(Giulio Meotti) Maastricht, in den Niederlanden, ist die malerische Stadt, die dem berühmten Vertrag, der 1992 von den zwölf Nationen der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet wurde, den Namen gab und der den Weg für die Gründung der heutigen Europäischen Union und der einheitlichen Währung, dem Euro, geebnet hat.
Maastricht ist aber auch die Heimat von „Tefaf“, der bedeutendsten Kunst- und Antiquitätenmesse der Welt. Das Kunstwerk „Persepolis“ des italienischen Künstlers Luca Pignatelli war bereits kuratiert, als die Kommission anordnete, dass es entfernt werden müsse.
Die Arbeit, entstanden im Jahr 2016, kombinierte einen persischen Islamischen Teppich und einen weiblichen Kopf. „Wir sind alle gedemütigt und sprachlos“, erklärte Pignatelli und deutete darauf hin, dass seine Arbeit zunächst die Begeisterung der Kommission geweckt hatte. Die Erklärung der Messe war, dass Pignatellis Arbeit „provokativ“ sei.
Die Messeleitung wollte offenbar den Islam und die muslimischen Käufer nicht mit Pignatellis Kombination der Matte (die von Muslimen zum Gebet benutzt wird) mit dem Gesicht der Frau beleidigen.
„Wir sind schockiert, dies ist das erste Mal, dass dies geschehen ist und ich denke, es ist legitim, darüber zu reden“, sagte Pignatelli. „Falls es in Rom dazu kommt, dass man sich entscheidet, Kunstwerke zu verhüllen, um zu vermeiden, ausländische Besucher zu beleidigen, gut, dann bin ich nicht einverstanden“.
Das ist ein Hinweis auf die Entscheidung der italienischen Regierung, die antiken römischen Statuen zu verhüllen, um den auf Besuch weilenden iranischen Präsidenten Hassan Rouhani nicht zu beleidigen.
Wenn Europa eine Zukunft will, sollte es weniger ideologisch sein über den Vertrag von Maastricht und mehr gegen die Kapitulation Maastrichts vor der Angst. Der mutige algerische Schriftsteller Kamel Daoud sagte:
„Jene Migranten, die in Frankreich Freiheit suchen, müssen an der Freiheit partizipieren. Migranten haben nicht in Saudi-Arabien um Asyl ersucht, sondern in Deutschland. Warum? Wegen Sicherheit, Freiheit und Wohlstand. Also dürfen sie nicht ein neues Afghanistan erschaffen“.
Richtig. Doch es ist der europäische Mainstream, der sie unsere Kulturlandschaft in ein weiteres Afghanistan verwandeln lässt. Die Taliban haben Künstler getötet und Kunstwerke zerstört. Der Westen war stolz darauf, das Land der Freien zu sein.
Die europäischen Museen haben sich stattdessen rasch der islamischen Korrektheit unterworfen. Die Ausstellung „Passion for Freedom“ in der Mall Gallery in London zensierte die Lichtinstallation einer Familie von Spielzeugtieren, die in einem verzauberten Tal leben.
Versehen mit dem Titel „ISIS bedroht Sylvanien“, wurde sie entfernt, nachdem die britische Polizei auf ihren „hetzerischen“ Inhalt hingewiesen hatte. Zuvor verbot die Tate Gallery in London eine Arbeit von John Latham, die einen in Glas eingebetteten Koran zeigte.
Ein anderer britischer Künstler, Grayson Perry, gab zu, dass er sich selbst zensiere, aus Angst, dass er enden könnte wie Theo van Gogh, der niederländische Filmemacher, der von einem extremistischen Muslim, Mohammed Bouyeri, getötet wurde, weil er einen Film über Frauen unter dem Islam gemacht hatte.
„Ich habe mich selbst zensiert“, sagte Perry. „Der Grund, warum ich in meiner Kunst nicht voll auf Angriff zum Islam gegangen bin, ist, weil ich echte Angst habe, dass mir jemand die Kehle durchschneiden wird“.
Das Victoria-und Albert-Museum in London zeigte zuerst ein Porträt des Propheten des Islam, ein hingebungsvolles Werk eines Kunstbildes von Mohammed, und zog es dann zurück. Die Fotografin Syra Miah, eine in Britannien Geborene, deren Familie aus Bangladesch stammt, musste zusehen, wie ihre Arbeit aus einer Kunstgalerie in Birminghamzurückgezogen wurde, nach Protesten einer Gruppe von Muslimen. Das Foto porträtierte eine halbnackte Frau, die psychisch krank war, die unter einer Bushaltestelle in Bangladesch lebt.
Das Museum der Kulturen der Welt in Göteborg, Schweden, eröffnete einer Ausstellung mit dem Titel „AIDS im Zeitalter der Globalisierung“. Darin zeigte die Künstlerin Louzla Darabi ein Werk „Scène d’amour“, das eine Frau beim Sexualakt mit einem Mann zeigt, dessen Gesicht nicht zu sehen ist. Ein Vers aus dem Koran ist darauf auf Arabisch geschrieben.
Weniger als drei Wochen nach der Einweihung der Ausstellung entfernte das Museum das Gemälde. Das Hergé-Museumin Louvain, Belgien, plante eine Ausstellung, um Charlie Hebdo’s Karikaturisten zu würdigen. Auch dieses Ereignis wurde abgesagt.
Der französische Präsident François Hollande eliminierte einen Abschnitt des Louvre-Museums, das den östlichen Christen gewidmet war, die in den letzten zwei Jahren vom islamischen Staat dezimiert wurden. „Der Louvre widmet dem künstlerischen Erbe der östlichen Christen einen neuen Abschnitt“, kündigte der damalige Präsident Nicholas Sarkozy im Jahr 2010 an. Doch das Projekt wurde von der neuen Leitung des Museums mit der Genehmigung des Kulturministeriums von Hollande eingemottet.
Marie-Hélène Rutschowscaya – ehemalige Chefin des koptischen Teils des Louvre und eine der weltweit führenden Gelehrten des östlichen Christentums – verurteilte den Schritt. „Die dramatischen Ereignisse, die wir derzeit im Nahen Osten und Osteuropa sehen, sollten stattdessen dazu beitragen, mehr zu tun, um dauerhafte kulturelle Bindungen zu fördern“, schrieb Rutschowscaya in ihrem Brief an Hollande.
Heute hat der Louvre einen Abschnitt, der der islamischen Kunst gewidmet ist, aber nichts über das östliche Christentum.
Vielleicht hatten die iranischen Ayatollahs recht, die kapitolinischen Museen in Rom zu bitten, die nackten Statuen während des Besuches von Präsident Rouhani zu verhüllen. Vielleicht liegen die islamischen Fundamentalisten falsch und der Westen ist nicht so frei, wie er behauptet.
Vielleicht sollten wir uns bei den Taliban für die Kritik an der Zerstörung der großen Buddhas von Afghanistan entschuldigen. Nach der neuen kulturellen Frömmigkeit des Westens könnten diese Statuen heute auch als „blasphemisch“ betrachtet werden.
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Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist italienischer Journalist und Autor. Der Beitrag wurde von Daniel Heiniger übersetzt und erschien zuerst beim