Sonntag, 24. November 2024

Aufspaltung in AfD und Flügel: Was alles dafür spricht

Offensichtlich gibt es innerhalb der AfD Personen, die einem antipluralistischen, antiliberalen, autoritären Gesellschaftsbild eher zugeneigt sind als andere. Wie aber sollten nationalliberal Denkende mit solchen inhaltlich eine Einheit bilden können? Zwischen einem Liberalen und einem Anti-Liberalen kann es schwerlich ein Wir geben. Zweitens stellt sich rein strategisch die Frage, ob durch eine Aufspaltung in AfD und Flügel nicht wesentlich größere Wählerschichten jenseits von 13 Prozent, womit kein Blumentopf zu gewinnen ist, erreichbar sein könnten. Ein Gastbeitrag von Jürgen Fritz

Gemeinsam gegen etwas zu sein, heißt noch lange nicht, dass man auch eine gemeinsame Richtung hat, wo man hin möchte. Wenn eine Gruppe von Menschen gemeinsam an einem Fleck steht und sie alle von diesem weg möchten, dann gibt es unzählige Richtungen, in die sie sich von diesem Punkt aus hin bewegen können. Eine politische Partei sollte eine klare Richtung haben. Sie sollte wissen, wo sie hin und nicht nur, was sie nicht will, von wo sie weg möchte. Eine Dagegen-Partei ist noch keine Ich-will-dort-und-dort-hin-Partei. Wenn der eine nach links weg rennt, der zweite nach rechts, der dritte nach oben, der vierte nach unten, dann ist das keine gemeinsame Richtung. Sobald man irgendwann zu einer Regierungsbeteiligung käme, müsste man wissen, wofür man ist und nicht nur wogegen. Dazu braucht es ein schlüssiges Gesamtkonzept und nicht nur einzelne überzeugende Punkte, die aber insgesamt überhaupt nicht zusammenpassen.

Eine Dagegen-Partei ist noch keine Ich-will-dort-und-dort-hin-Partei

Die AfD hatte in den ersten Jahren ein relativ klares Programm, wo sie hin wollte. Nicht in allen wesentlichen Fragen der Politik, das kann man von einer jungen Partei schwerlich erwarten, aber doch in vielen, in essentiellen Punkten. Ein extrem gutes Programm, wie ich persönlich finde. Ein besseres hatte ich noch niemals gelesen. Sie war zum Beispiel klar liberal (freiheitlich) ausgerichtet bezogen nicht darauf, „Bei uns kann jeder sagen, was er will“ – eine Partei braucht eine gemeinsame Richtung, wer also völlig anderes will, passt nicht dazu, das ist in jeder Partei so -, sondern bezogen auf die Gesellschaft und das Gesellschaftsmodell, das angestrebt wird. Der ursprüngliche Anti-Euro-Kurs war, wenn ich recht sehe, genau diesem ökonomischen Liberalismus geschuldet, war gegen diesen Zwangs-Zentralismus aus Brüssel gerichtet.

Auch die Ablehnung der kulturfremden Massenimmigration von antiliberalen Versorungssuchenden konnte zumindest so eingeordnet werden: als der Wunsch, dass unsere Freiheit bewahrt werden soll, welche eine gewisse Homogenität der Bevölkerung voraussetzt, was die Wert- und Moralvorstellungen anbelangt und zu diesen Wertvorstellungen gehört die freiheitliche Demokratie, zu der man erzogen werden muss. Fertige freiheitsfähige Demokraten fallen nicht einfach so vom Himmel, sie müssen in einem mühsamen Erziehungs- und Bildungsprozess von ca. 18 Jahren heranreifen und entsprechend sozialisiert werden. Wer als Kind und Jugendlicher im Elternhaus, in Schule, Gesellschaft etc. völlig anders geprägt wurde, der kann nicht mal einfach so umerzogen werden. Die Naivität der Vorstellungswelt der Linken und Linksradikalen ist hier bisweilen fernab von jeglichem Realitätssinn.

Auch die angestrebte Familienpolitik der AfD war in meinen Augen sehr überzeugend. Förderung der klassischen Familie, Mann, Frau, Kinder, da diese sich bis heute als bestes Modell des Zusammenlebens im gesellschaftlichen Mikrobereich bewährt hat. Dabei natürlich andere Lebensmodelle voll akzeptieren, da nun mal nicht jeder das Glück hat, in solch einem Familienverbund zu leben. Das war ein Beispiel für ein konservatives Element. Ebenso die Besinnung auf bestimmte Wertvorstellungen, die jede Gesellschaft braucht, um einen inneren Zusammenhalt herzustellen, so etwas wie eine Leitkultur, so dass auch jedem Außenstehenden klar ist, wofür Deutschland überhaupt steht.

