Samstag, 21. Dezember 2024

„Ich habe sowohl die Katholiban wie die Queeriban überlebt“

(David Berger/ef) Im letzten Heft des Magazins „eigentümlich frei“ ist ein Interview mit mir erschienen, das etwas ganz besonderes ist. Ich habe seit 2010 fast allen großen deutschen Medien Interviews gegeben: Von der „Zeit“ bis zum „Spiegel“, von der ARD bis zu RTL. Dabei gehören diese Interviews alle einer Zeit an, als für mich die Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen im Vordergrund stand.

Eine weitergehende Kritik ließ erstmals die Münchner Abendzeitung – kurz nach dem Massaker – von Orlando zu.  Da wurde eingewendet: Auch die katholische Kirche hat homophobe Tendenzen… Und ich habe darauf geantwortet, was ungekürzt publiziert wurde: „Und dafür habe ich sie auch oft kritisiert.“

„Es ist aber ein Unterschied, ob das Sakrament der Ehe für Homosexuelle abgelehnt wird oder Menschen von Häusern gestürzt werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass im Vatikan ein Schwuler auf den Palazzo geführt, hinuntergeworfen und unten von einer aufgebrachten Menge gesteinigt worden ist.“

In dem sehr ausführlichen Interview mit dem Magazin „eigentümlich frei“ wurde dieses Thema auch angesprochen. Aber es greift viel weiter, beachtet auch meine Entwicklung in den letzten zwei Jahren. Und ist damit eine Vorschau auch auf mein neues Buch, das im kommenden Frühjahr – neben einer erweiterten Neuausgabe des „Heiligen Scheins“ – erscheinen wird. Hier veröffentliche ich – sozusagen als kleinen Appetitmacher – das erste Drittel des Interviews …

Herr Dr. Berger, ich lese im Internet, daß sie einen faschistischen, katholischen Gottesstaat erichten wollen.

Ich bin ein Gegner von faschistischen Gottesstaaten, sonst würde ich schließlich den Islam nicht so stark kritisieren.

Ich plädiere dafür, Staat und Kirche strikt zu trennen, und das gilt natürlich nicht nur für einen Talibanstaat, sondern auch für einen katholischen Staat. Der Vorwurf ist also abstrus.

Sie werden im Internet mit einem geradezu obsessiven Furor verfolgt, ähnlich wie einst bei kreuz.net. Wie unterscheidet sich die Situation heute von der damaligen?

Sie unterscheidet sich in keinster Weise, die Methoden sind ähnlich, wobei die Traditionskatholiken noch ungleich taktvoller waren und in ihrer Verblendung von der Homolobby noch übertroffen werden. Vielen dieser Leute bin ich übrigens nie begegnet, sie kennen mich nur aus dem Internet. Ich müßte mir das einmal von einem Psychiater erklären lassen.

Schmerzt es dennoch, täglich ad-hominem-Angriffe lesen zu müssen?

Nein. es ist teilweise amüsant, aber es nutzt sich auch ab. Am Anfang, bei kreuz.net, hat es wehgetan und hat auch Angst gemacht, aber irgendwann erschöpft sich das und dann langweilt es nur noch. Ich bin ja ein extremer Verfechter der Meinungsfreiheit, die allerdings bei kriminellen Sachen endet, und zwar bei solchen, die nicht etwa Frau Kahane festlegt, sondern die unser Rechtssystem als kriminell anerkennt. Da bin ich ein Vertreter des Rechtsstaats und möchte keine Paralleljustiz anerkennen, auch nicht von Facebook.

Sie waren zwei Jahre lang Chefredakteur des Schwulenmagazins „Männer“. Was war damals Ihr redaktioneller Ansatz?

Ich habe damals durchaus versucht, Themen zu setzen, die über Unterhosen und Pflegeserien für schwule Männer hinausgehn. Und klarzumachen, wir sind da und haben mehr zu sagen als etwa Volker Beck. Und das hat das schwule Establishment extrem provoziert.

Es hat angefangen damit, daß ich es gewagt habe, ein Schwerpunktheft zu machen: „Ist der Islam eine Gefahr für schwule Männer?“ Daß ich die Frage überhaupt gestellt habe, hat dazu geführt, daß man in Berliner linksradikalen queeren Kreisen mit ihrer Islamophilie versucht hat, mich als Rechtspopulisten darzustellen bis dahin, ich würde versuchen, einen schwulen „Stürmer“ zu machen.

Dieses Image wurden Sie dann nicht mehr los?

Das ist dann ins Rollen gekommen, man hat immer Neues gesucht und ich habe natürlich auch meinerseits weitergebohrt. Denn man muß Dinge gerade dann bearbeiten, wenn Denkverbote ausgesprochen werden, die werden ja nicht grundlos ausgesprochen. Meine Gegner haben sich dann konspirativ verabredet und die Aidshilfe gefunden als willigen Vollstrecker, der Anzeigen storniert und geschrieben hat, daß ich rechtspopulistisch wäre und ein falsches Männerbild vertreten würde. Das fand sogar die Tageszeitung „Welt“ eher lustig. Mein Rauswurf war dann trotzdem nur noch eine Frage der Zeit.

Haben die großen Verbände, die Deutsche Aidshilfe und der LSVD, noch eine Existenzberechtigung?

Sie haben ihre Existenzberechtigung nicht mehr. Das wissen sie auch und deshalb versuchen sie, ihre Kriegsschauplätze aufzublasen und Dinge zu behaupten, die völlig abstrus sind, als gehe es den Homosexuellen hier wie den Schwarzen während der Apartheid, wo sie im Bus hinten sitzen mußten. In der Historie war die Deutsche Aidshilfe dringend nötig, als das große Sterben begonnen hatte, wo man schnell Hilfe improvisieren mußte. Inzwischen ist HIV zu einem kontrollierbaren Problem geworden in Europa bzw. für viele offensichtlich gar kein Problem mehr, und das zeigt ja niemand besser als die Aidshilfe selber, wenn sie Kampagnen startet nach dem Motto „Wir sind stolz darauf, HIV zu haben und ohne Kondom zu ficken“, bei denen ich mich fragen muß, wollen wir sowas mit Steuergeldern und Spenden weiter unterstützen.

Hier geht es weiter: ⇒ „Über einen Grenzgänger. Unter Schwulen und Katholiken“ 

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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