Als der Wiener Kardinal Schönborn am Abend vor dem Ende der Familiensynode im Vatikan (…) den Journalisten mitteilte, dass man in dem abschließenden Dokument zur Homosexualität nicht viel finden werde, war die Enttäuschung bei den Presseleuten ziemlich groß. Hatte man doch gerade hier, nach dem der Synode unmittelbar vorangehenden Outing von Krystof Charamasa, eine revolutionäre Veränderung der kirchlichen Sexuallehrer erhofft. Und verändert hatte sich in der Tat gar nichts. Das in der Synode Gesagte geht über das, was wir im „Katechismus der katholischen Kirche“ finden nur insofern hinaus, als jetzt auch alle staatlichen Bestrebungen einen gleichgeschlechtliche Zivilehe einzuführen, rundherum abgelehnt werden.
Das letzte Wort freilich in allen Fragen hat nicht eine einfache Synode (die kein Ökumenisches Konzil ist), sondern der Papst. Und wo steht der? Liberale Papstfreunde werden auf seine berühmte Aussage hinweisen: „Homosexuelle? Wer bin ich, dass ich über sie richten könnte?“ und sie werden sein Zusammentreffen mit einem ehemaligen Schulfreund auf der USA-Reise hinweisen. Der hatte seinen Lebenspartner mitgebracht und Franziskus sie beide zum Abschied umarmt. Konservative Papstverehrer, die wollen, dass bezüglich Homosexualität in der Kirche alles beim Alten bleibt, halten mit dem Empfang für Kim Davis dagegen. Jene Standesbeamtin, die sich hartnäckig weigerte, Homosexuellen das zu gewähren, was ihnen von Rechts wegen in ihrem Bundesstaat zusteht, nämlich zu heiraten. Auch sie hatte der Papst auf derselben Reise empfangen und ihr angeblich Worte der Ermutigung zugeflüstert.
Was für die Konservativen zur offiziellen Haltung des Heiligen Stuhls passt, der auch unter Franziskus auf unmissverständliche Weise alle Bestrebungen die Zivilehe für Homosexuelle einzuführen, als Eingebung des Teufels betrachtet. Journalisten, die sich ein annähernd treffendes, von kirchenpolitischem Wunschdenken freies Bild vom Papst und seiner Einstellung zur Homosexualität machen wollen, bleibt da häufig ein resigniertes Achselzucken.
Kurzum: Aus diesem Papst können sich konservative Papsthuldiger ebenso ihr Wunschpapstbild basteln wie progressive Franziskusfans. Man lese nur mal, wie unterschiedlich man auf diesen Pontifex etwa bei kath.net auf der einen und bei Publik Forum auf der anderen Seite schaut. Daraus entsteht eine Dialektik, die die Kirche einigermaßen zusammenhält, die Stimmung prägt, aber inhaltlich gar nichts bewegt.
Mit dieser Dialektik spiegelt sich in der Person und den Signalen, die vom Papst in dieser Frage kommen, nur die gesamte Stimmungslage in der katholischen Kirche zu dem Thema, die auch auf der letzten Synode deutlich wurde: Während sich die deutschen Bischöfe bei den Homosexuellen entschuldigten für das Leid, das ihnen durch kirchliche Diskriminierung angetan worden sei, gaben die Kardinäle Robert Sarah (Afrika) und Raymond Burke (USA) Pressekonferenzen, in denen sie Homosexualität mit den Verbrechen der Isis verglichen und jede Veränderung der bisherigen Ablehnung von Homosexualität als Abfall vom Glauben (Häresie) ablehnten.
Insofern macht der Papst lediglich, was er im Idealfall machen sollte: er spiegelt in seiner Person und seinem Handeln die Gesamtkirche, die er repräsentiert. Natürlich würde ich mir als schwuler Mann vom Papst wünschen, dass er sofort von seiner päpstlichen Unfehlbarkeit Gebrauch macht und die kirchliche Ächtung der Homosexualität aufhebt. Die Kirche ist aber kein Wunschkonzert und das wird Franziskus auch nicht tun.
Zum einen ist Franziskus ein Mann der symbolischen Handlungen, nicht lehrmäßiger Formulierungen, denen intellektuelle Reifungsprozesse vorausgegangen sind. Darin unterscheidet er sich von seinem Vorgänger auf extreme Weise. Inhaltlich hat Papst Benedikt, etwa mit seiner Abschaffung der Vorhölle (Limbus puerorum), die kirchliche Lehre weitaus stärker revolutioniert, als das Franziskus je tun wird.
Zum anderen muss dem Papst spätestens auf der letzten Synode klar geworden sein: eine von ihm vorgenommene Änderung der kirchlichen Lehre in Sachen Homosexualität hätte eine weltweite Kirchenspaltung zur Folge, die an Dimensionen jener des 16. Jahrhunderts, die bis heute wie ein Trauma das Handeln der Catholica prägt, in nichts nachsteht. Objektiv betrachtet wäre es fahrlässig, würde der Papst wegen eines solchen Randthemas die Einheit der Kirche aufs Spiel setzen. Zumal es dogmatisch gesehen etwa für die ein Sakrament der Homoehe in der katholischen Kirche keinerlei Spielraum gibt. Was ihm bleibt, ist die katholische Lehre zur Homosexualität menschlich etwas erträglicher zu machen. Das wird er – im Unterschied zu seinem Vorgänger – wohl auch weiterhin tun. An der Lehre wird sich nichts verändern.