Unter dem Strich geht von der AfD keine echte Gefahr für Deutschland aus. Dennoch steht sie unter Dauerbeschuss der Linken. Fast so als ob die bloße Existenz einer rechten Partei sie provoziert. Damit ähneln Linke den Islamisten, die im Jahr 2006 die bloße Existenz von Karikaturen als Gotteslästerung verstanden und Botschaften in Brand setzten. Ein Gastbeitrag von Lennart Kaworski
Mit jeder Umfrage, die der AfD einen neuen Höchststand attestiert, melden sich sogleich die Kritiker zu Wort, die eine Gefahr für die Demokratie vermuten. Nicht fehlen darf dabei der Verweis auf die NPD oder gar die NSDAP. Eine Nummer kleiner geht es nicht.
Aber einmal nüchtern betrachtet: Wie gefährlich ist die AfD wirklich?
Zugegeben ist die AfD nicht ganz unschuldig daran, dass die immer selben Analogien aufgetischt werden.
Wenn die Vorsitzende Frauke Petry davon spricht, dass der Begriff „völkisch“ wieder einen positiven Klang bekommen soll, klingen allenthalben die Alarmglocken.
Ja, eine Nähe zur Rhetorik der NSDAP ist nicht von der Hand zu weisen. Nun ist uns das Dritte Reich aber nicht durch seine scharfe Rhetorik, sondern vor allem durch seine beispielhaften Kriegsverbrechen in Erinnerung geblieben. Derartige Massenmorde gibt es auf Seiten der AfD allerdings nicht.
Nun mag man einwenden, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und nicht Frauke Petry heißt und die Dinge nach einer „Machtergreifung“ schon ganz anders aussehen könnten – zutreffend ist es noch nicht. Schon vor 1933 war das Gewaltpotential der NSDAP eindeutig zu erkennen. Über 500 politische Morde gab es in der Weimarer Republik. Meist aus dem rechten Lager, manchmal auch von kommunistischer Seite. Nichts davon ist auch nur entfernt mit dem heutigen Deutschland vergleichbar.
Wie stark ist die AfD überhaupt? Oft geistert die Zahl von 15% durch den Raum. Stimmt – laut INSA-Daten würden so viele Bundesbürger der Partei ihre Stimme geben.
Man sollte aber wissen, dass dessen Vorsitzender der AfD nahesteht und dadurch nicht neutral ist. Der Durchschnitt der übrigen sechs Meinungsforschungsinstitute sieht die AfD aktuell bei 12.9%. Bestenfalls sind 20% denkbar – für die Kanzlerschaft reicht das nicht. Allenfalls als kleiner Koalitionspartner von CDU und FDP könnte die AfD Regierungsverantwortung tragen, wenngleich ein solches Bündnis derzeit ausgeschlossen scheint.
Wer sich aber nun – allen Widrigkeiten zum Trotz – ein solches Schreckensszenario in den dunkelsten Farben ausmalt, dem sei gesagt: Alles schon-mal dagewesen.
Unter Helmut Kohl war die AfD als kleiner Koalitionspartner von 1982 bis 1998 an der Regierung beteiligt.
Die AfD? Wirklich? – Natürlich nicht!
Doch der rechte Flügel der CDU war bis etwa zum Jahr 2005 mit der heutigen AfD vergleichbar. Er umfasste ca. ¼ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – also ähnlich der heutigen Situation, in der die CDU etwa 3x mehr Stimmen hätte als die AfD. Deutschland ist seit 2013 also keineswegs rechter geworden. Vielmehr sind die Rechten heute nur besser sichtbar, nachdem sie etwa ein Jahrzehnt lang unter der großen Vorsitzenden Merkel ein Nischendasein führten.
Alles schon vergessen?
Die Wehrmachtsausstellung, die den Vernichtungskrieg der deutschen Armee in Osteuropa zeigte, wurde noch 1997 von der CDU einstimmig abgelehnt. Der rechte Parteiflügel polemisierte in den Folgejahren gegen die Errichtung des Holocaustmahnmals oder lehnte die Entschädigungszahlungen für jüdische Zwangsarbeiter im Dritten Reich mit antisemitischen Argumenten ab. Noch 2007 versicherte Ministerpräsident Günther Oettinger, sein Amtsvorgänger Hans Filbinger, der gegen Deserteure Todesurteile verhängt hatte, sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen. Und Angela Merkel warnte im letzten Jahrzehnt vor unkontrollierter Einwanderung. Ihre damaligen Argumente ähneln der Rhetorik heutiger AfD-Anhänger.
