Während die zukünftige US-Regierung ihre Außenpolitik definiert und erste diplomatische Initiativen, insbesondere im Hinblick auf die Ukraine, einleitet, sollte auch die Europäische Union über ihre eigenen Ausrichtungen nachdenken. Ein Gastbeitrag von Fernand Kartheiser.
Nach fast drei Jahren Krieg ist die Bilanz der europäischen Politik katastrophal. Sie lässt sich auf Fehlschläge in vier zentralen Bereichen zusammenfassen: Politik, Diplomatie, Wirtschaft und Militär.
Politischer Fehlschlag: Von Beginn der Ukraine-Krise an haben sich die Europäische Union und die meisten ihrer Mitgliedstaaten bedingungslos und ohne Vorbehalte der Politik der Regierung von Präsident Biden unterworfen. Zu keinem Zeitpunkt wurde die eigene Verantwortung für die Entstehung dieses Konflikts thematisiert, ebenso wenig wie jemals eine kritische Haltung gegenüber der ukrainischen Regierung oder anderen Akteuren eingenommen wurde. Schlimmer noch, es erfolgte keine strategische Analyse der eigenen Ziele oder langfristigen Interessen im Kontext dieser Krise. Als politische Entität, die eine strategische Autonomie anstrebt, ist das Scheitern eindeutig.
Diplomatischer Fehlschlag: Europa ist heute ein geteilter Kontinent, in dem alle Verbindungen zwischen Ost und West abgebrochen sind. Da es nicht mehr möglich ist, politische und wirtschaftliche Gleichgewichte unter Einbeziehung Russlands herzustellen, ist der westliche Teil unseres Kontinents faktisch auf den Status eines amerikanischen Protektorats reduziert. Das nahezu völlige Fehlen amerikanischer oder europäischer diplomatischer Bemühungen während des gesamten Konflikts und die totale Dominanz der Vereinigten Staaten bei dessen Bewältigung werfen die Frage nach der Rolle der europäischen Staaten in der NATO auf. De facto sind sie mehr denn je auf eine Unterstützungsrolle für die USA reduziert. Aus Verbündeten sind, wie es General de Gaulle ausdrücken würde, Gleichgerichtete geworden. Es sei darauf hingewiesen, dass lediglich Ungarn und die Slowakei ihre Souveränität und eine gewisse Handlungsfreiheit bewahrt haben. Auf globaler Ebene hat die Entstehung der BRICS-Staaten und die Bildung neuer Allianzen die Einflussmöglichkeiten der westlichen Mächte erheblich reduziert.
Wirtschaftlicher Fehlschlag: Die Sanktionspolitik gegen Russland hat keines ihrer politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Ziele erreicht. Stattdessen hat sie zu einer besorgniserregenden Schwächung der europäischen Wirtschaft geführt. Vor allem infolge steigender Energiepreise haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitig ihre Attraktivität als Standort für wirtschaftliche Investitionen verloren. Die Sanktionspolitik war somit kontraproduktiv. Die starke Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung Europas wurde durch eine Abhängigkeit von amerikanischem Flüssigerdgas ersetzt, was die amerikanische Dominanz über Europa weiter verstärkt.
Militärischer Fehlschlag: Trotz enormer finanzieller, wirtschaftlicher und militärischer Unterstützung für die Ukraine ist Russland dabei, den Krieg militärisch zu gewinnen. Diese Entwicklung wird Fragen zur zukünftigen europäischen Sicherheitsarchitektur aufwerfen. Sie markiert auch das Ende des Mythos der Überlegenheit westlicher Militärausrüstung. Der Versuch, nun Verteidigungskompetenzen im Rahmen der Europäischen Union aufzubauen, wird zahlreiche Probleme schaffen, die mit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedstaaten, institutionellen Spannungen mit der NATO und Fragen zu der Höhe und der Berechnung der Militärbudgets zusammenhängen.
EU muss zur Vernunft zurückkehren!
Konfrontiert mit ihren Misserfolgen, verharrt die Europäische Union im Irrtum. Sie hat ihre Außenpolitik einer Persönlichkeit wie Frau Kallas anvertraut, die als Verkörperung einer sterilen Konfrontationspolitik ohne absehbares Ende erscheinen könnte.
Bereits jetzt gehen die Entscheidungen der europäischen Institutionen zunehmend in die entgegengesetzte Richtung zu den Orientierungen des gewählten Präsidenten Donald Trump. Während das Europäische Parlament kürzlich forderte, russisches Territorium mit westlichen Raketen zu beschießen, erklärte Präsident Trump, er sei „vehement dagegen“.
Während die USA nach den Biden-Jahren bestrebt sein werden, eine Beziehung zu Russland wiederaufzubauen, verstricken sich die Europäer in eine Obstruktionspolitik, die dem ukrainischen Präsidenten zusagt. Die offensichtliche Unfähigkeit Europas, seine Konfrontationspolitik mittelfristig ohne Unterstützung der USA aufrechtzuerhalten, wird den Glaubwürdigkeitsverlust noch beschleunigen.
Die Europäische Union muss ihre Politik ändern, und die europäischen Länder müssen zur Vernunft zurückfinden. Sie muss eine gesamteuropäische Sicherheitspolitik einschließlich Russlands wiederaufbauen, ihre Beziehungen zu den USA neu ausbalancieren und ihre eigenen politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen klarer definieren.
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Fernand Kartheiser (Luxemburg) war Botschafter in Griechenland, Zypern, und Rumänien. Im Jahre 2000, ab 2005 Direktor des Budgets, der Finanzen und der Verwaltung im Luxemburgischen Außenministerium, zur Zeit Mitglied des Europäischen Parlaments.
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Foto: (c) Jwh at Wikipedia Luxembourg, CC BY-SA 3.0 LU, via Wikimedia Commons
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