Sonntag, 28. April 2024

Wokefußball: Deutschland, was hast du dir verändert

Die DFB-Elf, die vor allem durch die Diskussionen rund um politische Korrektheit von sich reden machte, ist gestern zum zweiten Mal nacheinander bei einer WM nach der Vorrunde ausgeschieden. Eine Nachbetrachtung zur Fußballweltmeisterschaft von Erik Kothny

Es war der 4. Juli 1954. Ich war Schüler der Klostergymnasiums Admont in Österreich. Es war das Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft in Bern. Ich hatte mir für dieses Ereignis extra einen Detektor gebaut:

Für ein paar Schillinge war das Zubehör in einem Elektroladen zu haben. Der Bau für einen 14-Jährigen kein Problem. In einer Seifendose hatte ich eine Spule, einen Drehkondensator, eine Kristall-Diode montiert und mit vier Buchsen verlötet; eine für den Bananenstecker der Antenne, eine für die Erde und zwei für den Kopfhörer.

Als am besagten 4.Juli 1954 um 17 Uhr in Bern der englische Schiedsrichter William Ling das Endspiel Deutschland gegen Ungarn anpfiff, hatte ich bereits die Erde an einer Dachrinne angeschlossen und einen Draht heimlich um die Langdrahtantenne von Pater Odilo gewickelt. Der Prior hatte seine Wohnung direkt unter unserem Schlafzimmer.

Um 17 Uhr war Studienzeit. Da konnte man sich aber aus dem Studiersaal abmelden, um auf dem langen Flur laut Vokabeln zu lernen. Doch statt zu lernen huschte ich ins Schlafzimmer, versteckte mich unter dem Bett und zog die Kopfhörer über: Rauschen. Die Kristall-Diode musste sich verstellt haben. Es brauchte einige Zeit, um an der Diode rumzufummeln, bis endlich die Fetzen einer Reporter-Stimme zu hören waren. Wäre ich nicht auf dem Fußboden gelegen, mir wäre das Herz in die Hose gerutscht: Das 0:1 für Ungarn war bereits gefallen als ich noch mit der Nadel auf der Suche nach Empfang, an verschiedene Regionen des Kristalls herumstocherte.

Gerade mal 8 Minuten gespielt

Und der zweiter Schock wurde sofort nachgeliefert: 0:2 für Ungarn. Und es waren gerade mal 8 Minuten gespielt. Zwei Minuten später die Erleichterung: Deutschland verkürzte auf 1:2. Vor Freund wäre bald was in die Hosen gegangen. Halbzeitpause. Klo.

18 Uhr: Abendessenzeit: Es stand inzwischen 2:2. Bomber Rahn hatte in der 18. Minute ausgeglichen. Doch die Ungarn waren dem Siegtreffer näher als die Deutschen: Hidegkuti traf den Pfosten, Kocsis die Querlatte, Kohlmeyer rettete auf der Linie, und der deutsche Torhüter Toni Turek wuchs mit seinen Paraden über sich hinaus. Ich fieberte mit der Deutschen Mannschaft.

Es war 6 Minuten vor Schluss, als Bomber Rahn – endlich, endlich – einen zu kurzgeratenen ungarischen Abwehrschlag kurz vor der Mittellinie aufnahm, abzog und den Ungarischen Torwart Gyula Grosics zur 3:2 Führung überraschte. Dann blieb mir das Herz fast stehen. Ungarn glich aus. Doch Ferenc Puskas stand im Abseits. Minuten später wurde ich Zeuge der legendären Worte von Radioreporter Herbert Zimmermann; „Aus. Aus. Aus. Aus. Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!“

Zum Abendgebet war ich wieder bei den anderen, die von diesem Ergebnis nichts wussten. Es waren ja auch Österreicher, denen die Weltmeisterschaft in Bern sonst wo vorbeiging. Ich aber war überglücklich und dankte Gott für die wunderbare Fügung, das „Wunder von Bern“ ermöglicht zu haben.

Dass die Deutschen bei der Siegerehrung „Deutschland, Deutschland, über alles“ sangen, sollte ich erst Jahre später erfahren. Es hätte mich damals aber auch nicht gestört. Ich war stolz, Deutscher zu sein.

Und heute?

Statt sich auf Fußball zu konzentrieren, sehen es deutsche Spieler als primäre Aufgabe an, „Zeichen zu setzen“ – sei es im Vorfeld, durch Kniefälle für „Black lives Matter“, oder bei der WM selbst, durch Bekenntnisse zur Vielgeschlechtlichkeit, Diversität und Toleranz. Alle, ohne Ausnahme. Das Ergebnis kennen wir: Raus nach der Vorrunde. Wie schon vier Jahre zuvor, als „Die Mannschaft“ den Text der Nationalhymne bestenfalls mitsummte, wenn überhaupt. Ich hatte damals meinem Tischnachbarn im Restaurant „Bramburi“ gesagt:

„Wenn die so spielen, wie sie singen, gewinnen die Mexikaner“. Und so war es dann auch. Sie spielten, wie sie sangen. Stolz und voller Inbrunst. Und heute ertappe ich mich dabei, dass ich die Arme hochreiße und einen Jubelschrei ausstoße, wenn Costa Rica gegen Deutschland in Führung geht. Und ich frage mich: „Habe ich mir verändert, oder hat sich Deutschland verändert?“

.@georgrestle und die üblichen Verdächtigen bei TAZ und ZEIT, bemühen sich nun zu betonen, dass die Debatte um Menschenrechte nichts mit dem deutschen Ausscheiden zu tun hat – und wer das behauptet sei natürlich doof.

Erste Reaktionen aus dem Ausland:pic.twitter.com/uUBb1nYThC

— henning rosenbusch (@rosenbusch_) December 2, 2022

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PP-Redaktion
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