Donnerstag, 25. April 2024

Peter Handke: Eine Hassfigur der Linken wird 80

Während der Corona-Ausgangssperre wurde der betagte immer noch gegen den Strom schwimmende Schriftsteller von der französischen Polizei außerhalb seines Hauses, ja sogar außerhalb seines Departements aufgegriffen und zu einer Strafe von 135 Euro verdonnert. Sein Kommentar laut NZZ: „Da hab ich mir gedacht: Scheiss drauf.“ Ein Gastbeitrag von Klaus Lelek.

Peter Handke, später Literatur-Nobelpreisträger und wegen seinen Sympathien für das orthodoxe Serbien angefeindete Schriftsteller wurde am 6. Dezember 1942 als Kind einer Slowenien stämmigen Mutter und eines deutschen Wehrmachtsoffiziers in Griffen/Kärnten geboren. Mit dem Roman „Die Hornissen“ früh zu literarischem Ruhm gelangt, mischte er bereits 1966 als Enfant terrible auf einer Tagung der Gruppe 47 in den USA die alte Garde der links intellektuellen Nachkriegsschreiber – allen voran Günter Grass – tüchtig auf und warf den etablierten Herren „Beschreibungsimpotenz“ vor. Ein Vorwurf den Handke später im Fall des RAF-Verstehers Heinrich Böll präzisierte. Startschuss für eine Schriftsteller-Kariere, die abseits der salonkommunistischen Hofschreiberzunft, schubladenfrei und vor allem ideologiefrei bis heute funktioniert.

2019 ging eine Welle der Entrüstung fast durch die gesamte Riege der Feuilletonisten. Während das linke Bildungsbürgertum mit Böll kein Problem hatte, der in seinem Werk „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ und weiteren Essais zum Thema RAF eine zumindest versteckte Sympathie für das terroristische Umfeld erkennen ließ, und die antisemitischen Plattitüden des SS-Mannes Grass 2012 mit Alterssenilität entschuldigte, bekam Peter Handke nach der Verleihung des Nobelpreises den gesamten Zorn des gleichgeschalteten Kultur- und Pressebetriebes zu spüren. Einer dieser Protagonisten, der Publizist Dr. Richard Herzinger, sieht in Handke sogar einen „Pionier der Autokraten-Versteher“. Ein Wort, dass in abgewandelter Form inzwischen all jene zu hören bekommen, die im Ukrainekrieg einseitige Sichtweisen kritisieren.

„Ein Apologet von Kriegsverbrechen – Peter Handke als Literaturnobelpreisträger unzumutbar?“ textete der Tagesspiegel und lies Jennifer Egan, Präsidentin des linkslastigen amerikanischen PEN zu Wort kommen, der den bei Paris lebenden weltoffenen Österreicher quasi als Sympathisant von Kriegsverbrechern vorführte, nur weil er an der Beerdigung von Slobodan Miloševi teilgenommen hatte. Dabei sind die Gründe sehr einfach. Handke ist überzeugter Antifaschist. Seine slowenisch-österreichische Familie war während des 2. Weltkrieges mehr oder weniger zwischen die Fronten geraten. Als Freund des alten, inzwischen tödlich angefeindeten und verdammten Jugoslawiens, hatte er nie vergessen, dass 1943/44 unter der Anleitung der Hitlerwehrmacht islamische, bosnische SS-Einheiten, die sogenannten „Handschar“ tausende orthodoxen Serben, darunter viele Priester und Mönche massakrierten. Scharfsinnig hatte er früh erkannt, dass der Balkan, nach der Zerschlagung Jugoslawiens zum Einfallstor radikaler Islamisten werden könnte, die bereits 1992 im Bosnienkrieg als gut trainierte Kämpfer der „muslimanska brigada“ blutig mitmischten. (Wikipedia). Solche, von der gleichgeschalteten Presse größtenteils verschwiegenen Tatsachen, müssen bei Handke regelrechte Déjà-vu-Gefühle ausgelöst haben.

Ein Anwalt für verfolgte christliche Minderheiten

Eigentlich hätte der Tagesspiegel es besser wissen müssen, denn in einem anderen Artikel beschreibt er anschaulich welchen Schikanen die zurückgebliebenen christlichen orthodoxen Minderheiten im muslimischen Kosovo ausgesetzt sind. Welches Martyrium serbische Soldaten erlebten, die von den kosovarischen „Dschihadisten“ der UCK bei lebendigem Leib ausgeweidet wurden. Indirekt sogar mit NATO-Unterstützung. Keine Frage, dass sich Peter Handke ohne Wenn und Aber hinter die serbische orthodoxe Kirche stellte. Ostern 2007 spendete er das Preisgeld des „Berliner Heinrich-Heine-Preises“ der serbischen Enklave Velica Hoca im Kosovo (Spiegel). In seinem Roman „Die morawische Nacht“ hat Peter Handke diesem von albanischem Hass umzingelte Dorf ein literarisches Denkmal gesetzt. Der Autor beschreibt wie serbische Auswanderer in einem gelben Postbus mit kyrillischen Buchstaben, von Steinwurfhagel und bösen Blicken begleitet – eine versteckte Anspielung auf die Intifada? – Richtung Belgrad fahren, vorbei an Militärposten und Kontrollstellen.

