Freitag, 22. August 2025

Der Dampfplauderer: Friedrich Merz und die deutsche Großmannssucht

In der Fähigkeit, Deutschland durch ungeschicktes und selbstgefälliges Auftreten weltpolitisch zu isolieren, übertrifft Friedrich Merz nicht nur Annalena Baerbock; es zeigen sich auch beunruhigende Ähnlichkeiten mit Kaiser Wilhelm II. Gastbeitrag von Frank Steinkron.

Während der amerikanischen Präsidentschaftswahlen hatte Friedrich Merz mehrfach betont, man müsse Trump, sollte er wiedergewählt werden, „mit aufrechtem Gang und Klarheit begegnen“ und die eigenen Interessen selbstbewusst vertreten; die bisherige außenpolitische Strategie Deutschlands gegenüber den USA sei zu defensiv.

Dass Merz seine Vorsätze wahrzumachen gedenkt, hat er dieser Tage in Washington bewiesen. Bereits in der ersten Gesprächsrunde stellte er in aller „Klarheit“ die zwischen Trump und Putin getroffene Entscheidung, für Friedensverhandlungen bedürfe es keines vorangehenden Waffenstillstands, in Frage. Obwohl Trump umgehend mit guten Argumenten widersprach, wiederholte Merz seine Forderung später hartnäckig vor der Presse. Natürlich hielt dies die Systemmedien nicht davon ab, Merz zum mutigem Wortführer Europas zu stilisieren, der dem eigensinnigen Trump die Stirn geboten habe. (Foto: Selbst Söder holte zu einer Laudatio aus, die nicht Wenige als ironischen Kommentar deuteten).

Störfaktor im Friedensprozess

In Wahrheit war dieser Auftritt jedoch ein grober Fehltritt. Merz agierte nicht nur ungeschickt, weil er im Alleingang vorpreschte; er unterlief auch Trumps kluge Strategie. Der amerikanische Präsident hat verstanden, warum ein Waffenstillstand für Putin nicht in Frage kommt: Die Russen führen einen Abnutzungskrieg, eine längere Feuerpause gäbe den ukrainischen Truppen die Möglichkeit, neue Kräfte zu mobilisieren und sich von Europa aufrüsten zu lassen – so wie dies schon 2014 nach dem ersten Minsker Abkommen geschah.

Ein solches Vorgehen entspräche freilich den Wünschen der heutigen Berliner Politschickeria, die noch immer davon träumt, Russland in die Knie zu zwingen und durch Aufrüstung die darniederliegende Wirtschaft ankurbeln. Angesichts dieses Wahnwitzes ist es nur zu verständlich, dass die USA die Forderungen von Merz als kontraproduktiv, ja gefährlich einschätzen – ganz zu schweigen von Russland, wo man Merz ohnehin für einen unverbesserlichen Bellizisten hält.

Die Selbstisolation Deutschlands – ein nationaler Charakterzug?

Es ist sogar denkbar, dass die anderen europäischen Kriegstreiber, allen voran Macron und Starmer, sich aus Opportunitätsgründen irgendwann Meloni anschließen und die Seiten wechseln.

Dann wäre Deutschland diplomatisch isoliert – übrigens nicht zum ersten Mal. Während das Deutsche Reich unter der Kanzlerschaft Bismarcks weltweit ein ähnlich hohes Ansehen genoss wie die spätere Bundesrepublik unter Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl, geriet es unter der Regierung Kaiser Wilhelms II. (1888-1918) ins internationale Abseits: durch seine großspurige Kriegsrhetorik (damals nannte man es Säbelrasseln), die eigentlich der Friedenssicherung dienen sollte (si vis pacem, para bellum), durch moralisierende Überheblichkeit („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“), durch die fatale Niebelungentreue zu einem im Niedergang befindlichen Bündnispartner (Österreich-Ungarn), der Deutschland in den Ersten Weltkrieg hineinzog, und schließlich durch den Irrglauben, einen militärisch überlegenen Gegner bezwingen zu können.

Die Koalition der Willigen und die Gefahr aus dem Osten

Natürlich ist Merz nicht Wilhelm II. Eine Hunnenrede ist vom deutschen Kanzler nicht zu erwarten. Und doch gibt es persönliche Übereinstimmungen. Wie Wilhelm II. ist Merz von einem Geltungsdrang getrieben, der frühere Demütigungen kompensieren soll. Wie der letzte deutsche Kaiser überspielt er seine Unsicherheit durch belehrende Großspurigkeit, ist in seinen Entscheidungen aber wankelmütig und unzuverlässig. Wie Wilhelm ist er ein Dampfplauderer, der die Mechanismen der Machtpolitik nicht kennt und sich außerstande zeigt, vorausschauend und pragmatisch zu agieren.

Und noch eine weitere Gemeinsamkeit gibt es: den Wunsch, Europa im Kampf gegen eine fiktive Bedrohung aus dem Osten zu einen. 1895 fertigte Professor Hermann Knackfuß nach Entwürfen Seiner Majestät eine allegorische Zeichnung an (siehe Vorschaubild). Der Erzengel Michael, Kämpfer gegen die Dämonen und Patron der Deutschen, ruft die Personifikationen Deutschlands, Frankreichs, Österreichs-Ungarns, Italiens, Großbritanniens und anderer europäischer Staaten dazu auf, sich gemeinsam gegen eine von Osten heraufziehende Gefahr zu wappnen. „Völker Europas, wahret eure heiligsten Güter“, schrieb Wilhelm II. eigenhändig auf dieses Bild.

Auch heute malt eine „Koalition der Willigen“ unter führender Mitwirkung von Merz das Szenario einer Gefahr aus dem Osten an die Wand, wobei Putin auf ähnliche Weise zum Dämon stilisiert wird wie die lodernde Buddha-Figur in der Zeichnung von Knackfuß. Die Figuren wechseln, die Strategien der Verängstigung bleiben dieselben.

Eine „historische Fehlbesetzung“

Als „the most brilliant failure in history”, als die “glänzendste Fehlbesetzung der Geschichte“ soll Winston Churchill den letzten deutschen Kaiser bezeichnet haben.

Auch Merz erweist sich als eine Fehlbesetzung, allerdings ohne jene Brillanz, die Wilhelm II. zumindest auf dem Gebiet der öffentlichen Selbstdarstellung an den Tag zu legen wusste. Da mag die zwangsgebührenfinanzierte Hofberichterstattung von ARD und ZDF dem Kanzler noch so beflissen bescheinigen, er habe in Washington „diplomatisch geglänzt“.

Im Guten wie im Schlechten war Wilhelms drei Jahrzehnte währende Herrschaft so prägend, dass der Begriff „Wilhelminismus“ zur Bezeichnung einer ganze Epoche wurde. Möge ein solch zweifelhafter Ruhm unserem glanzlosen Kanzler nicht beschieden sein!

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PP-Redaktion
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