Ein Gastbeitrag von Maximilian Krah
Konservative Katholiken sind zumeist gebildete, sanfte und fromme Menschen. Leider haben viele von ihnen zwei anstrengende Obsessionen: sie sind obrigkeitshörig und sexbesessen. Es werden die Unterwürfigkeit gegenüber den Autoritäten zu einer religiösen Pflicht erhoben und die Sexualmoral zum Dreh- und Angelpunkt der christlichen Lehre erklärt.
Es kann deshalb nicht verwundern, dass Papst Franziskus ausgerechnet mit seinem Schreiben „Amoris Laetitia“ zum ersten Mal in seinem Pontifikat massiven und wahrnehmbaren Widerstand erzeugt hat.
Denn seine Aufweichung des katholischen Eheverständnisses lässt tragende Prinzipien der kirchlichen Morallehre erodieren und hat damit einen klaren Sexbezug.
Während nun also die Sex-Fraktion der Konservativen den Gehorsam zurückstellt, antwortet ausgerechnet „The Cathwalk“ mit einem Aufruf zur Unterwerfung.
Wie alle Gehorsams-Fetischisten verkennt „The Cathwalk“, dass der Respekt vor der Hierarchie nicht losgelöst von seiner Grundlage denkbar ist: dem Glauben an Gott. Wir schulden dem Papst und den Bischöfen Achtung nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie notwendig sind, um Glaube und Kirche zu erhalten. Nun leidet aber das westliche Christentum generell und die Katholische Kirche als Teil davon seit Jahrzehnten an einer Selbstsäkularisation. Der Glaube verdunstet, formulierte es der Papst Benedikt XVI.. Existenz eines seienden Gottes, Jungfrauengeburt, Kreuzestod Christi als Sühne für unsere Schuld, Christus als wahrer Gott, Jüngstes Gericht und leibliche Auferstehung –
Welcher Katholik unter 60 glaubt denn noch an diese existentiellen Glaubenssätze? Zumindest in Deutschland kein Theologieprofessor, kein Bischof, kein Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken, kein Kirchenjournalist. Und der Papst?
Franziskus sagt wenig und schwätzt viel. Im Ergebnis propagiert er – predigen wäre schon zu religiös – eine umfassende Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit allem und jeden gegenüber. Das wird in christliche Worte gekleidet – „Barmherzigkeit“ – und mit einigen religiösen Bezügen aufgepeppt.
Aber dass dazu die Geburt und der Kreuzestod Christi erforderlich sein sollen, dass man getauft sein oder gar zu Messe und Beichte gehen müsste, um dieser diesseitigen Freundlichkeits-Lehre anzugehören, kann ich nicht erkennen.
Franziskus wettert gegen Versuche, illegale Einwanderung zu verhindern. Er nimmt in seinem Flieger ausschließlich muslimische Einwanderer mit nach Europa. Er verneint die Existenz islamischen Terrors, ist sich aber über den menschengemachten Klimawandel ganz sicher. So wurde er zu einer Gallionsfigur der westlichen Linken.
Sie erkennen in ihm einen der ihren; übrigens völlig zu recht, denn er gibt ihrem Programm der Abschaffung aller traditionellen sozialen, kulturellen und ethnischen Bindungen die erwünschte spirituelle Bestätigung.
Franziskus vollendet, was im Zweiten Vatikanischen Konzil angelegt wurde: die Transformation der Katholischen Kirche von einer auf jenseitige Erlösung bezogenen Religionsgemeinschaft zu einer auf diesseitige Menschenfreundlichkeit bezogenen Nichtregierungsorganisation.
Es gibt also sehr viele und sehr viel bessere Gründe, diesem Mann eine Dubia entgegen zu schleudern, als ausgerechnet eine Lässigkeit in der Ehe- und Sexualmoral. Aber das ändert nichts daran,
dass die Kritiker recht haben und es mir tausendmal lieber ist, dass sie sich überhaupt einmal zu Wort melden anstatt gehorsam in den spirituellen Untergang zu marschieren.
Mit Franziskus geht hingegen „The Cathwalk“. Und das mit Argumenten, bei denen ich im ersten Moment nicht sicher war, ob sie überhaupt ernst gemeint sind. Franziskus sei „Christus ähnlich, weil unbequem“. Wie bitte? Kein Papst seit vielleicht Johannes XXIII. hat so viel Zustimmung in den Redaktionsstuben und bei Kirchenfernen und –feinden aller Art erfahren.