Der Anti-Höcke-Aufruf von über hundert AfD-Funktionären

Inzwischen ist jedoch mein Eindruck, dass die AfD sich von diesem ursprünglichen, sehr guten Programm immer mehr entfernt und andere – womöglich ebenfalls antiliberale – Kräfte zunehmend an Macht gewinnen. Da war zunächst der Aufruf von mehr als hundert AfD-Parteifunktionären, unter anderem von von fünf Bundesvorstandsmitgliedern, darunter die drei Parteivizes Albrecht Glaser, Kay Gottschalk und Georg Pazderski sowie Bundesschatzmeister Klaus Fohrmann. Ebenfalls unterschrieben haben mehrere Landesvorsitzende, nämlich: Dana Guth (Niedersachsen), Uwe Junge (Rheinland-Pfalz) und Robert Lambrou (Hessen). Auch mehrere Bundestagsabgeordnete schlossen sich dem Appell an, darunter Joana Cotar, Verena Hartmann, Marc Jongen, Volker Münz und der gesundheitspolitische Sprecher Axel Gehrke sowie einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Jürgen Braun. Ihr Appell richtete sich vor allem gegen Höckes Auftritt beim diesjährigen sogenannten Kyffhäusertreffen des Flügels.Dieser hatte dort doch tatsächlich folgendes von sich gegeben:

„Ich kann Euch garantieren, dass dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird.“

Was für eine Anmaßung eines Landesvorsitzenden, der nicht einmal dem Bundesvorstand angehört! Und es stellt sich die Frage: Wer führt diese Partei eigentlich? In dem AfD-Aufruf heißt es wörtlich: „Wir fordern Björn Höcke auf, sich zukünftig auf den Aufgabenbereich zu konzentrieren, für den er legitimiert ist.“

Die Unterzeichner des Appells bezeichneten Höckes Auftritt als „exzessiv zur Schau gestellten Personenkult“, den die überwiegend bürgerliche Mitgliedschaft von mehr als 35.000 Personen ablehne. Höcke habe „spaltende Kritik“ geäußert und sogar „ihm nicht genehme Mitglieder aufgefordert, die Partei zu verlassen“. Man hat den Eindruck, dass hier Leute gezielt aus der Partei herausgemobbt werden sollen. Weiter heißt es in dem Aufruf:

Wir sagen sehr klar: die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei!“

Meuthen wird im eigenen Kreisverband nicht einmal zum Delegierten gewählt

Auch die beiden Bundessprecher der Partei Alexander Gauland und Jörg Meuthen schlossen sich der Kritik an Höcke an, wenngleich sie den Aufruf nicht unterzeichneten. Meuthen ließ aber verlautbaren:

„Dieser Aufruf wundert mich nicht, denn der Unmut und die massive Kritik über das Auftreten und manche Äußerungen des thüringischen Landesvorsitzenden sind in der Partei sehr vernehmlich. Der Appell bestätigt letztlich meinen sicheren und schon oft geäußerten Eindruck, dass Björn Höcke mit seiner auch aus meiner Sicht unzutreffenden Kritik an der Arbeit des Bundesvorstandes und der Schiedsgerichte über keinerlei Mehrheiten in der Partei verfügt und der von ihm zuweilen betriebene Personenkult nicht zu unserer Partei passt…“

Nur wenige Tage später passierte folgendes. In Jörg Meuthens Kreisverband Ortenau in Baden-Württemberg wurden letzten Sonntag die Delegierten für den Bundesparteitag gewählt. Bestimmt wurden vier Delegierte und vier Ersatzdelegierte, insgesamt also acht Personen. Und nun halten Sie sich bitte fest: Jörg Meuthen ist nicht darunter. Der Bundessprecher der Partei wird in seinem eigenen Kreisverband nicht einmal unter die acht Delegierten bzw. Ersatzdelegierten gewählt! 

