Gastbeitrag von Meinrad Müller
Und es stimmt also doch, dass beide Herstellungsverfahren etwas Geheimnisvolles verbindet. Von Otto von Bismarck ist dieses Zitat überliefert: „Mit den Gesetzen ist es wie mit den Würstchen. Es ist besser, wenn man nicht sieht, wie sie gemacht werden“. Dass dabei viele Köche nicht nur den Brei verderben, weiß auch der Volksmund. Er lässt einen Metzgermeister bei der Belehrung seines Lehrlings über die Wurstherstellung sagen: „Wenn rauskommt, was da reinkommt, dann kommen wir wo rein, wo wir nicht mehr rauskommen“.
Ohne Gewissensbisse
Der Handwerksmeister spricht dabei offen aus, dass er bei seiner Wurstherstellung ein ungutes Gefühl habe und er harte Strafen befürchtet. Dennoch macht er trotz seiner offensichtlichen Gewissensbisse munter weiter. Der Autor selbst erinnert sich an die von ihm als Kind mit Schaudern erlebten Hausschlachtungen. Nicht das Haus wurde im Herbst geschlachtet, sondern zum Beispiel Lisa.
Nicht nur unsere Kühe hatten Vornamen, sondern auch die zehn Borstentiere. Während heute Babyschweine nach wenigen Monaten bereits unters Messer kommen, waren Lisa, Elsa und Lotte oft drei Jahre alt. Zeit genug für einen kleinen Bauernsohn, sich mit den Tieren, beginnend bei den niedlichen Ferkeln, die er füttern durfte, anzufreunden. Die „Freizeitbeschäftigung“ nach der Schule vor oder nach den Hausaufgaben bestand darin, nachmittags das Schweinefutter vorzubereiten. Bei gelagerten Kartoffeln mussten die giftigen Triebe einzeln und per Hand abgerupft werden. Im Hof stand auch ein riesiger Kesselofen, dieser wurde mit Holz angeheizt, um zwei Körbe mit Kartoffeln gar zu kochen.
Dabei flossen auch Tränen.
„Schweine-Müsli“, bestehend aus täglich frisch geschroteter Gerste, gemischt mit geraspelten Futterrüben und vermengt mit den gekochten Kartoffeln ergaben das Schweinefutter. Diese rein biologischen und vegetarischen Zutaten wurden dann wie durch das Wunder auf vier Beinen zu Schweinebraten, Schnitzel, Kotelett, Kesselfleisch, Hartwurst, Gulasch, Leberkäse, Schmalz, Grieben, Schinken, Schwartenmagen, Blut- und eben auch zu Leberwurst verarbeitet.
Ein Hausmetzger wurde für diesen Schlachttag engagiert, der mit seinem Schussapparat dem wild um sich schlagenden, schreienden und an einem Bein gefesselten Tier in den Kopf schoss. Das Blut, das nach einem Messerstich aus dessen Halsschlagader in eine große Schüssel floss, „durften“ wir Kinder mit einem Kochlöffel rühren, damit es nicht gerann. Blutwurst war das Endprodukt. Weitere Teile des Schweines, die man in deren Urform nicht auf dem Teller sehen mochte, wurden durch den Fleischwolf gedreht und mit geheimnisvollen Gewürzen vermengt. Das Bild, wie der Metzer einen Finger in diesen Brei steckte, diesen dann abschleckte um seine Würzkünste zu prüfen, ging auch in den nächsten 65 Folgejahren nicht aus dem Kopf.
Messerwetzen im Bundestag
Während in den Wurstküchen der Metzgereien hinter verschlossenen Türen gearbeitet wird und wir Gott sei Dank nicht mit ansehen müssen, welche seltsamen Tierteile im Mixer zu Brei zerkleinert werden, erleben wir interessierte Bürger die „Herstellung“ von Gesetzen als politisches Schauspiel.
Es soll uns glauben machen, dass wir den Gesetzesmachern jeden Augenblick über die Schulter sehen könnten und schon alles mit rechten Dingen zuginge. Debatten im Bundestag, bei denen das Ergebnis längst feststeht, wurden zum Zirkus Maximus und dienen nurmehr zur Unterhaltung, Ablenkung, Verwirrung und nicht der Information der Zuhörer.
Ein Insider berichtet
Eindrucksvoll beschreibt der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow wie er seine Arbeit erlebte. Mit Hauen und Stechen, mit Fraktionszwängen und dem Kaltstellen nicht unterwürfiger Abgeordneter erinnert sein Buch an ein Szenario, das einem Gemetzel im Schlachthaus gleichkommt.
Die Rezension in abgekürzter Form lautet daher: Lest dieses Taschenbuch mit dem Titel „Lobbyland: Wie die Wirtschaft unsere Demokratie kauft“. Es ist dennoch vergnüglich zu lesen und offenbart unbekannte Einsichten in die „Wurstmanufaktur“ Bundestag.
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