Mittwoch, 18. Dezember 2024

Die Toleranz stirbt durch jene, die Toleranz einseitig verordnen und durch Doppelmoral ersetzen

In der gesamten queeren Debatte herrscht eine unerträgliche Doppelmoral. Einerseits fordern Linksgrüne zum Schutz vor Queerfeindlichkeit Denunziationsplattformen und drakonische Strafen, andererseits werden jene Gruppen in einen Schonraum gepackt, die zu einem erddrückenden Maß an homophoben Attacken bis hin zum Mord beteiligt sind. Der Frankfurter Fall steht exemplarisch für viele. Ein Gastbeitrag von Klaus Lelek.

Ich habe noch das brüllende Gelächter der Belegschaft im Ohr, als ein schwuler Mitarbeiter des Louvre 1983 laut in der Kantine des ehrwürdigen Pariser Museums rief: „Ja, da staunt ihr, wir schlafen alle zusammen!“ Auch der Technische Leiter einer kleinen Tageszeitung machte aus seiner sexuellen Orientierung keinen Hehl und sparte gegenüber jungen Volontären nicht mit derben Anspielungen, ohne dass er damit eine #MeToo-Debatte auslöste. Unvergesslich der filmreife Auftritt eines Wiesbadener Originals in den 70zigern, der in Frauen-outfit und Perücke regelmäßig Opernarien in Szenekneipen zum Besten gab und einer Handvoll Rockern, die sich bedrohlich vor seiner Stammkneipe versammelt hatten, nassforsch zurief: „Ach ihr starken Jungs, wie wäre es denn mal mit einer Spritztour hoppe Reiter ins Feld.“ Da mussten selbst die bösen Jungs lachen und sind ohne Klopperei wieder abgezogen. Über Toleranz wurde in den 80ziger und 90ziger Jahren wenig geredet, noch weniger wurde sie verordnet. Sie wurde praktiziert.

Vergiftete Genderdebatten

All diese heiteren Anekdoten, die ich als zweifacher Apo-Opa hier zum Besten gebe, kommen mir heute angesichts vergifteter Genderdebatten wie ein Märchen vor. Ein Märchen von einer tatsächlich toleranten vielfältigen bunten Gesellschaft in der jeder, wie der Alte Fritz sagen würde, nach seiner Fasson selig werden konnte. Ein anderes Wiesbadener Original verkündete lautstark in einer ultralinken Szenekneipe alle Kommunisten an Laternenpfählen aufzuhängen, ein dritter hielt sich für den Gotenkönig Theoderich, wieder ein anderer suchte als Bettelmönch für Freibier und „Reinkarnation Krischnas“ nach Jüngern.  Jeder hatte seine Nische, konnte sagen, was er wollte – erst recht im Suff – musste allerdings auch Widerworte, Diskussionen Hohn, Häme und Spott ertragen. Ende der Märchenstunde. Zurück in die Meinungsdiktatur der Post-Merkel-Ära.

Heute landet ein bislang unbescholtener schon vor dem Kadi, wenn er jemand öffentlich als „krank“ bezeichnet, wie ein Demonstrant 2019 nach einer Mahnwache für die ermordete Susanna in Wiesbaden schmerzvoll erfahren hat. Sogar eine Beleidigung oder Verächtlichmachung, die nur zwischen den Zeilen angedeutet wird, kann von spitzfindigen sophistisch ausgerichteten Staatsanwälten über den Umweg von „Musterurteilen“ einem Beschuldigten zur Last gelegt werden. Rechtsstaat wie ein Kafka-Roman. Selbst dem Focus-Herausgeber Helmut Markwort wird es langsam unwohl zu mute, wenn die grüne Familienministerin von NRW Josefine Paul die Bürger dazu auffordert auf einer Denunziationsplattform Leute zu melden, die sich öffentlich oder privat „rassistisch und queerfeindlich“ äußern oder verhalten.

