Ein neues Gesetz in Ungarn gegen angebliche „LGBT-Propaganda“ sorgt in den westlichen Teilen der EU für große Empörung und für scheinheilige Reaktionen bei einer deutschen Regierung und einer EU-Kommission, die genug Scherben vor der eigenen Haustür zu kehren hätte. PP-Gastautor Daniel Schweizer hat sich konkreter mit einigen Inhalten dieses Gesetzes auseinander gesetzt.
…und stellt hier die Frage: Welche Bestandteile dienen zweifelsfrei dem Schutz Minderjähriger vor sexueller Übergriffigkeit? Enthält es auch Bestandteile, die zurecht als unverhältnismäßige Zensur kritisiert werden? Könnte Deutschland seine Probleme mit jugendgefährdenden Inhalten lösen, wenn der deutsche Bundestag ein ähnliches Gesetz verabschieden würde?
Die deutsche Politik hat sich in den 16 Regierungsjahren Merkels alles geleistet, um seine Vorbildfunktion als freiheitliche Demokratie zu verspielen. Somit hat sich die deutsche Exekutive nicht anzumaßen, andere Länder moralisch zu belehren. Die EU-Kommission wäre mit möglichen Sanktionen gegen Ungarn völlig unglaubwürdig, da das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland oder ein 2017 in Frankreich beschlossenes Zensurgesetz gegen Lebensschützer keine vergleichbaren Reaktionen auslösten. Die Fußball-EM hat den Menschen sportliche Unterhaltung zu bieten, keine politischen Statements. Umso legitimer ist aber im publizistischen Rahmen eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungen auch im Ausland zum Zweck einer Debatte, welche politischen Entscheidungen wir im Inland wollen oder nicht wollen.
Frühere Entscheidungen in Ungarn
Für einen Aufschrei in der deutschen Queerszene sorgte schon lange, dass Ungarns Verfassung die Ehe klar als Verbindung aus Mann und Frau definiert und mittlerweile in Ungarn auch die Adoption von Kindern ausschließlich heterosexuellen Paaren vorbehalten ist. Dieser Aufschrei sprach in der Tat eher für die typische Hysterie westlicher Homo-Aktivisten. Dass bei solchen politischen Entscheidungen die Homophobie-Keule nicht zieht, wurde hier bei Philosophia Perennis schon in zahlreichen Beiträgen mit guten Argumenten behandelt.
Die Frage der Ehe-Öffnung und des Adoptionsrechts muss also jeder Staat auf demokratischem Wege für sich souverän entscheiden. Man kann sich nicht auf Menschenrechte berufen, um einem Staat aufzuzwingen, hier den Weg der meisten west- und nordeuropäischen Länder einzuschlagen.
Sinnvolle Entscheidungen zum Schutz von Kindern vor sexueller Übergriffigkeit
Angesichts dessen, mit welcher Übergriffigkeit LGBT-Propaganda in Deutschland insbesondere mit Hilfe staatlicher Organisationen betrieben wird, ist die Erleichterung vieler deutscher Konservativer verständlich, dass Ungarn einen anderen Weg einschlägt. Auch die Begründung der ungarischen Regierung, das Gesetz schütze in erster Linie Kinder und das Erziehungsrecht der Eltern, löst verständlicherweise Zustimmung auch in Deutschland aus. Denn welche Übergriffigkeit die emanzipatorische Sexualpädagogik in Deutschland gegenüber Kindern zeigt, ist ein Skandal.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf lässt sich ohne Zweifel mit dem Schutz von Kindern begründen. Ursprünglicher Anlass für dieses neue Gesetz waren Pädophilenskandale bei hochrangigen Personen aus der ungarischen Politik. Das Strafrecht gegen pädophile Handlungen und gegen den Besitz von kinderpornografischem Material sollte damit verschärft werden. In dieser Form hätte er wohl eine einstimmige Mehrheit im Parlament gehabt. Jeder mit gesundem Menschenverstand sollte auch ohne Zweifel einem verschärften Strafrecht gegen Pädophilie zustimmen.
