Die „Qual der Wahl“ im teuersten Gourmet Tempel der Republik – Ein Blick auf die Speisekarte von Klaus Lelek
Lieber Leser, stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie wollen mit ihrer Frau, Partner usw., mal wieder chic Essen gehen. So richtig kultiviert. Sechs-Gänge Menü bei Kerzenschein. Da gibt es ein prächtiges Restaurant in der Stadt, riesengroß und vor allem richtig teuer. Was solls, denken Sie. Alle vier, fünf Jahre kann man da ruhig hingehen. Mal so richtig abfeiern nach der langen Corona-Pause. Nach dem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts. Drinnen geht es nobel zu. Kellner im schwarzen Livre umschwirren die Gäste. Roter Teppich in der Eingangshalle. Saftiges nachhaltiges Grün quillt üppig aus riesigen Pflanzkübeln. Zitronengelbe Tischdecken sorgen für mediterranes Flair. Eine echte Oase, bunt und vielfältig, so wie das sechsfarbige Restaurantembleme, dass schon von weitem den Weg weist.
Schwarzwurzeln, rote Rüben und Salat
Sie und ihr Schatz nehmen im Außenbereich des edlen Gourmet-Tempels Platz und lesen voller Erwartung die Speisekarte. Zum großen Erstaunen stellen sie fest: Es gibt zwar eine Menge Gerichte – Weit mehr als zehn – aber die meisten bestehen immer aus den gleichen Komponenten, die nur unterschiedlich gemischt werden. Da gibt es zum Beispiel: Schwarzwurzeln, mit roten Rüben und dazu einen grünen Salat. Eine ähnliche Variante: Schwarzwurzeln, Rote Rüben, Zitronensorbet. Oder einfach nur: Schwarzwurzeln mit grünem Salat. Zu eintönig? Dann nehmen Sie doch: Grünen Salat mit Schwarzwurzeln, oder Rote Rüben und Schwarzwurzeln. Rote Rüben gibt es dann noch in den Varianten – Rote Rüben, grüner Salat, Rote Grütze – Rote Rüben, Grüner Salat, Zitronensorbet – Rote Rüben, grüner Salat – Rote Rüben, rote Grütze – und als Variante: Rote Grütze, rote Rüben mit grünem Salat. Und wer will kann auch rote Rüben ohne Beilagen essen. Oder alles zusammengekocht als „Veganer Eintopf“
Sie sind von dieser vielfältigen bunt aufgemachten Speisekarte nicht begeistert. Sie wollen was anderes essen? Eine Forelle blau oder was Herzhaftes aus Mutters Küche? Gar ein Spanferkel?
Eine Gefahr für die gesamte Gastronomie
Ein wenig verärgert stehen Sie auf, dringen bis zur Küche vor. Wollen mit dem Chef des Hauses über die Monotonie des woken Breis diskutieren. An den Stufen zur Küche stellen sich Ihnen ein paar muskulöse Männer in den Weg. Das sind keine Köche. Die gehören zum Secret-Service des Hauses. Die sagen Ihnen, an den Gerichten darf nichts geändert werden. Wer das macht, ist ein Kulturbanause, ein Restaurantfeind, eine Gefahr für die gesamte Gastronomie, renitent und gemeingefährlich. Das Einzige, was die Küche tun kann, ist nachwürzen. Und zwar mit Pfeffer. Das ist eine Spezialität des Hauses. Reiner schwarzer Pfeffer, feingemahlen, verpackt in kleinen Dosen, die noch dazu unter Druck stehen. Ehe Sie sich versehen, bekommen sie eine Kostprobe des edlen Gewürzes mit Hochdruck mitten ins Gesicht geblasen. Da quellen Ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Augen über. Sie können zwar nichts mehr sehen, aber mit ihrem inneren Auge sehen Sie sonnenklar und kommen zu dem Entschluss: Nie wieder dieses Restaurant betreten. Nie wieder. Die Entscheidung wird Ihnen ohnehin abgenommen. Sie haben Hausverbot. Leute wie Sie will man hier nicht mehr sehen. Das Restaurant hat ohnehin ein anderes Publikum im Sinn. Gäste mit vollkommen anderen Ess- und Lebensgewohnheiten. Die dürfen sogar umsonst essen. So großzügig und freigiebig ist der Chef des Hauses.
Zum Abschied gibt es noch ein Gratisgeschenk. Ein Erfrischungsgetränk. Mindestens 50 Liter auf einen Schlag. Dargereicht mit 20 bar. Reines Wasser. Natürlich in Trinkwasserqualität. Da geht auch der Pfeffergeschmack weg. Und die Äuglein sehen auch wieder klar. Wer sagt denn, dass der Inhaber des edlen Restaurants kein Menschenfreund ist.