Neue Form der Inquisition

Wer nun glaubt, durch diese neue Form inquisitorischer Verfolgung unliebsamer Meinungsäußerungen zu allen möglichen Themen – unter anderem sexuelle Ausrichtung und Orientierung – die Gesellschaft toleranter, offener oder gar geschlossener agiert, wird eines besseren belehrt. Die gewaltsamen Übergriffe auf die queere Szene mit der abenteuerlichen Abkürzung LSBTIQ hat in erschreckendem Maße zugenommen. Auch in Frankfurt wurde eine stadtbekannte Transsexuelle mitten in der Fußgängerzone zwei Mal Opfer eines prügelnden homophoben Mobs. Die Taten ereignete sich im November 2020 während eines Youtuber-Treffens und gingen sogar viral. Wie man den Zeitungsberichten entnehmen kann, kam es bei dem Vorfall zu einem auffälligen „Verdächtigen-Schwund“. Ähnlich wie in der berüchtigten Silvesternacht von Köln. Zunächst wurde die Transperson von einer Gruppe von 150 Personen heraus beleidigt, schließlich von zehn attackiert; am Ende wurde jedoch nur gegen drei Personen Anklage erhoben.

Noch mehr Fragen werfen die Presseberichte auf. Die FR schreibt von „Queerfeindlichen Schlägern“ beschwert sich darüber, dass die Polizei sich zunächst über die Hintergründe ausschweigt, hält sich aber selbst bei der Beschreibung der Täter auffallend bedeckt. Natürlich gibt es heute aus „Datenschutzgründen“ keine Videoaufnahmen von den Attacken in den sozialen Netzwerken mehr, aber jeder der vor Ort war, oder in einem kleinen Zeitfenster Videoaufzeichnungen sah, konnten genau erkennen aus welchem Umfeld die Täter kamen. 147 Personen des mutmaßlich gezielt organsierten Menschenauflaufs – der z.B. im Fall einer unangemeldeten Coronademo zu sofortiger Strafverfolgung ALLER BETEILIGTEN geführt hätte – wurden juristisch nicht belangt. Nicht einmal für eine Teilnahme an einer nicht angemeldeten „Demonstration“, die genau genommen eine Menschenjagt war.

Was die beinah gleichlautenden, sprich gleichgeschalteten Frankfurter Medien verschweigen, nennt das Onlinemagazin „maenner.media“ beim Namen und stellt fest, dass in der migrantischen Bevölkerung seit Jahren eine zunehmende Homophobie beobachtet werden kann. Dazu gehört nach umfangreichen Recherchen Beleidigungen und Beschimpfungen ebenso dazu wie „die Anwendung von Gewalt bis hin zu regelrechten Hetzjagden auf queere Menschen.“ Pikant, dass ausgerechnet die „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ 2017 festgestellt hat, dass der Anteil der homophoben Einstellung bei Menschen mit Migrationshintergrund doppelt so hoch ist, wie bei der übrigen Bevölkerung.

Fazit: In der gesamten Queeren Debatte herrscht eine unerträgliche Doppelmoral. Einerseits fordern Linksgrüne zum Schutz vor Queerfeindlichkeit Denunziationsplattformen und drakonische Strafen, andererseits werden jene Gruppen in einen Schonraum gepackt, die zu einem erddrückenden Maß an homophoben Attacken bis hin zum Mord beteiligt sind. Der Frankfurter Fall steht exemplarisch für viele. Da nützt es nichts, wenn ein queerer Autor auf der Buchmesse sich als“ Zeichen gegen „Hass“ die Haare abschneidet. Es deutet eher auf eine Bildungslücke und einen begrenzten Geschichtshorizont hin. In der Antike und im Orient, leider auch im westlichen Mittelalter wurden Sklaven und rechtlosen Knechten, so genannte „Unfreie“ die Haare geschoren. Das Scheren der Haare ist ein Zeichen der Erniedrigung und UNTERWERFUNG. Genau so wird jene Geste von denen, die den Hass praktizieren und weltanschaulich verankern, auch verstanden.

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