Ein Gastbeitrag von David Leukert
Es ist an der Zeit, einmal ausdrücklich die Kulturschaffenden unserer Republik zu loben, zu würdigen, ja auszuzeichnen! In der großen Halle des Volkes, im schönen Zentrum für politische Früherziehung des Maxim-Gorki-Theaters, wird am Gründungstag der Republik eine Ordensverleihungs-Gedenkveranstaltungsfeier stattfinden.
Und zwar zugunsten der verdienten Künstler des kulturschaffenden Schaffens, der darstellenden und bildenden, aber auch dichtenden Künste. Die Ehrung wird ausschließlich den Kunstarbeitern zu Teil, welche Kraft ihres gesellschaftlichen Engagements unermüdlich am Aufbau des Sozialismus mitwirken!
…dem Klassenfeind mal wieder schön ein Schnippchen geschlagen
Unter den Preisträgern befinden sich die herausragenden Gestalter der ZDF Heute Show vom Humor-Kombinat VEB „Heiterkeit“. Begründung: Sie präsentieren allwöchentlich regierungstreue Satire auf Weltniveau! Sonderpreise gibt es dabei wegen der Über-Erfüllung des Spaß-Plans zur Erbauung der Werktätigen und für den Weltrekord „die höchste Anzahl technisch eingespielter Lacher“ in einer Fernsehshow weltweit!
Zwar wurde die Sendung bis ins Detail von einer Show im kapitalistischen Ausland des US-Senders „Comedy Central“ abgeschaut (man recherchiere einmal Lewis Black, der die Figur des cholerischen Kommentatoren verkörpert). Aber so hat man doch dem Klassenfeind mal wieder schön ein Schnippchen geschlagen!
Oliver Welke erhält Orden „Held der Arbeit“ mit der zusätzlichen Inschrift „Humor“
Pointen-Pionier Oliver Welke, dem Feinde des Fortschritts „Rotlichtbestrahlung“ unterstellen, erhält ob seiner Verdienste den Orden „Held der Arbeit“ mit der zusätzlichen Inschrift „Humor ist, wenn man trotzdem kriecht“. Den Sonderpreis für sein Lebenswerk im Bereich „Comedy“ erhält der Genosse Ralf Stegner! Herzlichen Glückwunsch!
Des Weiteren geehrt wird der Sänger „Campino“ von der Rock-Formation „Die toten Hosen“. Er hat sich als zuverlässiger Kader-Leiter erwiesen vor allem durch sein aktives Mitwirken an dem legendären antifaschistischen Jugend-Konzert für Populärmusik in Karl-Marx-Stadt!
Campino (bürgerlich: Genosse Andreas Frege), zeigt vor allem in Textzeilen wie „Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Bullen um!“, dass er die Doktrin der permanenten Revolution verinnerlicht hat und außerdem der Kulturtechnik des Zählens mächtig ist. Vorbildlich! Darauf wollen wir anstoßen, am besten mit dem Lieblingsgetränk des staatstragenden Rebellen: Alkohol.
Auszeichnungswerte Lyrik: „Ich ramm die Messerklinge in die Journalisten-Fresse“
Die Freiluftveranstaltung „WirSindMehr“ richtete sich in verantwortungsvoller Weise „gegen Intoleranz, Hass und Hetze“. Einem Motto, dem die antibürgerliche Rapper-Combo K.I.Z. mit dem reim- und rhythmusverweigernden Vers „Ich ramm die Messerklinge in die Journalisten-Fresse“ in besonderer Weise gerecht wurde.
Schonungslose Kritik und Selbstkritik gehören zweifellos zur konstruktiven politischen Auseinandersetzung im Sinne der Vorgaben der XYXIV. Internationalen. Deswegen soll nicht verhehlt werden:
Der diensthabende Führungsoffizier erteilte Sprechsängerin Nura, sie kommt aus dem befreundeten Ausland Eritrea, eine Rüge. Das von ihr skandierte „Wer nicht hüpft, der ist ein Nazi“ wurde in Gegenwart von Rollstuhlfahrern als unangemessen empfunden. Wir dürfen doch dem Klassenfeind keine argumentative Munition liefern!
Außerordentliches Lob gebührt der Initiative der Kulturschaffenden mit dem Namen „Würde, Verantwortung, Demokratie“, die in diesen Tagen an die Öffentlichkeit gegangen ist, um die innigliche Verbundenheit der kassierenden Klasse mit der Staatsratsvorsitzenden der BRD und Vorsitzenden des Zentralkommitees der CDU zum Ausdruck zu bringen!