Als Bundessprecher darf er natürlich gleichwohl beim Bundesparteitag im Herbst teilnehmen, er hat aber kein Stimmrecht. Der erste Mann in der Partei darf nicht mit abstimmen, weil sein eigener Kreis ihn nicht mal zu Delegierten wählte! Gegen Meuthen war in seinem eigenen Kreisverband offensichtlich vorab Stimmung gemacht worden. Taras Maygutiak, Stadtrat in Offenburg, der das zweitbeste Ergebnis bei der Delegiertenwahl erzielte, kommentierte auf Facebook, er habe getrommelt. Bei diesem Kreisverband sei der Laden noch in Ordnung. Man habe ein „positives politisches Signal aussenden“ wollen.

Ähnlich äußerte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz: Die Mobilisierung der Flügel-Anhänger bei der Wahl am Sonntag im Kreisverband Ortenau habe sehr gut funktioniert. Vor allem die Auseinandersetzung über die Ausrichtung der Partei und der Person Höcke habe dazu beigetragen. Unter den gewählten Delegierten befinden sich fast ausschließlich Parteimitglieder, die dem rechtsnationalen Flügel in der AfD nahe stehen. Aus Parteikreisen ist zu hören, Meuthens Kritik an dem Auftreten von Björn Höcke auf dem Kyffhäuser-Treffen sei mit ein Grund, dass er nicht gewählt wurde. Meuthen bekam sogar mehr Nein- als Ja-Stimmen!

Wer führt diese Partei eigentlich? Wer zieht hier die Strippen?

Meuthens Büroleiter Tomasz M. Froelich kommentierte unter einem Facebook-Beitrag zu der Sitzung, man könne in dem Wahlergebnis „durchaus“ parteischädigendes Verhalten sehen. Die Wahl sei zwar eine demokratische gewesen. Das sei aber auch so, wenn die Grünen bei Wahlen gewinnen und das sei „dennoch Deutschlandschädigung“. Ähnliche Analogien könne man ziehen, wenn man sich lieber von Räpple repräsentieren lasse als von Meuthen, so Froelich weiter. Damit bezieht sich Meuthens Büroleiter auf die Wahl des Landtagsabgeordneten Stefan Räpple.

Gegen diesen hat die AfD ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Das hatte der Landesvorstand damit begründet, dass Räpple der Partei durch wiederholte Verstöße gegen die AfD-Satzung und -Ordnung „schweren Schaden“ zugefügt habe. Unter anderem hatte ihn die Polizei aus dem Landtag führen müssen, als er der Aufforderung nicht gefolgt war.

Den höchsten Zuspruch in Meuthens Kreisverband bekam aber der oben schon erwähnte Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz, der ebenfalls dem Flügel zugerechnet wird. Seitz hatte Ende 2018 eine Distanzierung durch die Bundestagsfraktion ausgelöst. Der frühere Staatsanwalt hatte die Wiedereinführung der Todesstrafe als Abschreckung bei illegaler Einreise angeregt, nachdem die Wiedereinreise eines aus Ellwangen abgeschobenen Kameruners bekannt wurde. Schon 2018 war er aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden, weil er unter anderem Begriffe wie „Quotenneger“ und „Gesinnungsjustiz“ verwendet hatte.

Als Bundessprecher der AfD darf Meuthen nun zwar am Parteitag Ende November teilnehmen und auch sprechen, wählen darf er den neuen Bundesvorstand selbst dann aber nicht. Die Wahl der Parteitagsdelegierten im Ortenaukreis gilt für zwei Jahre. Sollte Jörg Meuthen in dieser Zeit seinen Posten im Bundesvorstand verlieren, kann er nur noch als Besucher an Parteitagen teilnehmen. Selbst ein Rederecht hätte er dann nicht einmal mehr. Das heißt, der Mann wäre weitgehend kaltgestellt. All dies spricht eine deutliche Sprache und wieder stellt sich die Frage: Wer führt diese Partei eigentlich? Wer zieht hier die Strippen?

Chaotischer Parteitag der NRW-AfD: der Machtkampf kulminiert

Anfang Februar wurde bereits ein Brief eines der beiden Vorsitzenden der NRW-AfD, Helmut Seifen, publik, in welchem dieser beschreibt, wie Parteien in der Partei entstehen. Seifen warnte in dem Brief an die Mitglieder vor einem steigenden Einfluss des ganz rechten Parteirandes in NRW und spricht von einer Partei in der Partei, die der sogenannte Flügel inzwischen sei. Diese Gruppierung innerhalb der AfD werde von dem thüringischen Landeschef Björn Höcke angeführt. Sie wird vom Bundesverfassungsschutz als „Verdachtsfall“ geführt. Zahlreiche Offizielle des Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen hätten versucht, sich von diesem Teil der Partei abzugrenzen. Aber mit dem Landtagsabgeordneten Thomas Röckemann, der zugleich gleichberechtigter Vorstand mit Seifen war, gebe es einen Vertreter, der dem Lager um Björn Höcke eine Plattform in NRW bieten wolle.

