Ein Gastbeitrag von Jette Romer
Möbelhäuser wollen ihre Möbel verkaufen und werben daher für ihre Produkte in Katalogen. Der Sinn der Werbung besteht darin, in dem Kunden positive Emotionen zu wecken und ihn darüber zu animieren, sich die Produkte anzusehen und dann zu kaufen.
Bei vor allem von Weltanschauungen oder Ideologien (oder positiv gesagt: mehr auf die Rationalität abhebender Sinnstiftung) geprägten Schriften ist das anders: Die Zeugen Jehovas zum Beispiel werben in dem „Wachturm“ für eine Weltanschauung. Deshalb gehen die meisten Menschen auch achtlos an ihnen vorbei.
Mit seinem neuen Katalog versucht Ikea nun offenbar beides miteinander zu verbinden. Bereits auf dem Cover sieht der Kunde eine vierköpfige Multikulti-Gruppe an einem Esstisch sitzend, der mit einer Wasserkaraffe und Schälchen eingedeckt ist. Ein arabisch aussehender Mann mit Rauschebart thront am Kopfende des Tisches, also auf dem Platz, den gemeinhin das Familienoberhaupt einnimmt.
Rechts neben ihm, an der Längsseite des Tisches, sitzen eine ebenfalls arabisch aussehende Frau und eine Afrikanerin, die sich, einander freundlich zugewandt, lachend unterhalten. Der Mann blickt lächelnd auf sein Schälchen, auch er wirkt amüsiert. Getrübt wird die heitere Stimmung lediglich durch die Vierte im Bunde, eine blonde Frau.
Diese sitzt auf einem Hocker an der linken Seite des Tisches, neben ihr steht ein leerer Stuhl. Die Frau wirkt kleiner und zarter als die ihr gegenüber sitzenden Frauen, und sie blickt zu beiden Frauen hoch. Zugleich drückt ihre abgewandte Körperhaltung Ablehnung aus. Keiner der Anwesenden sieht sie an. Und sie ist die einzige, deren Gesicht nicht zu sehen ist.
Den Betrachter beschleicht das unangenehme Gefühl, dass die blonde Frau ihn, den „besorgten Bürger“, repräsentieren soll, den Ikea nun von den Freuden des Multikulturalismus überzeugen will. Ähnlich subtil geht es dann auch auf den folgenden Seiten des Katalogs weiter.
Wem das zu weit hergeholt ist, der schau einmal in ein weiteres ähnliches Presseprodukt, das aktuelle Apothekenheft von „Baby&Familie“. In einem der Artikel des Heftes gibt es Tipps, wie man „rechte Eltern“ und deren Kinder in Kitas enttarnt. Als wichtigste Erkennungsmerkmale von Rechtsextremen werden dort ausgemacht: „Unauffällig, blond, nett, engagiert“.
Nun könnte man das Foto auch so interpretieren, dass dort einfach eine besonders hippe Multikulti-WG aus Berlin Friedrichshain dargestellt werden soll, deren Zusammenleben nun durch die neue Ikea-Spülmaschine viel leichter geworden ist – vor den gegenwärtigen gesellschaftlichen Umwälzungen in Europa scheint das aber zu kurz gegriffen. Und auch der restliche Katalog belehrt den vorsichtigen Interpreten eines besseren.
Auf den Fotos zum Essgeschirr werden arabisch und arabisch anmutende Speisen serviert, und schöne Erwachsene sowie zuckersüße Kinder arabischer, asiatischer und afrikanischer Herkunft strahlen um die Wette. Die abgebildeten Europäer hingegen sind entweder älteren Semesters, bieder und farblos oder nur verschwommen zu sehen.
Komplettiert wird das Ganze durch einen Bericht über Flüchtlinge, dargestellt unter anderem anhand des Schicksals einer syrischen Familie, die in der Türkei angekommen, einen Schlepper angeheuert hatte, um nach Griechenland überzusetzen und nun auf Lesbos das große Glück hat, in einem der von einer schwedischen Hilfsorganisation und dem UN-Flüchtlingswerks konzipierten Kunststoffhäuser, deren Entwicklung die Ikea-Foundation finanziert hat, ein vorübergehendes Zuhause zu finden.
Nur vordergründig ist der neue Ikea-Katalog ein Möbelkatalog, wie wir ihn bisher kannten. Wer genauer hinschaut, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Produkte zur Nebensache oder zumindest in einem gewissen Sinne weiter-instrumentalisiert werden sollen. Es ist auf nicht wenigen Seiten eine Ideologie, die in Szene gesetzt wurde.
Bemerkenswert hierbei ist, dass Ikea sich zwar in dem Katalog seiner guten Taten für Flüchtlinge rühmt und eifrig die Werbetrommel für eine multikulturelle Gesellschaft rührt, tatsächlich aber offenbar wenig bereit ist, seinen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Oder wie sonst ist es zu verstehen, dass sich – Presseberichten zufolge – das Unternehmen vielfältiger Tricks bedienen soll, um seine Steuerabgaben an den jeweiligen Standorten zu minimieren?
Selbst wenn Ikea mit dieser Art der Präsentation eine neue Zielgruppe für sich gewinnen will, stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, die alte und zahlenmäßig größte Käufergruppe zu verprellen. In dem Katalog eines Möbelhauses möchte ich mir als potentielle Kundin Möbel ansehen.
Ich möchte nicht mit einer Ideologie konfrontiert werden, die noch dazu keinen Zusammenhang zu den Produkten erkennen lässt. Und schon gar nicht möchte ich, dass mir auf jeder Seite vermittelt wird, alt und hässlich zu sein.
Welche neuen Produkte Ikea auf den Markt gebracht hat, weiß ich übrigens nicht. Aber mit Spannung warte ich auf den Augenblick, in dem aus Produktnamen wie Askholmen, Äpplardö und Knoxhult nun Mutbakh, Fatima und Ghurfat geworden sind. Ein Pascha Polster-Bett gibt’s zur Eingewöhnung auf jeden Fall schon mal …
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Foto: © von User Senil anka on sv.wikipedia (Foto: Daniel S.) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons
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