Dienstag, 3. Dezember 2024

Maas-Gesetzentwurf beschlossen: Ein schwarzer Tag für den Rechtsstaat

(PRIKK) Alle Einwände, Protest und Hinweise von Sachkundigen interessierten Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und die Bundesregierung nicht, die heute den heftig kritisierten Entwurf beschlossen hat. Nicht nur wird die Meinungsfreiheit bedenklich eingeschränkt, Unternehmen werden in die Rolle gedrängt Kläger, Richter und Henker in einem zu sein.

Die Gewaltentrennung wurde aufgehoben. Es ist so tatsächlich – so paradox es klingt – eben durch dieses Gesetz ein rechtsfreier Raum geschaffen. Denn Recht bedeutet eben auch und gerade Gewaltentrennung.

Das interessiert die SPD und die Regierung nicht, denn sie sind im Panikmodus gegenüber den Social Media, die sie kaum oder gar nicht kontrollieren können – im Gegensatz zu klassischen Medien.

Pars pro toto sei die Kritik des größten digitalen Wirtschaftsverbandes Deutschlands BITKOM zitiert.

Er spricht von schweren handwerklichen Fehlern, Ungereimtheiten und Wahlkampf-Hektik:

„Der Digitalverband Bitkom hat anlässlich der heutigen Beratung des Gesetzesentwurfes zur Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG) im Bundeskabinett davor gewarnt, aus wahlkampftaktischen Überlegungen im Hauruck-Verfahren ein handwerklich schlechtes Gesetz zu beschließen, bei dem heute schon klar ist, dass es mehr Schaden als Nutzen erzeugt.

„Der Kampf gegen die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten und gegen Hassrede in sozialen Netzwerken ist zu wichtig, als dass wir uns hier einen Schnellschuss leisten könnten. Zum einen muss sichergestellt werden, dass solche Straftaten im Internet konsequent verfolgt und geahndet werden, zum anderen geht es um Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die es im Netz ohne Wenn und Aber zu schützen gilt“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

„Die Bundesregierung hat sich mit dem Gesetzentwurf vergaloppiert. Gegen Hassrede im Netz gibt es keine einfachen und schnellen Lösungen. Von dieser Hoffnung müssen wir uns verabschieden. Beim Kampf gegen Hassrede brauchen wir einen langen Atem. Vor allem müssen die Behörden personell so ausgestattet werden, dass sie ihrem Auftrag der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ebenso nachkommen können wie im Straßenverkehr.“

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf nur wenige Tage nach dem Ablauf der Stellungsnahmefrist von Verbänden, Experten und NGOs beschlossen, bereits eine Woche zuvor war der Referententwurf bei der EU notifiziert worden.

Bitkom weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf eine ganze Reihe Unstimmigkeiten und handwerklicher Fehler aufweist und unisono von Unternehmen, Verbänden, Netzaktivisten und namhaften Juristen kritisiert wird, da er nicht geeignet ist, dem vorhandenen Problem von Hassrede im Netz wirksam entgegenzutreten.

Rohleder: „Die heute im Regierungsentwurf im Vergleich zum notifizierten Referentenentwurf vorgenommenen Änderungen können die schwerwiegenden Bedenken gegen das Gesetz nicht aus der Welt schaffen. Unser Befremden über die anhaltende Hektik wächst, zumal das Problem seit mehr als zehn Jahren bekannt ist.“ So sollen künftig zum Beispiel private Unternehmen in wenigen Stunden oder Tagen Entscheidungen treffen, die eigentlich eine umfassende Grundrechteabwägung erfordern. Rohleder:

„Ob es sich bei einer Äußerung um Beleidigung, Verleumdung oder sonstige strafrechtlich relevante Aussage handelt, ist mit wenigen Ausnahmen nicht in kurzer Zeit und manchmal auch nicht abschließend ohne einen juristischen Instanzenweg zu klären. Der vorliegende Gesetzentwurf führt zu einem Löschen auf Zuruf.“

Die Schwächen des Gesetzentwurfs sind umso gravierender, da anders als in der öffentlichen Diskussion dargestellt nicht nur zwei oder drei große soziale Netzwerke aus den USA reguliert werden, sondern praktisch alle Online-Communities, etablierte Bewertungsplattformen mit großem Nutzen für Verbraucher und sogar Kommunikationsdienste wie Messenger oder E-Mail betroffen sein können.

„Grundsätzlich kann jede Online-Kommunikation von dem Gesetz betroffen sein. Dies beinhaltet große Spieleplattformen, auf denen sich die Nutzer auch in Foren oder Chats austauschen, ebenso wie E-Mail-Kommunikation“, so Rohleder. „Angesichts der kurzen Fristen und der hohen Bußgeld-Androhungen werden sich die Anbieter gezwungen sehen, in Zweifelsfällen vorsorglich eine Äußerung zu löschen. Das hätte gravierende Auswirkungen auf die freie Rede im Netz.“

In den gesetzten Fristen wird es zum Beispiel nicht möglich sein, Betroffene vor dem Löschen anzuhören. Auch ist kein rechtsstaatliches Verfahren garantiert.

Rohleder: „Statt hoheitliche Aufgaben auf Privatunternehmen abzuwälzen, brauchen wir neben den bestehenden Maßnahmen der Unternehmen gegen rechtswidrige Inhalte im Netz ein verstärktes Engagement des Staates.“

So hat Bitkom vorgeschlagen, spezialisierte Teams in den zuständigen Behörden aufzubauen, die dafür sorgen, dass rechtswidrige Äußerungen auch online Konsequenzen haben. Dabei gehe es zum einen um online geschulte Polizisten, die Präsenz in den sozialen Netzwerken zeigen, aber auch um Digitale Streetworker. Schon mit wenigen Hundert zusätzlichen Stellen bundesweit könne hier viel erreicht werden.

Todesmeldung
(c) Twitter

„Das Thema Hassrede im Netz gibt es seit mindestens zehn Jahren. Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, die Menschen online anzusprechen und zu überzeugen“, so Rohleder.

„Die Hassrede aus den inzwischen ausgeleuchteten sozialen Netzwerken in neue Dunkelräume zu vertreiben greift zu kurz.“

Ebenfalls kritisch sieht Bitkom, dass sich Deutschland mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der in der Fassung des Referentenentwurfes bereits bei der EU notifiziert wurde, auf einen europäischen Sonderweg begibt, nachdem durch die E-Commerce-Richtlinie in diesem Bereich eine europaweite Harmonisierung hergestellt wurde. „Wir brauchen mehr Einheitlichkeit in Europa, nicht mehr Alleingänge“, so Rohleder. „Es ist gut möglich, dass dieses Gesetz europarechtswidrig ist. Die EU-Kommission wird dies mit Blick auf den angestrebten einheitlichen digitalen Binnenmarkt sicherlich sehr gründlich prüfen.“

Man darf davon ausgehen, dass dieses Gesetz wohl in Karlsruhe kassiert werden wird. Wenn dies passiert, dann ist Maas überreif für den Rücktritt.

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Der Beitrag erschien zuerst auf PRIKK.WORLD – dem sozialen Netzwerk für Meinungsfreiheit und innovative Zukunfstideen.

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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