Uns droht kein Rückfall in die 30er, sondern höchstens in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Sicher mag man die Regierungszeit Kohls kritisieren. Aber hat er Deutschland auch nur im Ansatz in die Nähe einer Diktatur gesteuert? Natürlich nicht. Und genauso wenig würde eine AfD als kleiner Koalitionspartner den Faschismus zurückbringen.
Einige Verteter der AfD sind gegen das Recht auf Abtreibung. Das sind die Republikaner aber auch. Seit 1973 ist die Abtreibung in den USA durch ein Urteil des Obersten Gerichtshof legalisiert.
Nicht einmal dann, wenn die Republikaner sowohl das Weiße Haus, wie auch das Parlament kontrollierten, kamen sie gegen die Macht der Justiz an. Wie soll die AfD als kleine Partei das schaffen, was die Grand Old Party seit 43 Jahren vergeblich versucht?
Immer wieder gibt es homophobe Stimmen in der AfD. Beispielsweise bezeichnete der Abgeordnete Kay Nerstheimer Schwule als „unnormal und genetisch degeneriert”.
Der neuen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus gehört er nicht an. Kritik kam auch von den lesbischen Parteimitgliedern Alice Weidel und Jana Schneider, sowie Mikro Welsch, Sprecher der Homosexuellen in der AfD. Allein schon weil die AfD – wie bereits im Berliner Wahlkampf geschehen – Homosexuellen Schutz vor Muslimen verspricht, weil sie auf deren Wählerstimmen schielt, wird sie derartige Töne in Zukunft vermeiden. Auch die AfD muss einsehen, dass Deutschland in den letzten Jahrzehnten linker und homofreundlicher geworden ist. Diese gesellschaftliche Entwicklung lässt sich durch ein Wahlergebnis nicht umstoßen.
Dies gilt gleichermaßen für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Unter Helmut Kohl gab es nur eine einzige Ministerpräsidentin – nämlich Heide Simonis. In den letzten 11 Jahren sind ihr vier weitere Ministerpräsidentinnen und erstmals eine Bundeskanzlerin gefolgt. Auch ist der Frauenanteil in den Regierungen und Parlamenten von Land und Bund sowie in den Eliten (zB. unter den Professoren) seit 1982 kontinuierlich gestiegen. Konsequente Fortführung dieses Trends ist Frauke Petry selbst, die zeigt, dass die AfD Frauen in Führungspositionen akzeptiert.
Antisemitische Töne gibt es in der AfD
Aber schauen wir uns die einzelnen Fälle genauer an. Ein holsteinischer Kommunalpolitiker musste seine Ämter ruhen lassen, nachdem er behauptet hatte, die Alliierten hätten im Konzentrationslager Dachau Gaskammern errichtet. Jan-Ulrich Weiß, der eine antisemitische Karikatur im Facebook geteilt hatte, konnte sein Mandat im Brandenburger Landtag nicht wahrnehmen. Wolfgang Gedeon, der seine antisemitischen Ausfälle sogar in Buchform festgehalten hatte, sitzt mittlerweile im Stuttgarter Landtag – ist allerdings fraktionslos.
Wenngleich positiv ist, dass Antisemitismus in der AfD schnell gemaßregelt wird, so ist dennoch negativ, dass es überhaupt zu diesen Vorfällen kommen konnte. Dennoch: die meisten AfD-Politiker haben sich nicht antisemitisch geäußert und viele Mitglieder sehen Israel als Verbündeten im Kampf gegen den Islam. Letztlich ist die AfD nicht antisemitischer als die CDU der 90er und frühen 2000er Jahre. Und auch die führte keinen neuen Holocaust herbei.
Unter dem Strich geht von der AfD keine echte Gefahr für Deutschland aus. Dennoch steht sie unter Dauerbeschuss der Linken. Fast so als ob die bloße Existenz einer rechten Partei sie provoziert. Damit ähneln Linke den Islamisten, die im Jahr 2006 die bloße Existenz von Karikaturen als Gotteslästerung verstanden und Botschaften in Brand setzten.
Foto: Albrecht Glaser, Michael Muster, Frauke Petry auf der Wahlversammlung am 24.1.2014 in Aschaffenburg © Mathesar (Eigenes Werk), CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons