ist, dass ich als überzeugter Antifaschist, Demokrat und Humanist jedem Menschen mit einem Grundrespekt begegne – unabhängig von seiner politischen Einstellung, seiner Hautfarbe, seinem Geschlecht, seiner sexuellen Orientierung, seinem sozialen Status, seinem Impfstatus, seiner Religion, seinem Alter und seiner Herkunft (kurzum von der Anthropologie der philosophia perennis geprägt bin).
Dass ich ihn – ganz unabhängig von meinem Mitleid mit ihm – gleichzeitig schätzen und respektieren kann, auch wenn er politisch ganz anders denkt und handelt als ich…
Dazu ist es leider nicht gekommen.
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