Sonntag, 22. Dezember 2024

Schluss mit der Verherrlichung des Christentums in David Bergers Islamkritik

(David Berger) Viele werden sich wundern diesen Beitrag hier zu finden.  Nein, PP wurde (noch) nicht gehackt. Ein ehemaliger Mitstreiter, der linksliberale Publizist und Pädagoge Daniel Krause hat mir den Text zugesandt mit der Bitte um Veröffentlichung auf PP. Meinungsfreiheit war mir stets ein großes Anliegen, ebenso groß ist mein Vertrauen in meine Leser, dass sie sich auf der Basis dessen, was hier veröffentlicht wird, selbst eine Meinung bilden. In diesem Sinne hier der Text:

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(Daniel Krause) Betrachtet man viele zuletzt von David Berger veröffentlichte und teils von ihm selbst verfasste Beiträge in ihrer Gesamtheit, kann als Tenor heraus gelesen werden: Wir bräuchten ein „Mehr“ an Christentum, um einer drohenden Islamisierung Europas vorzubeugen. Sogar Homosexelle könnten indirekt von einem Wiedererstarken des Christentums profitieren, wenn hierdurch der homophobe Islam in Schach gehalten werde, wird zunehmend auf Philosophia Perennis suggeriert.

Die Unterdrückung von Lesben und Schwulen im Islam war in der ersten Hälfte der Zehnerjahre zentrales Motiv meines Aktivismus. Für das Recht auf Islamkritik habe ich als Beamter sogar bis in höchste Gerichtsinstanzen gegen politisch korrekte Schulbehörden gekämpft – und glücklicherweise ausnahmslos gewonnen. In den Jahren 2015 und 2016 war ich David Bergers stellvertretender Chefredakteur des islamkritischen Magazins „Gaystream“.

Allerdings: Inzwischen erfordert die innerhalb David Bergers Islamkritik zunehmende Verharmlosung, ja Verherrlichung (!) des Christentums, ironischerweise gerade auch in Bezug auf Homophobie, meine deutliche Distanzierung.

Mein Herz schlägt seit meiner Jugend eindeutig säkular-humanistisch. Stets ging es mir um die Verteidigung von Frauenrechten, Kinderrechten, LGBT-Rechten und auch Tierrechten gegen sexistische, autoritäre, homophobe und auch speziesistische Einflüsse des Christentums und anderer Religionen.

Akademisch unterfüttert wurden diese „Herzensangelegenheiten“ während meines Studiums durch Professor Horst Herrmann, dem bundesweit bekannt gewordenen Papstkritiker, der später mein Doktorvater wurde. Die Zeit bei ihm mag mich ähnlich geprägt haben wie David Berger durch seine Lebensphase im Vatikan geprägt wurde.
Verschließen wir nicht die Augen davor, dass Christentum und Islam viel Abgründiges gemeinsam haben. Was Islamkritiker an der vermeintlichen mohammedanischen „Friedensreligion“ zu Recht kritisieren, ist im Wesentlichen auch im Christentum vorzufinden.

Zentrales Wesensmerkmal von beiden Religionen ist der Totalitarismus – ihre jeweiligen Anhänger sollen nur an einen Gott glauben. Ein weiteres Merkmal: Glaubenssysteme dulden keinen Individualismus, Menschen sind „Opfertiere“ fürs Kollektiv: „Führer befiehl, wir folgen dir“, „Die Partei hat immer Recht“, „Dein Wille geschehe“, „Allah hat es so gewollt.“. Jedes „Ich“ geht ins „Wir“ über, in erzwungene Brüderlichkeit. Jeglicher Individualismus würde das Funktionieren der Glaubenssysteme stören. Islam, Christentum, Kommunismus und Nationalsozialismus sind diesbezüglich auf dem gleichen Holz gewachsen. Koran, Bibel, „Kommunistisches Manifest“ und Hitlers „Mein Kampf“ haben für mich einen vergleichbaren „Brennwert“.

