Donnerstag, 25. April 2024

Sommerurlaub: Letztes Atemholen vor dem großen Sturm

Unter dem harmlos klingenden Titel „Endlich Urlaub“ hat der begnadete Autor David Engels in seiner Kolumne in der „Tagespost“ die derzeitige ausgelassene Sommerstimmung als Ruhe vor dem Sturm beschrieben, die derjenigen der Sommer im Jahr 1914 und 1939 nicht unähnlich ist.

Trotz baldigem Weltuntergang wünsche Engels (Foto l. © Elekes Andor, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons) seinen Lesern „schöne Ferien“.

Und dann im Detail: „Ein letztes Atemholen vor dem Losbrechen des Sturms, so nannte Tolkien einmal jene kurze Stille vor Beginn des mörderischen Sturms auf Minas Tirith, und ganz Ähnliches kann man in den zahllosen Tagebüchern, Memoiren und Briefen lesen, welche von den Sommertagen des Jahres 1914 oder 1939 handeln – einige allzu kurze, unbeschwerte Ferienwochen, die im Rückblick wie ein verantwortungsloser Tanz auf dem Vulkan der dräuenden Katastrophe scheinen. (…)

Selten in der jüngeren Geschichte Europas waren die Zeichen einer veritablen Zivilisationskrise so deutlich an die Wand geschrieben wie in diesem Sommer des Jahres 2022 – und zwar nicht nur aufgrund des Kriegs in der Ukraine, der in vielerlei Hinsicht eher das Symptom zahlreicher vergangener Fehlentscheidungen und -entwicklungen ist als ein wirklich singuläres Ereignis. Natürlich tragen die weltpolitischen Ambitionen der USA, die Kopflosigkeit, ja Feigheit der europäischen Staaten und allem voran die nie versiegten imperialen, sozusagen prä-staatlichen territorialen Gelüste des russischen Reiches allesamt eine Verantwortung an einer Invasion, welche die unzähligen selbstverschuldeten Abhängigkeiten Europas in ein grelles Licht taucht – mit katastrophalen Folgen für die Bevölkerungen, welche nunmehr mit einer Explosion der Energiepreise, Militärbudgets und Flüchtlingskosten konfrontiert werden.“

Der endgültige Untergang des Abendlandes

Sehr überzeugend belegt Engels dann seine These. dass die Krise dieses Jahres viel viel tiefer reiche als viele ahnen: „Jahrzehnte der unbedachten Schuldenaufnahme, des unverantwortlichen Aufschiebens dringender Investitionen in Infrastruktur und Bildung, des naiven Glaubens an ein „Ende der Geschichte“ und somit der Absage an jegliche realpolitische Verantwortlichkeit, der selbstzerstörerischen „Energiewende“, der sozialen Polarisierung, des kulturpolitischen Utopismus, des demographischen Selbstmords, der transhumanistischen Hybris, des sanitären und sicherheitspolitischen Überwachungsstaates und der ideologisch angefeuerten Dekonstruktion aller klassischen Solidargemeinschaften vom Geschlecht über die Familie und den Glauben bis zur Nation, ja gar zur Zivilisation – sie sind die echten Schuldigen an jenen dunklen Gewitterwolken, die tief über dem alten Europa hängen und bereits die ersten Blitze galoppierender Inflation, allgemeiner Verarmung, politischer Unruhen, demokratischer Unregierbarkeit, ja sogar der Kriegsgefahr schleudern.“

Wieso Europa dennoch in einen scheinbar unbeschwerten Sommerurlaub gehe statt lautstark Alarm zu schlagen, fragt sich Engels abschließend. Es sei die klassische Ruhe vor dem Sturm, meint er. Niemand wolle die Verantwortung auf sich nehmen, für eine Panikstimmung verantwortlich gemacht zu werden – wohlwissend dass man gerade in diesen Zeiten den Überbringer schlechter Botschaften als erstes hinrichtet: „Außerdem, wie bereits Hesiod wußte, ist die Hoffnung nicht nur eine der wichtigsten Tugenden, sondern auch der schlimmsten Geißeln der Menschheit. Und schließlich: Haben wir es nicht alle seit Jahren, ja Jahrzehnten erwartet, vielleicht sogar wie die Zeitgenossen des „Fin de Siècle“ in unserem Unbehagen an unserer eigenen Spätzivilisation irgendwie unverantwortlich herbeigesehnt, jenes Zeitalter der großen Umwälzungen? Jetzt gilt es für Europa, den Preis für den eigenen Zynismus zu zahlen.“

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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