Was läge derzeit näher, als den Kauf von Heizdecken staatlicherseits zu fördern? Die Anträge für die Antragsformulare lägen bei der Sparkasse aus, die dazu gleich die passende Finanzierung anböte. Die Abstimmung im Deutschen Bundestag fiele parteiübergreifend zugunsten dieser altbewährten Technik aus und machte alle Wähler spontan glücklich. Gastbeitrag von Meinrad Müller
Logik ist stets bestechend. Doch wer kauft sich dank Hausmannslogik schon eine Heizdecke? Dieses elektrische Wohlfühlzubehör war einst teuer und konnte nur auf „Kaffeefahrten“ an den Mann gebracht werden. Die örtlichen Kaufhäuser scheuten sich diese teuren und vor allem erklärungsbedürftigen Artikel zu bevorraten, denn selten fragte ein Kunde nach.
Aus diesem Grunde wurden von cleveren Vertriebsfirmen sogenannte „Kaffeefahrten“ ins Leben gerufen, auf denen die Produktvorzüge über 60 Minuten angepriesen werden konnten. Bei Kaffee und Kuchen, meist in abgeschiedenen Landgasthöfen, die eine vorzeitige Flucht vor den Verkäufern verunmöglichte, ertrugen die Busgäste geduldig den Vortrag. Auch fuhr Oma mit der festen Absicht mit, nichts kaufen zu wollen. Und konnte dann doch nicht widerstehen.
Busreise mit „all-you-can-eat“ für fünf Mark
Die Kaffeefahrt-Verkäufer waren mit allen Wassern gewaschen, trachteten sie doch danach möglichst viele dieser teuren Heizdecken zu verkaufen. Bei den überwiegend älteren Kunden mit viel Freizeit, die sich bei „all-you-can-eat“ mit Schwarzwälder Kirschtorte, Käsesahnekuchen und Bisquittröllchen vollstopften, ging der parallel verlaufende Verkaufsvortrag zunächst an den Ohren vorbei. Die Alten ertrug es einfach wie die sonntägliche Predigt. Wo sonst bekommt man schon eine Busreise durch die heimatlichen Gefilde inklusive Verpflegung nach Bad Wunderhausen für fünf Mark?
Die Ohren wurden jedoch dann gespitzt, als der Präsentator auf das Thema Gesundheit zu sprechen kam. Die Namen der Krankheiten, welche alte Leute so plagen, hatte er sich eingeprägt. Rückenschmerzen? Klar, vom kalten Bett. Steife Glieder beim Aufstehen? Vom kalten Bett. Grippe? Vom kalten Bett! Blasenschwäche? Vom kalten Bett! Auch Oma litt unter diversen Zipperlein, so wie es damals hieß.
Das 220-Volt-Heil ist so nahe
Finanzpolitische Argumentation half ein gewaltiges Stück weiter. Machen etwa 2000 Mark auf dem Sparbuch und unter dem Kopfkissen nächtens warm? Nein! Wärmt der gefüllte Sparstrumpf unter der Matratze die kalten Glieder? Nein! Die logische Lösung war einfach: die Geldwerte in bar oder auf der Bank umzutauschen. Einfach umtauschen gegen eine elektrische Heizdecke! Und im Gegensatz zu Geld hatten diese sogar ein TÜV-Siegel.
Schon damals, lange vor dem heutigen Energienotstand, waren diese Marktschreier ihrer Zeit argumentativ voraus. Warum ein Schlafzimmer von 4 mal 4 Metern und 2,5 Metern Höhe, gleich 40 Kubikmetern Luft beheizen, wenn der Schlafbereich höchstens einen halben Kubikmeter umfasst? Was man da doch an Heizöl sparen konnte! Die teure Heizdecke würde sich in null Komma nix Jahren bezahlt machen und ganz nebenbei auch die Rentenzahldauer verlängern. Wenn das keine zündenden Argumente waren!
Nach noch nicht erfolgten Berechnungen mittels der bewährten „Über-den-Daumen-Methode“ des Energieministeriums, ließen sich von heute auf morgen weitere 30 Atomkraftwerke, 50 Kohle- und 100 Gaskraftwerke abschalten. Die Abschaltung der Denkkapazitäten in den Köpfen ist ja längst umgesetzt.
Technischer Hinweis
Der Begriff „Heizdecke“ ist irreführend. Damit niemand auf die Idee kommt sich damit zudecken zu wollen, muss der Stiftung Warentest vorgreifend erwähnt werden, dass man sich AUF die Heizdecke legt. Sie wärmt so Füße, Beine, Kopf und den Allerwertesten. Womöglich sind diese lange bewährten Errungenschaften der Neuzeit bereits bei den politischen Entscheidungsträgern längst in Gebrauch? Wie sonst ist zu erklären, dass Kälte als politischer Kampfbegriff medial in unsere Köpfe gehämmert wird?
„Kalte Füße sind lästig, besonders die eigenen.“ (Wilhelm Busch)