Peter Handke gehört zusammen mit Michel Houellebecq zu den wenigen großen Schriftstellern der Gegenwart, die sich offen zum Christentum und abendländischen Kultur bekennen. In einigen Erzählungen besucht der Autor oder seine Romanfigur eine Messe. In Handkes Wahlheimat der Banlieue von Paris sind es meist die Kirchen griechischer, armenischer oder russischer Einwanderer, aber auch seine Verbindung zum Katholizismus und den verehrten Heiligen, wie etwa Theresa von Aquila, ist ungebrochen. In Handkes Seele hat es nie ein Schisma gegeben. Sein Christentum ist geprägt von Scholastik, Humanismus, Tradition und gleichzeitig Weltoffenheit. Auch Muslime wie der „kleinliche Prophet“ in der „Niemandsbucht“, haben darin ihren Platz, wenn sie sich als tolerante Weltbürger erweisen. Handkes Verständnis, ja sogar Liebe für Multikultur ist keine verhüllte feindselige Parallelgesellschaft.

Die Heldin im Mann

Handkes Rollenverständnis der Geschlechter müsste so manchem linksgrünen Querfeministen zu denken geben. Bereits in seinem Frühwerk „Die linkshändige Frau“ stellt er die gängigen Rollenklischees gehörig auf den Kopf. Er beschreibt darin die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die von ihrem Mann verlassen sich als Übersetzerin durchschlagen muss. Unschwer zu erkennen, dass bei der detailreichen Beschreibung des einstigen Wohnortes Kronberg/Taunus, nur Handke selbst gemeint sein kann, der als alleinerziehender Vater – in den 70ziger Jahren eine Pionierleistung – sich liebevoll um seine kleine Tochter kümmerte, während seine Frau als Schauspielerin eigene Wege ging. Eine mutmaßliche Emanze war darüber so erbost, dass sie den Autor Monate lang stalkte und ihn schließlich später in Salzburg sogar auf offener Straße körperlich attackierte, wie Malte Herwig in seiner gelungenen Biografie „Meister der Dämmerung“ anschaulich beschreibt. Handkes zahlreiche weibliche Romanfiguren, die nach genauerem Hinsehen eigentlich Teil seines Ichs sind, konterkarieren die gesamte unsägliche Geschlechter Trans- und Gender Diskussion und münden in der einfachen schon von C. G. Jung definierte Anima-Animus-Formel, dass jeder Mann auch weibliche Anteile besitzt, wie umgekehrt auch Frauen sprichwörtlich ihren Mann stehen können. Der junge Handke wurde 1966 wegen seiner langen Haare, den femininen Gesichtszügen und seinem spärlichen Bartwuchs auf dem Schriftstellerkongress der Gruppe 47 spöttisch „Das Mädchen“ genannt.

Immer noch gegen den Strom

Peter Handke ist mutmaßlich der letzte traditionelle Vertreter des alten bürgerlichen Entwicklungsromans, der wie seine Pionierwerke Goethes „Wilhelm Meister“ und Eichendorffs „Taugenichts“ als eine Wanderung und Reisebeschreibung zugleich eine Reise nach innen ist. Tatsächlich ist Handke alle in seinen Erzählungen beschriebenen Landschaften, Gebirge, Wälder bis hin zu tristen Banlieue- und Industriegebieten komplett abgewandert. Seine Routen in „Die Obstdiebin“ oder „Der Bildverlust“ lassen sich sogar mit Google Maps nachprüfen und bestechen durch brillanten Detailreichtum. Auch im vorgerückten Alter ist der umtriebige Autor und Wanderer zwischen den Welten immer noch gerne zu Fuß unterwegs. Schreiben und Bewegung gehören zusammen. Während der Corona-Ausgangssperre wurde der betagte immer noch gegen den Strom schwimmende Schriftsteller von der französischen Polizei außerhalb seines Hauses, ja sogar außerhalb seines Departements aufgegriffen und zu einer Strafe von 135 Euro verdonnert. Sein Kommentar laut NZZ: „Da hab ich mir gedacht: Scheiß drauf.“

Quellen:

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PP-Redaktion
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