Für Empörung im Westen sorgten nachträglich eingebrachten Ergänzungen, die in Teilen explizit Bezug unter anderem zu Homosexualität nahmen. Es ging um die Verschärfung der Gesetzeslage für die Altersfreigabe von medialen Inhalten. Demnach dürfen unter anderem Inhalte für Personen unter 18 nicht zugänglich gemacht werden, die pornografisch sind oder sonst in unangemessener Weise Sexualität darstellen. Auch dieses Verbot sollte jeder mit gesundem Menschenverstand unterschreiben. Dass pornografisches Material oder sonstige zu Sexualverhalten animierende Inhalte erst ab 18 freigegeben werden dürfen, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Genau aus diesem Verbot ergibt sich aber auch von selbst, dass die Darstellung und Werbung sowohl heterosexueller als auch homosexueller Handlungen – vor allem in pornografischer Form – von Minderjährigen fernzuhalten sind. Genau deshalb darf aber auch zurecht die Frage gestellt werden dürfen, wozu im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes noch speziell Bezüge zu Homosexualität notwendig wären?
Die expliziten Passagen zu Homosexualität
Wo immer Passagen von Gesetzestexten als überflüssig erscheinen, weil sich das begründete begrüßenswerte Ziel schon aus den vorangegangenen Passagen ergibt, werfen sie zurecht Fragen auf. Da nach den vorangegangenen Passagen sexuell übergriffige Inhalte ohnehin für Menschen unter 18 gesperrt sind, wäre eine Sperre von explizit homosexuellen Inhalten noch angemessen mit dem Schutz von Kindern zu begründen, wenn diese Sperre für Menschen beispielsweise unter 14 Jahren gelten würde. 14 Jahre ist nämlich – sowohl nach ungarischem als auch nach deutschem Sexualstrafrecht – die gesetzliche Altersuntergrenze für sexuelle Handlungen. Etwa in diesem Alter – die einen schon früher, die anderen später – setzt bekanntlich bei jungen Menschen die Pubertät ein, mit entscheidenden Änderungen, die auch bei der Sexualaufklärung zu berücksichtigen sind: Vor der Pubertät für Kinder in erster Linie interessant, woher sie kommen und wie es zur Entstehung von neuem Leben kommt. Für sexuelle Bedürfnisse fehlen vor der Pubertät die hormonellen Voraussetzungen. Somit ist es auch angebracht, in dieser Phase – soweit die Kinder danach neugierig werden – bei der Sexualaufklärung ausschließlich den Fortpflanzungsaspekt in angemessener Weise zu erklären. In der Altersphase vor der Pubertät homosexuelle Inhalte wie auch sonstige Inhalte von lustbezogener Sexualität per Strafgesetz für „nicht altersgerecht“ einzustufen, wäre damit völlig angemessen.
Während der Pubertät merken Jugendliche jedoch zunehmend, ob sie sich eher nach einem Partner des – wie es bei der Mehrheit der Fall ist – anderen Geschlechts sehnen oder vielleicht – wie bei einer Minderheit – nach einem Partner desselben Geschlechts. Um die eigenen Gefühle in dieser Selbstfindungsphase einordnen zu können, ist es für die Jugendlichen wichtig, sich mit altersgerechtem Aufklärungsmaterial informieren zu können. In dieser Entwicklungsphase ist es wichtig, dass junge Menschen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung eine selbstbewusste Einstellung zu ihrem eigenen Körper, ihrer eigenen Sexualität und ihren eigenen Gefühlen finden, begleitet von einer respektvollen Einstellung gegenüber ihren Mitmenschen. Und gerade für diejenigen, deren Gefühle sich nicht eindeutig oder gar nicht auf gegengeschlechtliche Partner richten, ist es auch wichtig, Zugang zu altersgerecht aufbereitetem Aufklärungsmaterial über Homosexualität zu haben. Denn so können sie lernen, sich selbst so anzunehmen wie sie sind, und auch mit möglichem Gegenwind souverän umzugehen. Mit diesem neuen Gesetz, nach denen Inhalte mit Bezug zu Homosexualität für Menschen unter 18 nicht zugänglich gemacht werden dürfen, stellt sich durchaus die Frage, wie jugendlichen Homosexuellen in Ungarn zu einem selbstbewussten Umgang mit einem Teil ihrer Persönlichkeit verholfen werden kann. Insofern ist die Sorge wegen der Passagen durchaus berechtigt, die explizit den Zugang zu Inhalten mit homosexuellem Bezug erschweren. Selbstverständlich hätten Materialien mit sexuellen Handlungen keinen hilfreichen aufklärenden Charakter. Deshalb ist es ja umso berechtigter, dass Pornografie und sonstige übergriffige Darstellungen von Sexualität unter 18 verboten sind. Aber gleichgeschlechtliche Paare in – nicht sexuellen – Alltagssituationen bis 18 unsichtbar zu machen hat weniger mit Jugendschutz als viel mehr mit unverhältnismäßiger Zensur zu tun.