Vor knapp zwei Wochen, am Samstag den 06. Juli, kam es dann bei dem Parteitag der AfD-NRW, dem größten Landesverband der AfD mit über über 5.300 Mitgliedern, zu kuriosen Szenen. Der Machtkampf innerhalb des Landesverbandes erreichte einen neuen Höhepunkt. Zunächst versuchten die rund 500 Delegierten in mehreren Anträgen den gleichberechtigten Landesvorsitzenden Thomas Röckemann, der als Sympathisant des Flügels um Björn Höcke gilt, abzuwählen.

Seifen warf in einer hitzigen und lautstarken Debatte den Anhängern des Flügels vor, die Partei in NRW und bundesweit zu unterwandern und zu spalten. In entscheidenden politischen Fragen würden Höckes „willfährige Werkzeuge“ nicht im Interesse des Landesverbandes handeln. „Ihre Loyalität gilt in erster Linie dem ‚Flügel‘.“ Damit spielte Seifen vor allem auf seinen Co-Vorsitzenden Röckemann an. Die AfD dürfe nicht zulassen, dass der stärkste Landesverband zu einem „Satellitenverband“ verkomme. Mit Röckemann sei eine pragmatische Arbeit nicht möglich. Röckemann habe Maßnahmen gegen Mitglieder wegen parteischädigenden Verhaltens mehrfach verzögert und keines der elf Parteiordnungsverfahren mitgetragen. Wegen der „Machenschaften“ der Flügel-Anhänger, die die AfD NRW bis in die Kreisverbände unterwanderten, sei „der Bestand der Partei in großer Gefahr“, so Seifen.

Als man dann versuchte, Röckemann und den ebenfalls sehr Flügel-nahen stellvertretenden Vorsitzenden Christian Blex abzuwählen, erreichte man zwar deutlich über 50 Prozent, verfehlte aber knapp die notwendige Zweidrittel-Mehrheit. Daraufhin traten neun der zwölf Landesvorstände zurück. Nur drei Vorstände blieben im Amt: Thomas Röckemann, Christian Blex und Jürgen Spenrath. Alle drei gelten als Flügel-nah.

Seifen betonte, dass die zwei Lager in der AfD eigentlich gleiche Ziele hätten. „Wir befinden uns unter Gleichgesinnten, die die Politik der Altparteien nicht mehr mittragen wollen, die unser Land von Grund auf zerstört“, so Seifen. Dafür brauche die Partei aber Leute, „die die im Land ausufernden Missstände benennen“, ohne dabei andere AfD-Mitglieder herabzuwürdigen.

Der AfD-Bundesvorstand soll dem Vorstand des Landesverbands von Nordrhein-Westfalen inzwischen ein Ultimatum für den Rücktritt gestellt haben, ansonsten drohe eine Entmachtung. Nach dem chaotischen Parteitag der NRW-AfD in Warburg forderte die Bundesspitze ultimativ die komplette Neuwahl des kompletten zwölfköpfigen Landesvorstandes bis zum 6. Oktober. Andernfalls werde der dreiköpfige Restvorstand um Thomas Röckemann seines Amtes enthoben, heißt es in einem Brief des Bundesvorstandes.

Zutiefst Beschämendes von der AfD-St. Wendel: „Vergewaltiger und Mörder an Haie verfüttern“

Am 10. Juli twitterte die AfD St. Wendel dann folgendes:

„Ich möchte meine Lebenszeit (=Arbeitszeit) und somit das Geld meiner Familie NICHT für die lebenslängliche(?) Beherbergung ausländischer Triebtäter einsetzen. Kastrieren und ins Meer werfen, das gesparte Geld dann den Opfern oder echten Flüchtlingen zugute kommen lassen.“

AfD-St.Wendel

Anschließend wurde dieses mehr als befremdliche, dieses beschämende Statement mehrfach verteidigt. Der Betreuer des AfD-Twitter-Accounts schrieb:

„Die den Mord an Flüchtlingen gutheißt? Sorry, aber Vergewaltiger sind keine Flüchtlinge!“

AfD-St.Wendel-2

Auf die Nachfrage „Und darum kann man Menschen ins Meer schmeißen?“ hieß es seitens der AfD St. Wendel dann:

An die Haie verfüttern, ja. Für dich sind wohl nur die Vergewaltiger und Mörder Menschen, nicht die Opfer.“

AfD-St.Wendel-3

Der Twitterbeauftrage von AfD St. Wendel sei zuvor noch nie negativ aufgefallen

Twitternutzer erwiderten:

„Also du heißt Mord an Straftätern gut? Wie tief kann man sinken?“

Ein anderer fragte nach:

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Später wurde diese Mitteilung gelöscht und der Account (Zugang), über den diese Botschaft verbreitet worden ist, wurde vom Netz genommen.

St. Wendels AfD-Kreisvorsitzender Edgar Huber versicherte später, der Eintrag entspreche „in keiner Weise unserer Haltung“. Mit dem Twitterauftritt der Partei auf Kreisebene habe der Vorstand ein AfD-Mitglied beauftragt. Als der Tweet bei der Führung bekannt wurde, habe sie das betreffende Mitglied aufgefordert, den Eintrag vom Netz zu nehmen und den Account komplett zu schließen. Die Person, die hier für die Hinrichtung von „ausländischen Triebtätern“ plädiert habe, sei mittlerweile aus der Partei ausgetreten, um einem Rauswurf zuvorzukommen. Bis zu diesem Eintrag sei der Twitterbeauftragte nicht negativ aufgefallen, so dass ihm der Vorstand vertrauensvoll den Internetauftritt in seine Obhut gegeben habe.

Offensichtlich sind mehrere Strafanzeigen wegen des Postings von AfD-St. Wendel bei der Polizei eingegangen. Auch ein (wohl eher nationalliberales) Mitglied der AfD-Saar hat Strafanzeige gegen diese Aktion im Namen der AfD St. Wendel erstattet. Das Posting könnte also auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Läuft Meuthen Gefahr, zum Rudolf Scharping der AfD zu werden?

All diese Dinge sind für einen Nationalliberalen schlicht nicht ansatzweise akzeptabel. Und die Reihe der Einzelfälle ist zu lang, als dass man glauben könnte, das seien nur ganz, ganz wenige Fälle. Und machen wir uns nichts vor, all diese bedenklichen, ja teilweise schon unappetitlichen Dinge kommen zumeist, wenn nicht ausschließlich immer von solchen AfD-lern, die wohl eher dem Flügel nahe stehen.

Zu erwähnen ist sicherlich auch, dass der Bundesvorstand sich seit längerem um einen Parteiausschluss von Doris von Sayn-Wittgenstein bemüht, der Landesverband Schleswig-Hostein darum wissend dann aber Sayn-Wittgenstein, die ebenfalls dem Flügel sehr nahe steht, wiederum zur AfD-Landesvorsitenden wählt. In einer Telefonkonferenz sollen sich die Bundesvorstandsmitglieder einig gewesen sein, „dass diese Wahl ein falsches politisches Signal aussendet“. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Kay Gottschalk sagte: „Ich respektiere selbstverständlich demokratische Wahlen, halte aber die Wahl von Sayn-Wittgenstein für schlicht falsch und gefährlich“.

Und wieder stellt sich die Frage: Wer führt eigentlich diese Partei? Wer zieht die Strippen? Und wo will diese Partei eigentlich hin? Gibt es wirklich einem gemeinsame Richtung, gemeinsame Grundüberzeugungen, eine gemeinsame Parteikultur?

Aber nochmals zurück zu Meuthen, der sich ständig auf geradezu rührende Weise versucht, all die Probleme permanent herunterzuspielen: Wie kann es sein, dass der Bundessprecher der Partei auf dem Bundesparteitag der AfD nicht mehr stimmberechtigt ist, weil sein eigener Kreisverband sagte: Unseren Bundessprecher wählen wir nicht mal zum einem von acht Delegierten und Ersatzdelegierten in unserem kleinen Kreisverband? Muss Jörg Meuthen allmählich aufpassen, dass es ihm nicht wie 1995 Rudolf Scharping ergeht, der von Schröder und Lafontaine systematisch demontiert und dann schließlich auf dem Parteitag von Mannheim abgeschossen wurde? Oder so wie Bernd Lucke und Frauke Petry? Wer führt diese Partei, wer zieht die Strippen? Und wo will diese Partei hin? Sollte dem tatsächlich so sein, dass hier quasi schon zwei Parteien in einer sind und sich der Kurs immer mehr weg von der Mitte bewegt?

