Der „Feindsender“ unseligen Angedenkens feiert fröhliche Auferstehung. Ein Gastbeitrag von Frank W. Haubold
Eines vorweg: Die ist kein Plädoyer für russische Staatspropaganda, wie sie unter anderem von Russia Today verbreitet wird. Regierungsnahe oder gar direkt vom Staat betriebene Medien berichten grundsätzlich einseitig, selbst, wenn sie sich das Mäntelchen der Objektivität umhängen. Nur geschieht das nicht nur in Russland, sondern überall in der Welt, erst recht beim Kriegsgegner Ukraine und – obwohl das offiziell vehement bestritten wird – durchaus auch hierzulande.
Dabei bedient sich die Propaganda weniger der direkten Lüge, derer man ja überführt werden könnte, sondern man beeinflusst den Konsumenten durch das Weglassen politisch unerwünschter Informationen, tendenziöse Kommentare und die Überbetonung von Nachrichten und gelegentlich auch Thesen, die den Regierenden in die Karten spielen.
Propaganda durch gezieltes Verschweigen von Informationen
Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Auf allen Kanälen wird aktuell verbreitet, wie junge russische Männer nach Bekanntwerden der Teilmobilisierung versuchen, sich einer Rekrutierung zu entziehen. Das gleiche geschah und geschieht jedoch in der Ukraine tagtäglich, doch Berichte darüber gibt es nur im Ausnahmefall. Die propagandistische Botschaft lautet: Die Russen werden gezwungen, in den Krieg zu ziehen, die Ukrainer kämpfen aus Überzeugung. Da ukrainische Kriegsdienstverweigerer nicht ins politische Schema passen, werden sie weitgehend ignoriert.
Der mündige Bürger weiß um diese Mechanismen und bildet sich seine Meinung, indem er die unterschiedlichen Informationsangebote kritisch wertet und sich aus den unterschiedlichen Positionen seine eigene Meinung bildet.
Doch damit ist nach dem Willen der EU-Obrigkeit seit Frühjahr dieses Jahres Schluss, zumindest, was russische Medien anbetrifft, die unter der Begründung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kurzerhand per Verordnung und ohne eine parlamentarische Debatte zuzulassen zu „Feindsendern“ erklärt wurden (auch wenn der historisch belastete Begriff tunlichst vermieden wurde) und via Weisung an die Provider aus dem (allgemein zugänglichen) Internet entfernt wurden.
EU-Verordnung gegen Grundgesetz
Dass diese restriktive Maßnahme nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn von Artikel 5 des Grundgesetzes widerspricht, wurde hierzulande kaum öffentlich diskutiert. Dabei ist die dessen Aussage eindeutig: „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“
Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass Internetangebote gleich welcher Art von ihrem Charakter her „allgemein zugängliche Quellen“ sind, die Aussagen des BVerfG hierzu sind eindeutig: „Wenn die Informationsquelle an irgendeinem Ort allgemein zugänglich ist, mag dieser auch außerhalb der Bundesrepublik liegen, dann kann auch ein rechtskräftiger Einziehungsbeschluß nicht dazu führen, dieser Informationsquelle die Eigenschaft der allgemeinen Zugänglichkeit zu nehmen.“ (BVerfG, Beschluss vom 03.10.1969, Az. 1 BvR 46/65).
Das Bundesverfassungsgericht beantwortet auch die Frage nach der Intention dieser ausdrücklichen Erwähnung der Informationsfreiheit im Grundgesetz wie folgt: „Die Informationsfreiheit wurde gerade als Reaktion auf die nationalsozialistischen Informationsverbote und -beschränkungen verfassungsrechtlich garantiert, um die ungehinderte Unterrichtung auch aus Quellen, die außerhalb des Herrschaftsbereiches der Staatsgewalt der Bundesrepublik bestehen, zu gewährleisten.“ (!)
Das Gericht geht sogar noch weiter, indem es das Recht des Staates verneint, die Informationseinheit einzuschränken. Zitat: „Die Ansicht, die Allgemeinzugänglichkeit werde maßgebend von Hoheitsakten beeinflusst, widerspricht dem Zweck der verfassungsrechtlichen Verbürgung der Informationsfreiheit. Dem Einzelnen soll ermöglicht werden, sich seine Meinung auf Grund eines weitgestreuten Informationsmaterials zu bilden. Er soll bei der Auswahl des Materials keiner Beeinflussung durch den Staat unterliegen.“
Handelt die EU nach dem Vorbild Russlands?
Angesichts dieser eindeutigen Aussagen ist es erhellend, dass kritische Reaktionen hiesiger Medienschaffender auf den Übergriff des EU-Rates weitgehend ausblieben. Bis auf die Alibi-Kritik der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ und einem kritischen Kommentar von Deniz Yücel in der „Welt“, der zutreffend anmerkte: „Praktisch ausgedrückt: Wer ‚Russia Today‘ und ‚Sputnik‘ verbietet, wird künftig ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in, zum Beispiel, Russland zu kritisieren.“, herrscht weitgehend Schweigen oder sogar Zustimmung in der bundesdeutschen Medienwelt. Dabei liegt der Verdacht nahe, dass die Entfernung der russischen Sichtweise aus der öffentlichen Wahrnehmung der Mehrheit der Medienschaffenden durchaus entgegenkommt, schließlich ist die Verbreitung von regierungsnaher Propaganda keineswegs ein singulär russisches Phänomen.
Vor diesem Hintergrund kommt den Aussagen der Bundeszentrale für politische Bildung zur Informationsfreiheit inzwischen durchaus satirischer Charakter zu. Zitat: „In der Bundesrepublik Deutschland darf jeder Mensch selbst bestimmen, wie er sich informieren möchte. Das ist nicht in allen Staaten so. In manchen Staaten sind zum Beispiel bestimmte Webseiten verboten. Die Bürger und Bürgerinnen haben dort keine Informationsfreiheit. Sie können sich nicht frei informieren.“
Das Lachen darüber sollte dem Leser allerdings im Hals stecken bleiben, den jeder staatliche Tabubruch öffnet.
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