Die muslimische Gemeinschaft und islamistische Bewegungen sind in Teilen der westlichen Linken ersatzweise zur „letzten Utopie“ erhoben worden – trotz massiver Widersprüche zu linken Grundwerten. Wie die islamische Revolution im Iran zeigt, ist eine Koalition von Linken und Islam aber nur von kurzer Dauer. Kontrafunkkommentar von Alexander Meschnig.
Derzeit erkennen immer mehr europäische Staaten formal einen palästinensischen Staat an. Zeitgleich sehen wir in ganz Westeuropa linke Gruppen und muslimische Einwanderer, zuletzt Zehntausende in Berlin, die, vereint im Kampf gegen Israel, lautstark und oft gewalttätig auf den Straßen unserer Städte protestieren. Dabei treten Unterstützer der Terrororganisation Hamas und anderer islamistischer Organisationen mit Menschenrechtlern und Linksextremisten gemeinsam auf. Wie kommt es zu dieser unheiligen Allianz von linken Gruppen mit dem Islam und seinen radikalsten Vertretern?
Seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts zeigt sich aufseiten der politischen Linken eine lange Tradition der Glorifizierung totalitärer Regime. Die Verehrung der Sowjetunion oder Chinas bis hin zur letzten marxistischen Hoffnung, Nicaragua: Sie ist noch immer ein beredtes Zeugnis für diejenigen, die bis vor kurzem im Kommunismus den Menschheitstraum der vollkommenen Gesellschaft erfüllt sahen. Nachdem die stalinistischen Verbrechen spätestens 1956 durch Chruschtschow auf dem 20. Parteitag der KPdSU offenkundig wurden, kam es zu zahlreichen Verschiebungen linker Projektionen, die, immer und immer wieder enttäuscht, sich ihrem jeweils nächsten Objekt zuwandten. Der Kommunismus in allen seinen Formen hatte, im Gegensatz zum Faschismus, den strategischen Vorteil, dass er unmittelbar an die großen Empörungsdiskurse der Geschichte anschließen konnte, für die insbesondere die politische Linke empfänglich war. Wer für die Opfer und Unterdrückten dieser Erde Position beziehen wollte, musste dabei über die Realitäten der sozialistischen Länder gnädig hinwegsehen. War lange Zeit der Kommunismus der Hoffnungsträger für die Linke, wurde nach seinem Zusammenbruch die islamische Welt immer mehr zum „Anderen“ verklärt.
Der mit der erfolgreichen Revolution im Iran in das westliche Bewusstsein tretende Islam, kann als die (linke) Fortschreibung der großen Erzählung von der Erhebung der Erniedrigten und Beleidigten interpretiert werden. Die iranische Revolution war streng antiwestlich, antikapitalistisch und antiamerikanisch ausgerichtet. Der Klassenkampf wird – zugespitzt – zum Dschihad, und diese Staffelübergabe führte, wenig überraschend, zunächst zu durchaus positiven Kommentaren. Der französische Soziologe Pascal Bruckner verweist auf den fast nahtlosen Übergang mancher linker Denker vom Kommunismus zum Islam als Ersatzobjekt der eigenen Wunschfantasien: „Man könnte das die neobolschewistische Bigotterie der verirrten Anhänger des Marxismus nennen. Die Linke, die alles verloren hat, die Arbeiterklasse und die Dritte Welt klammern sich an diese Illusion: Der Islam, zur Religion der Armen erhoben, wird für die desillusionierten Kämpfer zur letzten Utopie, zum Ersatz für Kommunismus und Entkolonialisierung.“
Auch wenn der Iran danach, wie davor schon die meisten Tropensozialismen und Drittweltdiktaturen, seine ehemaligen Bewunderer enttäuscht hat, das Bild der islamischen Welt ist eines des Opfers jahrzehntelanger imperialer Dominanz und Gewalt geblieben. Deshalb kann auch die Gender-Ikone der Linken, Judith Butler, öffentlich erklären: „Ja, ich glaube, es ist extrem wichtig, Hamas und Hisbollah als soziale, progressive Bewegungen zu verstehen, die zur Linken gehören, die Teil der globalen Linken sind.“ An die Stelle der sozialistischen Länder und der Dritte-Welt-Solidarität ist heute der (muslimische) Migrant, in politisch korrekter Sprache der „Schutzsuchende“, als Projektionsfläche getreten, der, so Pascal Bruckner, als „Patentinhaber der Reinheit“ und symbolisches Opfer unserer rassistischen Welt vorgestellt wird. Nur wenn man „Weiße“ beziehungsweise „den Westen“ – und Israel gilt als „weißes Land“ – mit Unrecht und Elend in Verbindung bringen kann, ist die Empörung des Gesinnungsadels groß. Diese tief verwurzelte Neigung, jede Untat auf Handlungen oder Nichthandlungen des Westens zurückzuführen, kann vielleicht selbst schon als pathologischer Zug der westlichen Gesellschaften betrachtet werden. Es scheint, als sei eine Gesellschaft, welche die Vorstellung der Erbsünde erfolgreich abgeschafft hat, der beste Nährboden für ein allgemeines Schuldgefühl.
Die Linke bringt jeder Tyrannei und Willkürherrschaft großes Verständnis entgegen, solange sie mit der „Unschuld“ der ehemals Kolonisierten, den Opfern der Geschichte, verbunden ist. Dasselbe gilt auch für gesellschaftliche Prozesse im Inneren, bei Gewalttaten und religiösem Fanatismus, wo eine unbegreifliche Toleranz vor allem dem politischen Islam einen steigenden Einfluss ermöglicht. Wir haben es hier mit einem Paradoxon zu tun: Eine Linke, die universalistisch sein will, verteidigt partikularistische, autoritäre Bewegungen – aus Angst, mit „dem Westen“ oder den Rechten gleichgesetzt zu werden. Diese absurde Logik speist sich aus drei Elementen: Strukturell hat die Linke den Verlust der alten sozialen Basis (Arbeiterklasse, Dritte Welt) zu verschmerzen. Ideologisch kommt es zu einer Verschiebung vom Klassenkampf zum Antiimperialismus und einer auswuchernden Identitätspolitik, und psychologisch haben wir es hier mit der Suche nach einem neuen, revolutionären Subjekt zu tun, das die Hoffnung auf eine Umwälzung der herrschenden Verhältnisse am Leben erhält. Die muslimische Gemeinschaft und islamistische Bewegungen sind in Teilen der westlichen Linken so ersatzweise zur „letzten Utopie“ erhoben worden – trotz massiver Widersprüche zu linken Grundwerten. Wie die islamische Revolution im Iran zeigt, ist eine Koalition von Linken und Islam aber nur von kurzer Dauer. Sie endete, nach der Machtübernahme Khomeinis, vor den Hinrichtungskommandos der Mullahs.
Erstveröffentlichung bei KONTRAFUNK.
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