Bild Daniel David Boxen
Schon zu Zeiten von gaystream haben sich der linksliberale Islamkritiker Krause und der katholische Islamkritiker Berger immer wieder geistige Boxkämpfe geliefert

Insbesondere individuelles Lustempfinden können Glaubenssysteme nicht dulden. Hieraus speisen sich Sexismus und Homophobie im Christentum wie im Islam, im Nationalsozialismus wie im Stalinismus. Denn individuelles Lustempfinden macht jedes Kollektiv unberechenbar, Sexualität darf nur einem einzigen Zweck dienen: der Obrigkeit ein Kind zu schenken. Nur als solches Mittel wird Sexualität geduldet. Niemals als Ausdruck der Lebenslust. Niemals als Freude an sich und am anderen.

„Christentum und Islam sind gleichermaßen sexistisch und homophob“
Entsprechend gilt: Im konsequent angewandten christlichen wie islamischen Glauben dient Sexualität ausschließlich der Fortpflanzung. Weibliche Emanzipation und homosexuelle Geschlechtsakte haben keine Legitimation. Konsequent angewandter christlicher wie islamischer Glaube ist gleichermaßen menschenverachtend sexistisch und homophob.

Keineswegs resultiert die heutige „Harmlosigkeit“ des Christentums aus dessen „innerer Einsicht“. Stattdessen entrissen progressive soziale Umbrüche dem Pfaffentum die weltliche Macht. Zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kompatibilität entwickelten einige Kirchen strategisches „Appeasement“ gegenüber Frauenrechten und Homosexuellen.

Ich verteidige Frauen- und LGBT-Rechte weiterhin gegen den Islam, das gebietet die aktuelle weltweite Bedrohungslage z.B. im Zusammenhang mit dem IS. Doch vergessen wir nicht: Einst mussten unsere heutigen Freiheiten gegenüber dem Christentum erst errungen werden. Hierzu gehören selbstverständlich auch das uneingeschränkte Recht auf aktive Sterbehilfe und auch das uneingeschränkte Recht auf Abtreibung im Sinne der Selbstbestimmung über den eigenen Körper, ein nicht diskutierbarer Wert eines aufrichtigen Humanismus.

Vor diesem Hintergrund ist David Berger insbesondere dann zu widersprechen, wenn er die AfD als „fortschrittlichste“ Partei hinsichtlich des Umgangs mit dem Islam darstellt. Denn die Islamkritik von Rechtspopulisten steht selten in einem humanistisch-emanzipatorischen, sondern zumeist in einem christlich-fundamentalistischen Kontext.

Zwar bejahe ich im Sine von Artikel 5 GG weiterhin die Meinungsfreiheit von Rechtspopulisten und befürworte den Dialog mit ihnen. Allerdings: Wahlempfehlungen– ausdrücklich oder indirekt – gehen mir entschieden zu weit.

Als Lehrer weise ich immer wieder querulante Eltern zurecht, welche sich religiös motiviert gegen Gender-Mainstreaming oder gegen die Thematisierung von Homosexualität und Transsexualität im Unterricht wehren. Die Gerichte haben mich stets dabei unterstützt, solch hitzköpfigen Müttern und Vätern die Grenzen ihres Erziehungsrechts aufzuzeigen, sofern das Wohlergehen homo- oder transsexueller Kinder eine solche Grenzziehung erfordert (Urteil 13 K 3135/13, Verwaltungsgericht Münster)

Die religiöse Querulanz mag unter Hauptschuleltern heutzutage eher muslimisch statt christlich motiviert sein, als Gymnasiallehrer habe ich LGBT-Feindlichkeit jedoch mehrheitlich von katholischen (!) Eltern und sogar Kollegen erlebt.
Und gerade auch im Zusammenhang mit Schulpolitik sollten wir nicht die Abgründe des katholischen Arbeitsrechts ignorieren: Scheidung, Homosexualität, Abtreibung und allein schon Atheismus reichen auch, damit z.B. eine Schule in katholischer Trägerschaft einer Lehrerin oder einem Lehrer die Einstellung verweigern kann.

Vergessen wir niemals: Die Grundlagen unserer heutigen sexuellen und sonstigen Freiheiten sind keineswegs „christlich“. Eine humanistische Islamkritik geht nur säkular, besser noch laizistisch, idealerweise implizit antichristlich.

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(David Berger:) Ich verzichte hier auf eine ausgiebige Antwort: Zahlreiche Artikel, die auf diesem Blog erschienen sind, lesen sich schon wie eine Vorab-Replik auf die Kritik von Daniel Krause:

Etwa von Udo Hildenbrand: Kein Vergleich – Elf Fakten zur Gewalt im Christentum und Islam

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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