Donnerstag, 27. November 2025

Yad Vashem – ein Geschäftsmodell mit Requisiten der Bestialität?

… oder: Ein bisschen weniger Menschenwürde darf schon sein, wenn es ums Geld geht. Es geht doch außerdem „nur“ um Juden. (Für begabte Uminterpreten klarer Absichten: In dieser Formulierung  handelt es sich um Zynismus aus Resignation und Empörung angesichts wachsendem Antisemitismus.) Gastbbeitrag von Josef Hueber.

Gerade habe ich fast zufällig das vermutlich schrecklichste Buch, das je veröffentlicht wurde, aus dem Regal geholt und darin geblättert. Ich gebe zu, dass ich Seite für Seite mit den Tränen gekämpft habe. Nein, es ist nicht Hitlers Mein Kampf. Auch darin habe ich schon mehrmals gelesen. Aber Mein Kampf ist „nur“ schrecklich böse und schrecklich dumm. Seine unmenschliche Sinnlosigkeit bringt mich nicht zum Weinen, denn Entsetzen kennt keine Tränen.

Mein Tränenbuch ist die Dokumentation des Museums Yad Vashem in Israel. Ein Bilderbuch der besonderen Art. Es zeigt die tiefste Tiefe des menschlichen Abgrunds. Und es zeigt, nicht es erklärt, welche Tiefe an Abscheulichkeit der fleischgewordene Antisemitismus in sich hat. Mir ist keine Erzählung aus der Bibel bekannt, die diese Abgründe des Hasses besser auf den Punkt gebracht hat, als Paul Celans Gedicht Todesfuge. Celan, ein jüdischer, deutschsprachiger Dichter, geboren 1920, gilt als einer der bedeutendsten Lyriker des 20. Jahrhunderts. Er überlebte den Holocaust, verlor jedoch seine Eltern in einem Vernichtungslager. Im Herzen des Antisemitismus, so sein eingebranntes Bild, gärt „Schwarze Milch“.

Zu den abscheulichsten Darstellungen im Museum des menschlichen Abgrunds in Yad Vashem gehören die Berge von Gebrauchsgegenständen, wie Brillen oder Schuhe. Sie sind Zeugen extremer Verletzungen von Menschenwürde. Es ist bekannt, dass den Nationalsozialisten auch der Gedanke nachhaltiger Wiederverwertbarkeit menschlichen Materials nicht fremd war. Jüdische Haare waren in ihren hässlichen Augen nichts für die Öfen, denn man konnte aus ihnen Garn, Stoffe, Filz und sogar Füllmaterial für Matratzen und Socken herstellen. Auch andere Gebrauchsgegenstände wurden aus „Judenmaterial“ hergestellt, wie Lampenschirme aus gegerbter Menschenhaut. Jüdische Körper wurde sozusagen – wie heute Müll – getrennt und wiederverwertet, soweit sich das machen ließ.

Was man freilich nicht ahnen konnte, war die Tatsache, dass knappe 100 Jahre später gegenständliche Zeugen des wahnhaften Verbrechens den Weg in eine Auktion finden könnten, um dem Meistbietenden den Genuss der Teilhabe an Geschichte ganz real, sozusagen aus dem Sessel der Gemütlichkeit heraus, erleben zu lassen. Nicht nur theoretisch.

Die Youtuberin Sarah Maria Sander berichtet in ihrem höchst sehenswerten Video von einem Auktionshaus, das Holocaust-Dokumente versteigern wollte.

Es ging bei der Versteigerung, so Frau Sander, nicht um „neutrale Zeitobjekte“, sondern um Persönliches: Briefe aus Konzentrationslagern, Karteikarten, KZ-Pässe oder Davidsterne, die von Juden getragen wurden. Diese materiellen Zeugen waren katalogisiert und auch – wie etwa heute beim Verkauf gebrauchter Smartphones – bewertet, ob sie etwa „leichte Gebrauchsspuren“ aufwiesen. Die Gegenstände wurden von Mitarbeitern des Auktionshauses wie Second-Hand-Objekte untersucht und nach ihrem äußeren Zustand beurteilt und kategorisiert. Ein Widerstand der Angestellten bei der Durchsicht und Fertigstellung dieser Gegenstände, so erfahren wir, habe sich nicht gezeigt. Der Versuch, die Auktion nach einem vor Jahren ersten, erfolglosen Anlauf, erneut zu starten, wurde jetzt nur durch den Widerspruch u.a. des Auschwitz-Komittees sowie des polnischen Außenministers abgebrochen. Auskunft über den Verbleib von mehr als 600 zu versteigernden Gegenständen erteilte das Auktionshaus bisher nicht.

Sarkastische Ironie des Schicksals: Das Auktionshaus verdankt historisch seinen geschäftlichen Erfolg einem außer Landes gejagten Juden.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So lesen und hören wir in Sonntagsreden und Gedenkfeiern. Eine bequeme Sache: Abstrakte Formeln sind nicht angreifbar, weil sie ohne Bezug auf realpolitische Wirklichkeit daherkommen. Auktionen wie diese – ob nur geplant, abgehalten oder abgesagt – zeigen jedoch eine innere, moralische Verkommenheit des Gemeinwesens, das offensichtlich eine verkümmerte Vorstellung von Würde hat.

Warum sollten die Juden-ins-Gas-Schreihälse auf den Straßen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Abstumpfung und Desorientierung – auch unter den „Anständigen“ – um sich wahrnehmen?

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PP-Redaktion
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