Samstag, 21. Dezember 2024

Charlotte Knobloch. Oder: Die Allzweckwaffe „Nazi“ immunisiert gegen Erkenntnis

Charlotte Knobloch ist das jüngste Beispiel für wirr anmutende Verwendung des Nazi-Begriffs durch eine Frau, die, selbst Überlebende des Holocausts, es besser wissen müsste. Nämlich, dass eine inflationäre Verwendung des Hau-drauf-Etiketts „Nazi“ zur Verharmlosung des Millionenmordes an Juden beiträgt und außerdem Unsinn ist. Ein Gastbeitrag von Josef Hueber

 „Wir stehen vor einem Ungetüm“, dessen „Programm sich zusammenfassen lässt mit den Worten: Juden raus!“ (Ch. Knobloch zur AfD)

„Merkels Einladungspolitik hat hunderttausendfach Judenhass  nach Deutschland importiert.“ (Dr. Curio, AfD)

 

Sprachliche Wurfgeschosse, Essenz aus der Überflugbetrachtung des Dritten Reiches, fliegen seit langem durch die politischen Lüfte, wenn es darum geht, konservatives Denken zu diskreditieren. Sie sind leicht zu bedienen und weisen den Benutzer, der damit seine Kenntnis deutscher Vergangenheit vorgibt, scheinbar als Kämpfer für Demokratie und Weltoffenheit aus. Seine angemaßte Courage verdient indes keine  Achtung, weil mit Gegenwehr nicht zu rechnen ist.

Die Allzweckwaffe NAZI immunisiert gegen Erkenntnis

Wo präzise Begriffe zur Beurteilung von politisch Andersdenkenden fehlen, kommen in  Merkel-Deutschland  der Allzweck-Begriff NAZI und seine Geschwister RASSISMUS, POPULISMUS und RECHTSEXTREMISMUS  zum Einsatz. Wie der weiße Bär auf einer Eisscholle beweist, dass der Klimawandel menschengemacht ist und Venedig bald Atlantis heißen wird, beweist die Etikettierung als „Nazi“, dass man es beim politischen Gegner AfD mit der „Inkarnation des Bösen“ (von Haeften über Hitler vor dem Volksgerichtshof) zu tun hat. Die Beweispflicht am  Detail hat sich damit erledigt.

Jüngstes Beispiel ist die besonders wirr anmutende Verwendung des besagten Ungeheuer-Begriffs durch eine Frau, die, selbst Überlebende des Holocausts, es besser wissen müsste, dass eine inflationäre Verwendung des Hau-drauf-Etiketts Nazi zur Verharmlosung des Millionenmordes an Juden beiträgt und außerdem Unsinn ist: Charlotte Knobloch.

Sie ist bekannt als immer noch verbal rege Denkerin gegen jüdische Interessen in Deutschland. Ihre spektakuläre Äußerung zur AfD lässt jedoch darauf schließen, dass sie das Programm dieser Partei so gründlich gelesen hat wie Frau Bundeskanzlerin den ersten Bestseller Sarrazins, als sie eine öffentliche Rezension noch vor ihrer (vermutlich nie vollzogenen) Lektüre in aller Kürze gab: „Nicht hilfreich“.

Leider ist diese Formulierung zu harmlos, um damit auch die Äußerung Knoblochs, die AfD sei eine Nazipartei, zu bewerten. In ihrem Fall  muss man schon wenigstens von „ignorant-abwegig“ sprechen.

Nazi-Vergleiche entgegen historischer Fakten

Leonid Luks, Prof. em. für Mittel- und Osteuropäische Zeitgeschichte, beschäftigt nicht zum ersten Mal die Frage nach der Wiederholung von Geschichte bzw. der Übertragbarkeit von geschichtlichen Konstellationen auf die Gegenwart. „Kehren die 1930er Jahre zurück?“ und „ Über den Sinn der Vergleiche mit der Hitlerzeit.“ sind zwei in ihrer Aktualität empfehlenswerte Kolumnen.*

Besonders aktuell ist diese Fragestellung wegen der öffentlich immer wieder in talkshowhafter Leichtigkeit wiederholten These von der gegenwärtig wahrnehmbaren Wiederkehr der 30er Jahre. Knobloch darf dafür ein prominentes Beispiel sein.

In seiner Kolumne „ Über den Sinn der Vergleiche mit der Hitlerzeit. Eine Replik“ geht Luks der Frage nach, inwiefern NS-Zeit und politische Wirklichkeit der Gegenwart Parallelen aufweisen.

Den Historiker Lewis. B. Namier zitierend, verweist er auf die weit verbreitete Parallelisierung von historischen Zeiträumen und der Gegenwart. Patrick Bahners von der FAZ, so erfahren wir, kritisierte in diesem Zusammenhang die Tabuisierung von Vergleichen der NS-Zeit mit heutigen Erscheinungen. Bahners gehe sogar soweit, „ keinen qualitativen Unterschied zwischen der Shoah und manchen anderen Formen der radikalen Fremdenfeindlichkeit“ zu konstatieren. (Ob er sich dabei auf Europa oder etwa arabische Länder bezieht, wird hier nicht klar.)

Luks verweist auf fundamentale Fakten, die gegen eine Übertragung von Inhalten der NS-Ideologie auf die Jetzt-Zeit sprechen. Der  Soziologe Gunnar Heinsohn etwa sieht  die NS-Ideologie als Kampf gegen die „Ethik des Judentums“ und deren „ Idee eines universellen Rechts auf Leben“. Das eigentliche Ziel der von Hitler betriebenen Judenvernichtung war eine „neue Ordnung ohne Ethik“, die „ ohne die Beseitigung der Juden nicht möglich“ war.

Zurecht konstatiert Luks zu einem Vergleich der NS-Zeit mit den heutigen politischen Gegebenheiten: „ Ich halte solche Analogien für wenig begründet.“ Er erkennt dies in den „grundlegenden Unterschieden“.

Die Verortung antisemitischer Vernichtungsphantasien

In der Auseinandersetzung mit Knoblochs Vorwurf, die Bundesrepublik Deutschland sei von einer Juden-raus-Ideologie bedroht, stellt sich die Frage: Wo kann in unserem Land antisemitisches Gedankengut verortet werden, die Ideologie einer anzustrebenden „Ordnung“, die „ohne die Beseitigung der Juden nicht möglich“ sei?

Es gibt ausreichend Material, diese Frage zu beantworten.

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PP-Redaktion
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