Ein Gastbeitrag von Franz Deckenbrock
Die Menschenrechte stellen jene Rechte dar, die einzelne Personen vom Staat einfordern können. Der Heilige Stuhl ist einer der wenigen Staaten, die diese Rechtsforderungen der Vereinten Nationen nach wie vor ablehnen. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention wurde bisher vom Heiligen Stuhl nicht unterzeichnet.
Der Grund: Bis heute stellt die Katholische Kirche das Recht Gottes höher als das Menschenrecht, Naturrecht versus Menschenrecht. Gegen das Recht
des Menschen, über sich selbst zu bestimmen, argumentieren die Päpste mit dem Naturrecht, dem sich der Kirche nach die Menschen unterzuordnen haben.
Die Kirche und die Menschenrechte ist ein Thema, das die Päpste seit 1789 beschäftigt. Die Ausrufung der Menschenrechte während der Französischen Revolution überraschte die Kirche. Vor allem war Papst Pius VI. über das Verhalten des französischen Klerus angesichts der Menschenrechtserklärung überrascht.
Die französische Kirche beteiligte sich an der Verfassung dieser Erklärung. Sie war nicht mit allen Artikeln der Erklärung einverstanden, gab aber Empfehlungen, die beim Abfassen des Textes berücksichtigt wurden.
Als Rom davon erfuhr, reagierte der Papst sofort: Pius VI. verurteilte die Menschenrechtserklärung offiziell mit dem Hinweis, dass sie der kirchlichen Lehre widerspräche. Die Mehrheit des französischen Klerus gehorchte der römischen Anordnung.
Mit der entschiedenen Ablehnung dieser ersten Menschenrechtserklärung beginnt die konfliktreiche Geschichte zwischen dem Vatikan und den verschiedenen späteren Menschenrechtserklärungen: Das Motiv der Ablehnung solcher Erklärungen seitens der Kirche liegt in der Überzeugung der Päpste, dass sich eine menschliche Gesellschaft nach den Prinzipien Gottes und nicht der Menschen zu organisieren habe. Und so kommt es vor allem im 19. Jahrhundert zu scharfer Kritik seitens der Päpste allen Versuchen gegenüber, Menschenrechte zu deklarieren.
Ende der 1870er-Jahre schließlich erklärte Papst Leo XIII., dass es innerhalb des göttlichen Naturrechts gewisse Menschenrechte gebe.
Die Rede ist vom sogenannten „ius divinum naturale“ (göttliches Naturrecht). Das ist jenes göttliche Recht, das aus den Hinordnungen, den »inclinationes«, der menschlichen Natur abgeleitet werden kann und somit dem Naturrecht vergleichbar ist.
Das „ius divinum“ (göttliches Recht) wird unmittelbar auf den Willen Gottes zurückgeführt. Es ist im Verständnis der Kirche überzeitlich, dem übrigen kirchlichen und menschlichen Recht übergeordnet. Es kann somit weder von weltlichen noch von kirchlichen Gesetzgebern verändert und aufgehoben werden. Aus diesem Grund erkannte vor allem die Kirche des 19. und der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Menschenrechtserklärungen nicht an. Schon allein deshalb, weil jede solche Erklärung den päpstlichen Primat nicht nur infrage stellt, sondern negiert. Der
päpstliche Primat gilt allerdings als eine dem Willen des menschlichen Gesetzgebers entzogene, weil von Gott verliehene Rechtstatsache.
Die Einstellung der Kirche den Menschenrechten gegenüber änderte sich zum ersten Mal mit Papst Johannes XXIII.: Vor allem mit seiner Enzyklika Pacem in terris von 1963 vollzog die Kirche eine tief greifende Wende.
Zum ersten Mal überhaupt wurde das Wort »Menschenrechtserklärung« positiv in einem päpstlichen Dokument erwähnt.
Dieser Papst war davon überzeugt, dass diese Erklärung die Basis für alle
menschlichen Organisationen sein sollte. Johannes XXIII. eröffnete damit einen Dialog innerhalb seiner Kirche. Die bis dato hohe Barriere zwischen Menschenrechten und göttlichem Naturrecht war entschieden niedriger geworden. Das Abschlussdokument des Zweiten Vatikanischen Konzils sprach sich aber weitaus vorsichtiger gegenüber dem Thema der Menschenrechte aus als Papst Johannes XXIII. Dort war, wenn auch mit weitreichenden Zugeständnissen der modernen Gesellschaft gegenüber, wieder vom Primat des göttlichen Naturrechts die Rede.
Mit dem Pontifikat von Johannes Paul II., vor allem aber von Benedikt XVI. setzte sich innerhalb der Amtskirche wieder jene orthodoxe Konzeption des göttlichen Naturrechts als allem menschlichen Recht übergeordnet durch.
Der Vatikan lehnt die Unterzeichnung der UN-Menschenrechtscharta nicht deshalb ab, weil sie die dort formulierten Menschenrechte im Widerspruch zum göttlichen Naturrecht sieht, sondern um deutlich zu machen, dass das Naturrecht über Menschenrecht steht.
Damit wird zum Beispiel verhindert, dass die Abtreibung zu einem Menschenrecht gemacht werden kann und das durch Kirche anerkannt wird. Denn Abtreibung ist nach dem Naturrecht immer Unrecht und bleibt es.
Dagegen lehnt der Islam die UN-Menschenrechtscharta insgesamt mit den dort formulierten Menschenrechten ab, weil alle Menschenrechte nach islamischem Verständnis unter dem Schariavorbehalt stehen.
1990 wurde die schariakonforme Kairoer Menschenrechtserklärung für alle Muslime für allein verbindlich erklärt. Wenn Muslime also von Menschenrechten sprechen, meinen sie immer die Menschenrechte aus der Kairoer Menschenrechtserklärung, ohne dies jeweils zu artikulieren.
Die in der UN-Menschenrechtscharta formulierten Menschenrechte sind für Muslime nicht verbindlich. Es ist festzustellen, dass die Bestimmungen der Scharia der UN-Menschenrechtscharta und dem kirchlichen Naturrecht widersprechen.
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