Donnerstag, 25. Juli 2024

Patmos und die Tage der großen Bedrängnis

(David Berger) Vielen gläubigen Menschen erscheint es so, als erfüllten sich derzeit die Visionen vom Zeitenende, die der Evangelist und Lieblingsjünger Johannes auf der griechischen Insel Patmos empfing. Ich habe lange versucht, diesen Eindruck zu verdrängen. Erfolglos, sodass ich diesen Text wenige Meter von jener Stelle schreibe, an der Johannes das letzte Buch der Bibel schrieb: die Apokalypse.

„Ich, Johannes, euer Bruder und Gefährte in der Bedrängnis, in der Königsherrschaft und im standhaften Ausharren in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus.“ – so lesen wir im letzten Buch der Bibel – und auf der Inschrift des Tores, das zum Heiligtum der Grotte der Apokalypse führt.

Näher beieinander könnten Abend- und Morgenland kaum liegen als auf der kleinen griechischen Insel Patmos. Südwestlich von Samos umfasst das kleine Felsengebilde im ägäischen Meer etwa 41 qkm. Einen Flugplatz hat die Insel nicht, ist von Piräus oder Rhodos nur nach einer etwa 5-10 Stunden dauernden Fährfahrt erreichbar, weshalb sie von fast allen Auswüchsen des Tourismus bewahrt geblieben ist. Ab und an besuchen – neben wenigen Individualreisenden – fromme Pilger die Insel. Nur, wenn Kreuzfahrtschiffe anlegen und Touristenmassen im Schnellverfahren durch die Grotte und das altehrwürdige Kloster (beide gehören zum Weltkulturerbe) schleusen, wird es gelegentlich unangenehm voll.

Jerusalem des Mittelmeers

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in dem Hafenort der Insel auf einer kleinen Dachterrasse mit direktem Blick auf das Kloster, das die Höhle der Offenbarung umschließt, darüber thront  – wie eine Trutzburg – an der höchsten Stelle der Insel das Johannes-Kloster.

Die baumlose Insel wurde einst von den römischen Kaisern als Verbannungsort gebraucht.

Der prominenteste der Verbannten war der Apostel Johannes, der vom Kaiser Domitian hier inhaftiert wurde.

Noch heute kann die Grotte, in der Johannes lebte, besucht werden. Hier schrieb er das letzte Buch der Heiligen Schrift, die Apokalypse oder „Offenbarung des Johannes“:

„Die Höhle der Apokalypse befindet sich zwischen den Dörfern Skala und Chora in einem Kiefernwald (im Foto links unten/vorne), nicht weit vom Hafen der Insel Patmos entfernt. Es verdankt seinen Namen der Tatsache, dass der Apostel Johannes hier die Stimme Gottes aus einem dreifachen Riss im Felsen hörte, der die Heilige Dreifaltigkeit symbolisierte und die Visionen hatte, die ihn dazu veranlassten, das letzte Buch der Bibel zu schreiben, das Offenbarung. Dieser mystische Ort, das Zentrum des Christentums, brachte zusammen mit dem Johanneskloster den Titel „Jerusalem des Mittelmeers“ auf die Insel Patmos… “ (Quelle)

Sternstunden

Ein einmaliges Erlebnis war der heutige Morgengottesdienst in der heiligen Höhle. Bis auf den letzten Zentimeter ist das Heiligtum erfüllt, dabei trägt nur eine Handvoll an Gläubigen die Coronabinde im Gesicht, aber spätestens zum Küssen und knienden Berühren der Ikonen und der Stellen im Stein der Höhle, wo der heilige Johannes lag und dort, wo er die Apokalypse diktierte, wird sie abgenommen. Der Raum ist erfüllt von Weihrauchduft und dem Rauch der zahllosen Bienenwachskerzen, die die Gläubigen hier unaufhörlich vor den heiligen Bildern entzünden. Die Liturgie ein einziger in der Gelassenheit heiliger Zuversicht schwebender Wechselgesang zwischen den zelebrierenden Geistlichen und den Kantoren. Zu dem heiligsten Augenblick – der Wandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi – geht selbst der Gesang (sozusagen sottovoce) in die Knie, wird auch noch der Vorhang der Ikonostase zugezogen: der Mysterien (Geheimnis-) Charakter des Christentums könnte deutlicher nicht sein.

Auf Instagram schrieb ich neben dieses Video (Foto- und Filmaufnahmen sind während der heiligen Liturgie streng verboten):

Es gibt Augenblicke im Leben, die als Sternstunden einmalig sind und die einem keine Macht der Welt nehmen kann:  So für mich die Sonntagsliturgie in der Höhle des hl. Johannes, wo der Lieblingsjünger Christi die Offenbarung der Apokalypse empfing. Man sieht bis nach Ephesus, der kleinasiatischen Metropole, deren erster Bischof der hl. Apostel Johannes war und mit der Mutter Jesu bis zu deren Heimgang lebte.

Medwedew zitiert die Apokalypse

Wie sehr sich die Apokalypse derzeit einer ungeheuren Beliebtheit erfreut, sah man vor einigen Tagen, als der stellvertretende Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, Ex-Präsident Dmitri Medwedew seine bisher schwerwiegendste Drohung seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts mit einem Zitat aus der Apokalypse des Johannes verband: „Diese drei Plagen – das Feuer, der Rauch und der Schwefel, die aus ihren Mündern kamen – töteten ein Drittel der Menschen.“ (Offenbarung 9,18).

Die Bezugnahme des russische-orthodoxen Politikers auf die Apokalypse ist nicht einfach so aus der Luft gegriffen. Schon vor Monaten veröffentlichte ich hier einen profunden Gastbeitrag über das weiße und das rote Pferd aus dem letzten Buch der Bibel: Ein harter, aber notwendiger Text über Corona, Hungersnöte und das bevorstehende Chaos.

Corona-Apokalypse: Uns stehen Tage heftiger Gewalt bevor

Hoffnung für Verfolgte eines totalitären Reiches

Spätestens als ich diesen Artikel, den ich vor einigen Tagen noch einmal veröffentlichte, gelesen hatte, war mein Entschluss geboren, eine alte Jugendliebe (hier verbrachte ich die Sommer der Jahre 1995-2005), die Insel Patmos wieder zu besuchen. Diesmal um dort ausgiebig über das letzte Buch der Bibel zu meditieren. Jenes Buch, das als das einzige prophetische Buch des Neuen Testaments gilt und für die verfolgten und unterdrückten Christen im römischen Reich (anachronistisch vereinfacht kann man hier Parallelen zu den totalitäre System von heute ziehen) eine Trost- und Hoffnungsschrift war.

Und damit wie zahllose Menschen in den letzten Jahrhunderten Trost zu beziehen für eine trostlose Zeit, in der so vieles darauf hindeutet, dass jene Tage nun ihre Vollzeit erreicht haben, die Johannes bereits als gekommen und zugleich kommend sah.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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