Gefährdet ein AfD-Landrat oder die Thüringer Landesregierung die Demokratie? Gastbeitrag von Frank W. Haubold
Nachdem die Wähler im Landkreis Sonneberg die Unverfrorenheit besessen haben, ein Mitglied der Schwefelpartei mit absoluter Mehrheit zum Landrat zu wählen, stehen die Republik und vor allem der von einer linken Minderheitsregierung gelenkte Freistaat Thüringen Kopf. Anders als im Fall Kemmerich blieb diesmal eine direkte Einmischung des Kanzleramtes aus und Herr Lindner von der FDP hatte auch keinen Parteifreund vor Ort, dem er in den Rücken fallen könnte. Also beschränkten sich die einschlägig Verdächtigen von Lauterbach bis Böhmermann zunächst darauf, Gift und Galle zu spucken und die unbotmäßigen Wähler wahlweise als undankbare Trottel, Rassisten, Demokratiefeinde und natürlich Nazis zu beschimpfen.
„Gesichert rechtsextreme Bestrebungen“
Doch dann hatte man in Erfurt, wo man ohnehin ein äußerst flexibles Verhältnis zu den rechtsstaatlichen Relikten der alten Bundesrepublik pflegt (wie zum Beispiel der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit) die zündende Idee. Das Landesverwaltungsamt soll es jetzt richten und dem gewählten AfD-Mann nach Möglichkeit die Amtseignung auf Grund fehlender persönlicher Grundgesetz- und Verfassungstreue entziehen. Über letztere ist zwar nichts bekannt, aber da der Thüringer AfD vom Thüringer Verfassungsschutz „gesichert rechtsextreme“ Bestrebungen unterstellt werden, muss das natürlich auf den bislang unbescholtenen Herr Sesselmann zutreffen. Juristisch ist ein solcher Schritt der Überprüfung zwar möglich, aber mehr als ungewöhnlich, zumal alle Kandidaten vor der Wahl vom örtlichen Wahlausschuss überprüft werden müssen. Das ist auch in Sonneberg so geschehen und offensichtlich gab es keinerlei Beanstandungen.
Im politmedialen Raum reibt man sich schon in Vorfreude die Hände, denn irgendwie muss es doch zu schaffen sein, den renitenten ostdeutschen Wählern ein Schnäppchen zu schlagen. Bekanntlich wissen die demokratiefeindlichen Ossis ohnehin nicht, was sie tun, und brauchen jemanden, der sie vor sich selbst schützt. Angesichts dieses Klimas ist es dem CDU-Kreisverband Sonneberg hoch anzurechnen, dass er sich auf seiner Facebookseite öffentlich von diesen Machenschaften distanzierte: „Auch wenn wir uns ein anderes Ergebnis gewünscht hätten, war es eine demokratische Wahl, dessen Ergebnis wir akzeptieren müssen. Jeder Kandidat für ein politisches Amt wird bei Einreichung seiner Unterlagen auf die Wählbarkeit überprüft, dies ist auch in Sonneberg geschehen. Deswegen jetzt im Nachhinein Zweifel geltend zu machen, würde der Demokratie schaden und den ohnehin hohen Frust in der Bevölkerung erhöhen. Wir haben dafür kein Verständnis.“
Ehemaliges SED-Mitglied
Die Thüringer Landesregierung wird das jedoch nicht aufhalten, zumal der Präsident des beauftragten Landesverwaltungsamtes der Regierung noch einen (oder mehrere) Gefallen schuldet. 1990 war das ehemalige SED-Mitglied zum Neuen Forum und dann zu SPD gewechselt. Schließlich wurde Frank Roßner, nachdem er bei der Landtagswahl 2014 als Direktkandidat der SPD gescheitert war, ohne vorherige Ausschreibung zum Präsidenten ernannt, was sogar den Thüringer Landesrechnungshof auf den Plan rief.