Beispielhaft für Kinder- und Jugendschutz?
Würde das in den letzten Tagen heiß diskutierte Gesetz in Ungarn die Passagen nicht enthalten, die explizit Bezug zu Homosexualität nehmen, wäre es durchaus ein vorbildhaftes Gesetz, um Minderjährige vor Pornografie und sonstigen sexuell unangemessenen Inhalten zu schützen. Im Vergleich ist das deutsche Verbot der Verbreitung von Pornografie an Minderjährige nach § 184 StGB in Deutschland geradezu inkonsequent und lasch. https://dejure.org/gesetze/StGB/184.html .
Nach Absatz 2 dieses Paragrafen sind Eltern oder anderweitige Sorgeberechtigte nämlich durchaus vom Straftatbestand befreit, solange sie ihre Erziehungspflicht nicht „gröblich verletzen“. Eine sehr schwammige Formulierung! Kann man seinem minderjährigen Sohn oder seiner minderjährigen Tochter überhaupt pornografisches Material zugänglich machen, ohne seine Erziehungspflicht gröblich zu verletzen?
In diesem Punkt ist Ungarn zurecht konsequenter, da von dieser Ausnahme im neuen ungarischen Gesetzestext nichts erwähnt ist. Bezüglich schulischer Sexualaufklärung bleibt den Kindern in Ungarn mit Sicherheit einiges erspart, was heutzutage teilweise an deutschen Schulen als Sexualaufklärung aufgezwungen wird. Darauf detaillierter einzugehen würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Unkontrollierter Zugang zu Pornografie nach wie vor ungelöstes Problem
Was aber weder mit dem in Ungarn neu verabschiedeten Gesetz noch mit der aktuellen deutschen Gesetzgebung eine Lösung zu bringen scheint, ist der unkontrollierte Zugang zu Internet-Pornografie mit besonderer Gefahr für Minderjährige. Vielleicht ist in Ungarn die Kontrolle noch besser gewährleistet, dass auch im Internet nur Zugang zur Pornografie erreichen kann, wer nachweislich das 18. Lebensjahr vollendet hat. In Deutschland aber lässt sich auf genügend Pornovideos im Internet zugreifen, ohne überhaupt ein Benutzerpasswort, geschweige denn einen Altersnachweis zu benötigen. Wie soll da sicher gestellt werden, dass in Zeiten von Smartphones mit abnehmender Möglichkeit elterlicher Kontrolle der Zugang für Kinder verhindert wird?
Die mediale Sichtbarkeit schwuler oder lesbischer Pärchen, die in Winterkleidung eingehüllt eng an eng über den Weihnachtsmarkt spazieren gehen, ist definitiv keine Gefahr für Kinder und Jugendliche. Die eigentlich große Gefahr für Minderjährige in Deutschland ist – neben teilweise übergriffigem Sexualkundeunterricht – der unkontrollierte Zugang zu Online-Pornografie. Ja, das ist Deutschland 2021: Der Staat hat zwar dank Netzwerkdurchsetzungsgesetz so viel Kontrolle über seine Bürger, dass politisch inkorrekte Meinungen zu Facebook-Sperren führen. Aber es wird keine Kontrollmöglichkeit im Internet genutzt, um Minderjährige von nicht altersgerechten Inhalten fernzuhalten.
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