Mittwoch, 24. April 2024

Über sieben Brücken musst du gehen

Die Ambassador-Brücke über den Detroit-Fluss, sozusagen die Aorta der
Beziehungen zwischen Kanada und USA, wurde zum Vergrößerungsglas einer noch größeren Verwerfung in der Gesellschaft. Ein Gastbeitrag von Meinrad Müller

Über sieben Brücken musst du gehen – Dieser Schlager der Gruppe Karat, die aus der DDR nicht in den Westen durfte, wurde mit deren Erlaubnis von Peter Maffay neu interpretiert und zum Verkaufserfolg. Brücken sind praktisch, man kommt über sie trockenen Fußes über einen Fluss. Brücken sind aber ebenso emotional, weil deren Fehlen Schmerz bereitet. Winkt ein geliebter Mensch auf einer Flussseite, so bricht es uns das Herz, wenn das reißende Wasser die Liebenden trennt. Brücken, ob aus Holz, Stein oder aus gespannten Seilen, waren mithin eine der ersten großen zivilisatorischen Leistungen.

Der Ehrentitel, ein Brückenbauer zu sein, gilt nicht nur den Ingenieuren der Baukunst. Wer zwischen zwei Menschen, zwei Gruppen oder zwei Staaten diplomatisch zu vermitteln weiß, der eine gedankliche Brücke zwischen gegensätzlichen Ansichten herstellen kann, der ist Friedensstifter und Brückenbauer.

Und nun das: die Ambassador-Brücke über den Detroit-Fluss, sozusagen die Aorta der Beziehungen zwischen Kanada und USA, wurde zum Vergrößerungsglas einer noch größeren Verwerfung in der Gesellschaft. Ihrer Größe wegen rückt eine von Demonstranten blockierte Flussüberquerung in den Fokus weltweiten medialen Interesses. Würde ein Bächlein, das auch mit einem Anlauf übersprungen werden könnte, blockiert, kein Journalist nähme davon Notiz. Selbst wenn 500 Bächlein blockiert würden, wäre dies pressetechnisch gesehen kein Aufreger.

Und doch wurden in den letzten zwei Jahren Hunderttausende Brücken geschlossen, die wir bislang nicht einmal wahrnahmen. Wir werden von braungebrannten „Securitywachpersonal“ herrisch wie mürrisch aufgehalten, wenn wir ein Geschäft oder ein Restaurant betreten wollen. Dort, wo bislang kein Wegezoll und kein Passierschein üblich war, werden wir wie ungebetene Gäste behandelt. Die Zugbrücken, die über den Burggraben zur mittelalterlichen Burg führten, kehren in zeitgenössischer Form wieder. Die Brücken ins Altersheim sind geschlossen, im Sterben liegende Angehörige dürfen nicht besucht werden. Die radikalen Brückenwärter der Neuzeit reißen auf behördlichen Befehl Gräben auf, wo keine sein müssten.

Und doch, diese Maßnahmen haben einen schönen Vorteil: Sie sind per „Verfügung“ in die Welt zu setzen, sie sind leicht kontrollierbar, systematisch zu bestrafen, auch wenn deren Unsinnigkeit längst erwiesen ist. Brücken zwischen Freunden, Sportkameraden und Nachbarn wurden (und werden) eingerissen und lang anhaltend gestört.

Ein Zitat Willy Brandts „es wächst zusammen, was zusammengehört“, schreit in unserer Zeit geradezu nach menschlichen Brückenbauern. Sie sollen versöhnen, den ehemaligen Freund und Kollegen und die Staatsgewalt mit dem Volk. Frieden schaffen ohne Waffen, Frieden mit ehrlichen Worten, mit versöhnenden Worten herbeiführen, für diese Mammutaufgabe müssten Stellenangebotsinserate erscheinen. Abrüstungsverhandlungen und Versöhnungsversammlungen wie nach dem Ende der schmerzhaften Apartheid in Südafrika sollen heute die neuen Baustellen unserer Seelen sein. Doch wer gewöhnliche Baustellen kennt, der weiß, wie schmutzig es dort zugehen kann.

Brückenbauer an die Macht, ob in Kanada oder im Garten über den Zaun.

 

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