Unbequem war Benedikt XVI., der sich der Diktatur des Relativismus mit dem Beharren auf der Existenz der Wahrheit und der Vernunftmäßigkeit des Dogmas entgegensetzte. Und „Christus ähnlich“? Sagt nicht Christus zur Ehebrecherin: „Sündige von nun an nicht mehr?“
Der Heil-Franziskus-Aufruf vermeidet es tunlichst, zur Sache zu kommen. Er postuliert einfach, dass jeder, der dem Papst Häresie vorwirft, einen „Habitus“ einnehme, der „an Luther erinnert“, womit es nach „The Cathwalk“ undenkbar ist, dass ein Papst Häresien vertritt.
Die Sachkritik am Papst sei aber nicht nur ein Habitus, sondern ein „letztlich pathologisches Phänomen“. Weiter geht es mit Verschwörungstheorie nebst Drohbotschaft, wenn von „populistischen Einheizern im Hintergrund“ – dass sich Populismus und Hintergrund ausschließen sei erwähnt – geraunt wird, die sich für den teuflisch „geschürten Argwohn eines Tages verantworten werden müssen“. Bezieht sich diese Drohung auf die Hölle, an die der so vehement Verteidigte mutmaßlich ohnehin nicht glaubt, oder plant „The Cathwak“ ein Autodafé der Barmherzigkeit?
Dass jemand, der jeden zum Psycho erklärt, der anderer Meinung ist, sich darüber beklagt, für seinen Hyperinfallibilismus, nunja, nach seiner religiösen Bildung befragt zu werden, ist schon ein bemerkenswertes Defizit an Selbstreflexion. Und damit ist es typisch für die Franziskus-Anhänger, die sich als Opfer konservativer Katholiken stilisieren, während ihr Idol die letzten intakten Bastionen der Kirche schleift, wie unlängst den Malteser-Orden.
Vielleicht mit Ausnahme von Polen und einigen Gegenden Ungarns, der Slowakei und Kroatiens ist die Kirche in Europa vollständig säkularisiert, der Glaube verdunstet und jede Spiritualität verloren. In Lateinamerika sieht es nicht besser aus, ebenso in Kanada.
Die Strukturen leben nicht mehr aus dem Glauben, sondern wegen der reichlich fließenden Kirchensteuereinnahmen. Die Bischöfe sorgen sich mehr um ihr Image in den atheistischen Medien als um die wenigen verbliebenen Gläubigen; im Gegenteil, diese sind ihnen zumeist peinlich und obendrein eine ärgerliche Erinnerung an den eigenen, selbst verlorenen Glauben.
Franziskus ist der Papst dieser Selbstsäkularisation, er betreibt und verkörpert sie. Er ist so postkatholisch wie die deutsche Kirchensteuerkirche.
Es ist nur grotesk, unter Berufung auf den Glauben diejenigen anzugreifen, die ihren Glauben bewahren wollen, was sie notwendigerweise in Konflikte mit der kirchlichen Hierarchie bringt.
Die Wiedergewinnung des Glaubens gelingt sicher – sicher! – nicht durch Aufweichung der Lehre. Sie gelingt nicht durch Enzykliken zum Klimawandel und auch nicht durch geschwätzige Interviews. Sie gelingt allein durch die Wiederherstellung des Kultes. Die Existenz Gottes muss im Kult sinnlich erlebbar werden.
Derjenige Kirchenmann, der das erkannte, was Marcel Lefebvre. Seine Erkenntnis hat ihn in Konflikt mit dem Papst gebracht, und dennoch hatte er recht. Anstatt dem Papst der Selbstsäkularisation zu huldigen, sollten wir den Weg der Wiedergewinnung des Glaubens durch die Wiederherstellung des Kultes gehen und uns weniger um den Papst und mehr um den lieben Gott kümmern.
***
Fotos: © (1) Official White House Photo by Pete Souza [Public domain], via Wikimedia Commons (2) Erzbischof Lefebvre: Fotocollectie Elsevier Nationaal Archief, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
****
Zum Autor: *1977, Deutscher, lebt in Dresden, hat in Dresden Jura (Dr. iur.) und in London und New York Betriebswirtschaft studiert (M.B.A.), interessiert sich für Kunst, Literatur, Philosophie, Theologie, Mode und Politik. Verwitwet, fünf Kinder, katholisch. Aufsehen erregte der Autor zuletzt, als er aus der CDU unter Protest gegen deren Linksrutsch unter Merkel austrat.
Blog: MAXIMILIAN KRAH
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.