20Das ‚Bundesverfassungsgericht dankt ab‘ wie schon bei seinem Urteil zu Outright Monetary Transactions (OMT). Die EZB ist damit völlig unabhängig geworden, und zwar auch von den EU-Verträgen und jeder rechtlichen Kontrolle, die der EuGH ganz verweigert, wie das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr feststellte. Ein Gastbeitrag von Prof. Alexander Dilger
Das ‚Bundesverfassungsgericht verzögert[e] EU-Gemeinschaftsschulden bis zu seiner Entscheidung darüber‘. Das hielt aber nicht lange an, denn das ‚Bundesverfassungsgericht lehnt[e den] Eilantrag gegen Schuldenvergemeinschaftung ab‘ kurz darauf. Das wiederholt sich jetzt quasi bei einer anderen Frage auf höherem Niveau.
Verhältnismäßigkeit des Staatsanleihenkaufprogramms der EZB
Das ‚Bundesverfassungsgericht urteilt[e] gegen Willkür von EuGH und EZB‘ vor gut einem Jahr und verlangte eine Prüfung der ‚Verhältnismäßigkeit des Staatsanleihenkaufprogramms der EZB‘, konkret des Public Sector Purchase Programme (PSPP). Es gab darüber viel politische Empörung und schnell einen ‚Freibrief für die EZB von Bundesregierung und Bundestag‘. Letzterer benötigte nur 40 Minuten dafür und wesentliche Dokumente dafür sind bis heute geheim (auch gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, welches keine inhaltliche Prüfung vornahm), als ob die Vorteile dieser Anleihenkäufe nicht öffentlich werden dürften.
Mit heute veröffentlichtem „Beschluss vom 29. April 2021“ wurden die dadurch „Erfolglose[n] Vollstreckungsanträge zum Urteil des Zweiten Senats zu dem PSPP-Anleihekaufprogramm der EZB“ abgelehnt. Die Begründung ist rein formal, dass die Veröffentlichung der Begründung der Verhältnismäßigkeit auf diesem Wege nicht verlangt werden dürfe, weil diese Begründung von der EZB erst nach dem Urteil gegeben wurde, worauf sich Vollstreckungsanträge nicht beziehen dürften, als wenn nicht das Fehlen dieser Begründung genau der entscheidende Punkt des Urteils gewesen wäre.
Wenn die Inflation weiter anzieht…
Außerdem hätten Bundesregierung und Bundestag letztes Jahr doch alles geprüft und für richtig befunden, obwohl genau ihre vorherige Nachlässigkeit beim Überprüfen Kritikpunkt des Urteils vor einem Jahr war, welches damit jetzt faktisch wieder einkassiert wurde.
Das ‚Bundesverfassungsgericht dankt ab‘ wie schon bei seinem Urteil zu Outright Monetary Transactions (OMT). Die EZB ist damit völlig unabhängig geworden, und zwar auch von den EU-Verträgen und jeder rechtlichen Kontrolle, die der EuGH ganz verweigert, wie das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr feststellte. Demnächst könnte die EZB allerdings von den wirtschaftlichen und finanziellen Tatsachen eingeholt werden, z. B. wenn die Inflation weiter anzieht und sich nicht mehr zur Rechtfertigung ihrer Anleihenkäufe eignet.
Der Beitrag erschien zuerst bei ALEXANDER DILGER.
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