Der unkonventionelle Umgang mit Rechtsvorschriften hat bei der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung allerdings Tradition, die schon 2015 einen gewissen Stephan Kramer zum Verfassungsschutzpräsidenten ernannten, obwohl er die gesetzlich erforderliche volljuristische Ausbildung nicht einmal ansatzweise besaß. Dafür ist der umtriebige Multifunktionär, der nach der CDU und der FDP nun die SPD mit seiner Mitgliedschaft bereichert, jedoch Mitglied des Stiftungsrates in der linkslastigen Antonio-Amadeu-Stiftung, die bis 2022 von einer ehemaligen Stasizuträgerin geleitet wurde (!).
Linksextreme Brandstifter
Dass besagte Stiftung nicht nur einen linksextremen Brandstifter auf Honorarbasis beschäftigte, sondern auch ein gewisse Julia Schramm, die die Bombenopfer von Dresden mit dem launigen Tweet „Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei“ verhöhnte, zeigt klar deren ideologische Ausrichtung, wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf die offensichtlich fehlende politische Unabhängigkeit des Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten. Aus Sicht der SED-Nachfolgepartei ist dergleichen natürlich kein Problem, sondern eine Empfehlung, wenn alte und neue Tschekisten Seite an Seite den Klassenfeind bekämpfen.
In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die Frage auf, inwieweit die Einstufung der AfD im Verfassungsschutzbericht 2021 als „gesichert rechtsextrem“ tatsächlich auf Fakten und nicht auf den Wünschen und Vorgaben von Herrn Kramer und seinen Auftraggebern beruht. Je nach Auftrag hat eine ermittelnde Behörde durchaus einen gewissen Spielraum bei der Bewertung von Sachverhalten, zum Beispiel indem entlastendes Material entweder berücksichtigt oder ignoriert wird. Die öffentlichen Äußerungen von Herrn Kramer (siehe Zitat weiter unten) sprechen nach meinem Eindruck für letztgenannte Vermutung. Nach Medienberichten plant die AfD deshalb eine Klage gegen besagte Einstufung, deren Erfolgsaussichten zumindest im Freistaat selbst wohl eher gering sein dürften.
„Brauner Bodensatz“
Sogar die AfD-ferne „Neue Zürcher Zeitung“ bezweifelt die Unabhängigkeit der an der Aktion beteiligten Personen und Behörden: „Wie neutral und frei von parteipolitischen Motiven agieren diese drei Herren? Die Frage drängt sich auf, zumal der Verfassungsschutzpräsident aus seinen Gefühlen nicht nur der AfD, sondern auch deren Wählern gegenüber kein Hehl macht: «Wir sind bei ungefähr 20 Prozent braunem Bodensatz in der Bundesrepublik», sagte er nach der Wahl von Sonneberg.“
Und auch dem Fazit ist kaum etwas hinzufügen: „Schaut man sich den Stand der öffentlichen Auseinandersetzung in Deutschland an – von Tiervergleichen und wüsten Beschimpfungen bis hin zu Boykottaufrufen gegen den Kreis Sonneberg seitens führender Mitarbeiter des öffentlichrechtlichen Rundfunks –, dann wird sich die AfD noch über weitere Geschenke von vielen nützlichen Idioten freuen können.“
Thüringen hat ein Demokratieproblem
Allerdings würde ich noch einen Schritt weitergehen: In einem funktionierenden Rechtsstaat mit freien Medien und unabhängiger Justiz wären Verhältnisse wie in Thüringen und ein Verfassungsschutzpräsident wie Stephan Kramer, dessen obige Äußerung durchaus nicht die erste verbale Entgleisung war, undenkbar. Da wird ein rechtmäßig gewählter Ministerpräsident aus dem Amt gemobbt, werden Behördenämter entgegen den Vergaberegeln nach Gesinnung und Parteibuch besetzt und kritische Richter mit Hausdurchsuchungen schikaniert. Und nun versucht man erneut, mit Winkelzügen das Ergebnis einer demokratischen Wahl ungültig zu machen. Ja, Thüringen hat wie das ganze Land ein Demokratieproblem, aber das hat nichts mit der Landratswahl in Sonneberg oder dem siegreichen Kandidaten zu tun…
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