Tommy Robinson ist neben dem Katalanen Carles Puigdemont zur Zeit der prominenteste politische Häftling in Europa. Trotzdem weigert sich das Auswärtige Amt und die EU-Menschrechtsbeauftragte, sich für den Islamkritiker einzusetzen, der im UK-Gefängnis in Lebensgefahr schwebt.
20 bis 30 000 Menschen hatten an der „Free Tommy“ Demonstration in London am 10.6. teilgenommen, die nächste Demo findet am 14.7. statt. 625 000 Menschen hatten eine Online-Petition zur Freilassung Robinsons unterzeichnet, doch das Parlament in UK erklärte sich diese Woche für nicht zuständig.
Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron hatte Robinson in Deutschland Asyl angeboten, und an das Auswärtige Amt, die EU-Menschrechtbeauftragte sowie Amnesty International und Human Rights Watch geschrieben und sie aufgefordert, sich umgehend für die Freilassung Tommy Robinsons (bürgerlich: Stephen Yaxley-Lennon) einzusetzen.
Das Auswärtige Amt von Heiko Maas, der sich mit dem berüchtigten Netzwerkdurchsetzungsgesetz bereits als Feind der Meinungsfreiheit einen Namen gemacht hat, antwortete am 15.6. und verwies auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des MdBs Markus Frohnmaier (AfD). Dr. Christian Aulbach, Leiter des Parlaments- und Kabinettsreferats, gab damit im Wesentlichen die Argumentation der britischen Justiz wieder:
Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde Stephen Yaxley-Lennon alias Tommy Robinson im Mai 2017 wegen Missachtung des Gerichts zun ächst zu einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Er hatte in unerlaubter Weise über ein laufendes Verfahren über Sexualdelikte berichtet. Robinson hatte die Angeklagten vor dem Gerichtsgebä ude gefilmt und als „muslimische pädophile Vergewaltiger“ bezeichnet.
Am 25. Mai 2018 berichtete er trotz gerichtlich verhängten Berichterstattungsverbots wieder über ein laufend es Strafverfahren, indem er per Livestream auf Facebook die Namen der Angeklagten nannte, sie persönlich mit Vorwürfen konfrontierte und dabei filmte sowie Einzelheiten der Verhandlung preisgab. Er wurde festgenommen und unter Einbeziehung der Bewährungsstrafe zu insgesamt 13 Monaten Gefängnis verurteilt.
In jedem Rechtsstaat gilt bis zu einem rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung. Dieses Rechtsstaatsgebot muss auch die Presse respektieren und gewisse Regeln bei der Berichterstattung über laufende Strafverfahren beachten. Die Bundesregierung sieht sich zu keinen Konsequenzen veranlasst, die aus der Festnahme von Stephan (sic) Yaxley-Lennon zu ziehen wären.“
„Damit macht sich die Bundesregierung völlig unkritisch die Argumentation von Tommy Robinsons Verfolger zu eigen“, kritisiert Bystron und führt an:
„Im Fall Yücel hat die türkische Justiz auch juristische Argumente gehabt, um die Inhaftierung zu rechtfertigen“.
In der Tat: Yücel wurde unter den Notstandsgesetzen u.a. wegen seiner umfangreichen Kontakte zur Terrororganisation PKK in der Türkei verhaftet. In seinem Fall hat sich aber sogar die Bundeskanzlerin Merkel persönlich in den Fall eingeschaltet. Sie beklagte die Strafe für Yücel als „unverhältnismäßig hart“.
Interessant ist hierbei, warum die Bundesregierung sich in dem einen Fall für eine Freilassung einsetzt, im anderen aber nicht. Bei Tommy Robinsons Verhaftung gab es immerhin eine Reihe von Unregelmäßigkeiten:
- Das zitierte Gesetz bezieht sich auf Störungen im Gericht („in the precinct of the court“). Tommy Robinson befand sich jedoch auf öffentlichem Grund vor dem Gerichtsgebäude.
- Tommy Robinson war sich seiner Auflagen bewusst und hat penibel darauf geachtet, nur Informationen zu verwenden, die schon in der Presse bekannt waren. In der Tat hat er „Namen der Angeklagten“ genannt und „Einzelheiten der Verhandlung“ preisgeben. Er hat sie aus der Zeitung vorgelesen.
- Tommy Robinson wurde aufgrund “Ruhestörung” verhaftet, aber aufgrund eines Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen verurteit. Die angebliche “Ruhestörung” kam nie wieder zur Sprache.
- Tommy Robinson wurde gesagt, dass er seinen Anwalt nicht anrufen müsse, es sei alles nicht so schlimm. Dann wurde ihm ein Pflichtverteidiger zugewiesen, der ihm riet, sich schuldig zu bekennen, dann käme er frei. Robinson hat sich schuldig bekannt und wurde für 13 Monate eingesperrt.
Im Fall von Deniz Yücel wären alle diese Tatsachen der Bundesregierung bekannt und hätten oberste Priorität. Im Fall eines konservativen Islamkritikers, der sich in Lebensgefahr befindet, sieht die Bundesregierung dagegen keinen Handlungsbedarf.
Auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatović lehnt ein Engagement für Robinson ab. Sie schrieb Bystron am 19.6. „Das Mandat der Kommissarin erlaubt ihr nicht, sich mit Einzelbeschwerden zu befassen.“
Zum „Weltflüchtlingstag“ 19.6. rief Dunja Mijatović speziell dazu auf, die Arbeit von Schlepper-NGOs nicht zu behindern, die illegale Migranten zu hunderten nach Europa transportieren.
„Ich rufe die Mitgliedsstaaten auf, die Arbeit von Individuen und NGOs nicht zu behindern, die Migranten helfen“,
….schrieb Mijatović. Bystron kündigte an, Mijatović fragen zu wollen, warum sie sich für Individuen einsetze, die illegale Einwanderer nach Europa schmuggeln, jedoch nicht für ein Individuum wie Tommy Robinson, der die Massenvergewaltigung junger Mädchen anprangert und deshalb in Lebensgefahr schwebt.
Amnesty International und Human Rights Watch haben noch nicht geantwortet.