Was spricht für eine Aufspaltung in AfD und Flügel?

Vielleicht irre ich ja auch und in Wahrheit ist alles ganz harmlos, das sind alles nur kleine Scharmützel, die völlig normal sind und in jeder Partei so oder so ähnlich vorkommen. Das kann durchaus sein. Ich bin kein Mitglied der AfD, war auch noch nie eines und beobachte das alles nur von außen. Aber sollte ich nicht irren und es gibt hier quasi zwei Parteien in einer, wobei der Flügel immer mehr den Kurs bestimmt, dann wird die AfD, so meine Überzeugung, erstens viele Wähler zur Mitte hin verlieren, und zweitens würde sich dann die Frage stellen, ob eine  Spaltung der Partei in 1. AfD und 2. Flügel nicht sinnvoll wäre. Wie das rein technisch umgesetzt werden könnte, weiß ich nicht. Das wäre sicherlich nicht einfach, vielleicht ist es sogar gar nicht möglich. Das Ganze hätte aber nicht zu unterschätzende Vorteile.

Der nationalliberale Teil der Partei, der dann ohne die Nationalkonservativen und Ultrkonservativen antreten würde, könnte dann sogar noch zusätzliche Stimmen aus dem globalistischen CDU-, CSU-, FDP-, SPD-, Grünen-, Die Linke-Lager abziehen, die sich bislang vom AfD-Flügel eher abgeschreckt fühlen. Es gäbe dann somit zwei Oppositionsparteien, die eher nationalistisch denn globalistisch ausgerichtet wären: a) eine nationalliberale AfD und b) einen nationalkonservativen Flügel.

Meines Erachtens würde das erstens das Wählerpotential der eher national Denkenden zusätzlich erhöhen und es gäbe zweitens auf der nationalen Seite auch verschiedene Angebote, wie auf der globalistischen Seite auch. Die Höcke-Anhänger könnten dann ihn zum Bundessprecher der nationalkonservativen Partei wählen. Denn eines ist, um von der Vision zu den Fakten zurückzukehren, klar:

Die AfD kann von dem Potential von mindestens 20 bis 30 Prozent der Wähler, die vieles an dem Kurs der Regierung und der noch linkeren und noch globalistischeren Opposition seitens der Grünen und der Linkspartei und dem permanenten Wegducken der FDP nicht annähernd voll ausschöpfen. Sie dümpelt, im siebten Lebensjahr ihres Bestehens, bundesweit seit Wochen und Monaten bei um die 13 Prozent herum. Klar über 17 Prozent ist sie noch niemals gekommen, fiel aber seit Anfang Oktober 2018 von gut 17 Prozent auf aktuell knapp 13 Prozent zurück. Damit ist kein Blumentopf zu gewinnen. Selbst 20 bis 30 Prozent wären ja im Grunde noch zu wenig, um tiefgreifende Änderungen in der politischen Ausrichtung Deutschlands herbeizuführen. Aber selbst davon ist man weit, weit entfernt.

2019-07-21

Andererseits besteht kaum Gefahr, unter 10 Prozent zu fallen. Das heißt, es wäre a) genug Anhänger-Potential da, um mit zwei national-orientierten Parteien in den nächsten Bundestag einzuziehen, egal ob sich die 13 Prozent nun 8 zu 5, 7 zu 6, 6 zu 7 oder 5 zu 8 Prozent aufteilen. Außerdem könnte dies b) immense Chancen eröffnen, massive Zuwächse in der Mitte der Gesellschaft zur AfD abzuziehen. Denn Wahlen werden zumeist in der Mitte entschieden. Diese gälte es meines Erachtens zu erobern. Wie dies mit dem Höcke-Flügel, der Millionen Menschen abschrecken dürfte, möglich sein sollte, bleibt dagegen bislang nicht nur mir, sondern allen schleierhaft, was die Zahlen oben ganz eindeutig beweisen.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von JÜRGEN FRITZ

PP-Redaktion
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Eigentlich ist PP nach wie vor ein Blog. Dennoch hat sich aufgrund der Größe des Blogs inzwischen eine Gruppe an Mitarbeitern rund um den Blogmacher Dr. David Berger gebildet, die man als eine Art Redaktion von PP bezeichnen kann.

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