Samstag, 27. April 2024

Kollektive Unanständigkeit – die politische Sprache in der Merkel-Ära

Ein Gastbeitrag von Vera Dahlkamp

Der neueste Slogan des instrumentalisierten Prekariats (Antifa) spricht Klartext: Wir sind die Mauer, das Volk muss weg. Wie ist das gekommen?

Die neuere Sprache ist voller dunkler Andeutungen.

Verwerfungen. Kollateralschäden. Nazi. Flüchtlingskrise. Steuerschuldner. Wutbürger. Abgehängte. Unterschicht.

Dagegen stehen Bunt.

Weltoffen. Die, die schon länger hier leben. Willkommenskultur.

Als wären wir alle lebenslang im Kindergarten und lernten das Teddybärenzielwerfen. Durch gezielte Begriffsverklebungen und –Umdeutungen ist die Nation wieder einmal gespalten, in die, die sich am liebsten jubelnd überrennen lassen wollten in der süßen Sehnsucht, nicht mehr zu sein und die anderen, die einfach sein wollen und ihre Rückbindung hochhalten.

Heimat ist auch und zum großen Teil ein geistiger Raum. Daran wird sich zu keiner Zeit etwas ändern lassen, es ist ein Naturgesetz. Die Begriffe „Faschismus“ oder „Nazi-Ideologie“ hier hinein zu fädeln, wird widersinnig angewandt, um moralischen Ekel zu heucheln: Ekel vor etwas, was man nicht versteht, oder verstehen will, aber angeblich politisch nicht akzeptieren kann. Diese Sprachregelungen haben nun auch den Deutschen Bundestag erreicht. Die Fähigkeit, einen Dialog zu führen, hat nicht nur mit Rhetorik zu tun, sondern auch mit der Bereitschaft, auf die Argumente des anderen einzugehen bzw. sie zu respektieren.

Das hört sich momentan so an:

„Halten Sie die Klappe“, brüllt der eine. „Widerlich“, der andere.

Die Abgeordneten diskutierten Anträge oder das Verhalten der rechtspopulistischen ‚Alternative für Deutschland‘. Da war von ‚Hass und Blödsinn‘ die Rede (aus der AfD) und von ‚intellektueller Erbärmlichkeit‘ (aus der FDP). Aus der Union kam der Vorwurf an die Rechtspopulisten ‚Gift zu verspritzen‘, ‚schlicht und einfach erbärmlich zu argumentieren, ‚kollektive Unanständigkeit‘ zu zeigen. ‚Unanständig‘ hieß es auch aus der SPD.“

(Aus: „Der Ältestenrat des Bundestages grübelt über die jüngsten AfD-Debatten“, Deutsche Welle online; 1.3.2018).

Als Gottfried Curio im Bundestag umfassende Grenzkontrollen fordert und die Kosten unkontrollierter Zuwanderung benennt, kommt der Einwurf (von der SPD)

„Was ist in Ihrem Leben schief gelaufen?“

Was sich im Bundestag derzeit abspielt, hat längst auch die Bevölkerung als Ganzes erfasst. Man verliert die Fassung! Man greift sich an den Kopf! Man kann nicht mehr mit jedem und jeder über Tagespolitik sprechen, frank und frei seine Meinung sagen. Man wägt vorsichtig ab, umkreist sich im Gespräch, lotet die Einstellung des anderen aus. Traut sich nur noch aus der Deckung, wenn das Gegenüber signalisiert; wir sind einer Meinung.

Wie konnte das passieren? Was ist aus diesem Land geworden, das über Jahrzehnte hinweg friedlich mit Menschen aus aller Herren Länder zusammenlebte und arbeitete?

Das sich dadurch keineswegs „überfremdet“ fühlte, sondern eine neue Qualität lebte: mit Türken, Italienern, Russen, Chinesen, Portugiesen, Nordafrikanern, Indern …, die sich diesem Land auch verpflichtet fühlen. Wir alle haben von dieser Lebensqualität profitiert. Und von dieser Heimat, ein Wort, das zusehends in den Giftschrank geschlossen wird. Stattdessen Unsicherheit überall. Quälende Ängste. Zivilcourage in den Schrank? Freiheit? Geistiger Raum? Heimat? Rückbindung? Unterbindung? Untergang? Plötzliche Zwangsassimilation derer, die „schon länger hier leben“ zugunsten derer, die gerne hier leben würden? Und wer alles soll das sein, der dann unsere Plätze einnimmt? Und dagegen diese Idiotie zu setzen, es sei eine Auseinandersetzung „links“ gegen „rechts“, eine bösartige, spaltende Lüge, die mit bösartiger Verblendung einhergeht, die neuerdings schon im Kindergarten beginnt und sich Erziehung nennt.

Wir sind nicht weltoffen?

Sozialismus denkt nicht national. Die Revolutionen des letzten Jahrhunderts haben sich im Etablieren bis dato neuer Machtstrukturen dadurch ausgezeichnet, dass der Mensch zunehmend offen als Material benutzt wurde. Eben auch noch als Produktivkraft, aber dennoch als Bindemittel, das nach und nach zu Beton erstarrte. Ganz oben die Köpfe. Die Herrscher, die Autokraten. Heute in der Version des monströsesten Beamtenkartells aller Zeiten, der EU. Allerdings:

„Die Summe der Freisetzungen von Energien im Zivilisationsprozess übersteigt regelmäßig die Leistungsfähigkeit kultivierender Bindekräfte.“ (Sloterdijk)

So entstehen die „Verwerfungen“ und daraus die Revolutionen.

Die Globalisierung hat das Zeitalter der Psychopolitik eingeleitet: Menschen scheinen ein notwendiges Übel, die monetäre und die Welt beherrschen wollenden Eliten zu erhalten und werden bei Abgabe ihrer biologischen, psychologischen und konsumentarischen Daten vom „System“ durchgefüttert. Gleichheit verkommt zu einem Gleichnis grauer Leere mit Spaßfaktor und Völlegefühl. Natürlich ist es dann egal, ob ich Afghane, Inder, Chinese oder Franzose bin.

Das zementierte Gruppengefühl des heutigen guten Menschen, der sich im Konsens tummelt und sich wohlig als „links“ bezeichnet, läßt jedweden angelernten Inhalt zur Erfahrung werden, verbunden mit starken Zu- oder Abneigungsgefühlen. „Das Gefühl lässt eine Erzählung zu. Es hat eine narrative Länge oder Breite. Weder Affekt noch Emotion sind erzählbar. Die Krise der Gefühle (…) ist auch eine Krise der Erzählung. Das narrative Theater weicht heute einem lärmenden Affekt-Theater.

Aufgrund einer fehlenden Erzählung wird eine Affekt-Masse auf die Bühne geladen.“ (Byung Chul Han „Psychopolitik“). Das beschreibt genau den Zustand des instrumentalisierten Prekariats, das sich Antifa nennt und inzwischen genauso wie der IS international operiert und ebenso wirkmächtig finanziert wird. Internationalität ist hier offensichtlich ein Ausweg aus dem inneren Dilemma der Bindungslosigkeit. Ehrenmorde? Vergewaltigung? Mord? Abschlachten junger Mädchen durch willkommen geheißene, als Flüchtlinge getarnte Intensivtäter – Kollateralschäden.

Dieses Irrenhaus, in dem wir noch länger leben müssen, wird zu einem gefährlichen Ort, verteidigt von einer Affekt-Masse, die die Meinung kundtut: Wir sind die Mauer, das Volk muss weg.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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