Die Unterzeichner sind wahre Könner, Meister ihres Fachs
Etwa „Titten“-Hugo Balder, Freizeitfußballer Moritz Rinke, Singvögelchen Meret Becker, Hupfdohle Nora Kimbal, Kosmetikerin Andrea Leicher, sowie die Bildende-Künstler-Brigade „Kneten gegen Rechts“! Damit ist in Sachen Rechtsstaat, Geschichte und Politik ein Kompetenz-Kollektiv ersten Ranges versammelt, das seines Gleichen sucht!
Entschieden und ultimativ rufen sie zur Absetzung des Ministers des Inneren Horst „Wessel“ Seehofer auf. Wiederholt sei er als einziger Teilnehmer einer Zusammenrottung aufgefallen. Außerdem habe er „Bierzeltreden gehalten.“ Diese Vorwürfe wiegen schwer.
Die weltanschaulich gefestigten Künstler „fordern eine stabile demokratische Gesellschaft“, denn Demokratie duldet nun mal keine abweichenden Meinungen, sondern macht einen reibungslosen Ablauf im Sinne des Fortschritts und des Friedens unerlässlich!
Krachlederne Bayern diskriminieren Andersdenkende und Andersaussehende mit textilem und kulinarischen Diktat
Dieser Frieden ist zweifellos in Gefahr. Täglich kommt es zu Übergriffen, angeheizt von den verhetzenden Bemerkungen des Subjekts aus Ingolstadt, das vorgibt, sich um die Sicherheit der Republik zu kümmern.
Gerade in diesen Wochen drangsalieren bei den Oktoberfesten immer wieder krachlederne Bayern Andersdenkende und Andersaussehende mit textilem und kulinarischen Diktat. Sie zwingen sie in Haferlschuhe und zum Weißwurstessen mit süßem Senf, um ihnen danach noch eine Überdosis Obatzten zu verpassen. Die Folgen ihres Tuns, Verdauungsstörungen und Flatulenzen, scheinen ihnen dabei völlig egal zu sein. Der Seppl-Terror muss endlich aufhören!
Da sich die verdienten Künstler von „Würde, Verantwortung, Demokratie“ nicht scheuen, die wirklich drängenden Fragen und Forderungen unserer Zeit zu stellen, erhalten sie „Das Heiße Eisen in Gold“. Außerdem wird den Preisträgern für ihre außerordentliche Leistungserfüllung im Sinne der Solidarität mit den Arbeitern und Bauern ein Faksimile des Briefes übereignet, den der Dichter Bertold Brecht am Tag der konterrevolutionären Aktivitäten vom 17. Juni 1953 an den Genossen Walter Ulbricht schickte:
„Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen in diesem Augenblick meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auszudrücken.“
Die aktuelle Staatsratsvorsitzende, Genossin A. Merkel, lässt es sich natürlich nicht nehmen, die politisch engagierten Musentöchter- und Söhne mit einer persönlichen Grußbotschaft zu würdigen. Sie liegt der Redaktion bereits exklusiv und im Wortlaut vor:
„Ich möchte mich persönlich und ganz herzlich. Es ist mir ein besonderes Anliegen, das habe ich immer gesagt, und dem gibt es auch nichts hinzuzufügen.“
Die Frage bleibt, warum sich nicht alle Kulturschaffenden dieser Erklärung angeschlossen haben. Namen wie Hannes Wader oder Reinhard Mey sucht man auf der Liste vergeblich. Sind sie sich zu fein, am Bau eines intellektuellen antifaschistischen Schutzwalls mitzuwirken? Sind sie den Verlockungen des Kapitalismus erlegen, hat sie die selbstzufriedene Trägheit ihres l`art pour l`art übermannt?
MfS und das Kommando „Wann sagt Helene Fischer endlich was?“
Vielleicht sollten die zuständigen Mitarbeiter vom MfS, das Kommando „Wann sagt Helene Fischer endlich was?“ oder eine tatkräftige Delegation der Merkeljugend mal bei den Herrschaften anklopfen und im Elfenbeinturm ihres Wolkenkucksheims nach dem Rechten sehen!
Wohin eine Verweigerung gesellschaftlichen Engagements abgehobener Unkulturschaffender führen kann, zeigt die Stellungnahme des US-amerikanischen Actionfilmdarstellers Mark Whalberg. Ein erschreckendes Dokument westlicher Dekadenz: „Celebrities need to SHUT UP about politics!“
So etwas wollen wir hier nicht! Niemals. Da sei Konstantin Wecker vor! Mit sozialistischem Gruß: David Leukert
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Foto: Aufbau der Republik von 1952 am einstigen Haus der Ministerien (heute Bundesfinanzministerium) in der Leipziger Straße von David Lingner. Foto: David Berger
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David Leukert ist Kabarettist und kommt aus Berlin-Steglitz. Er besitzt kein Parteibuch, aber einen Diesel-PKW. Sein aktuelles Programm heißt „Schau Liebling, der Mond nimmt auch zu! (Vol.2)“ – Tourdaten: DAVID LEUKERT
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