Mittwoch, 8. Mai 2024

Saladin: Ein zur Toleranz-Ikone hochstilisierter Gewaltherrscher

Beim Dialog mit Muslimen werden als Beweis islamischer Toleranzfähigkeit immer wieder besonders drei Themenbereiche angesprochen: „Andalusien“, die „schutzbefohlenen Juden und Christen“ (Dhimmis) und schließlich der vielfach nicht nur in der islamischen Welt  gepriesene und hochverehrte Sultan Saladin (1137-1193). Ein Gastbeitrag von Dr. Udo Hildenbrand

Saladin war der Onkel von  Sultan Malik al-Kamil, der heute seine Bekanntheit wohl vor allem der historischen Begegnung  mit Franz von Assisi  im ägyptischen Damiette  in  Jahre 1219 verdankt. Über diese Begegnung hat der Autor in einem Gastbeitrag in Philosophia perennis am vergangenen 1. November unter dem Titel Franz von Assisi, der Sultan und ein fragwürdiges Jubiläum kritisch berichtet.

 Auch von Nichtmuslimen (immer noch?) bewundert, hochverehrt

Sultan Saladin, von Muslimen  seiner Zeit als „Zweiter Joseph von Ägypten“ gefeiert, wird  als ein ritterlich-toleranter Mensch, als „Freigeist mit philosophischen Interessen“, als „Paladin der Ritterlichkeit“ gefeiert,  der „auch in Europa respektiert“ wird und  als „Vorbild eines ritterlichen Menschen“ gilt (Hans Küng).   Er gilt als der bekannteste islamische Herrscher. Mit Bewunderung wird er zudem stilisiert als der „edle Heide“, das „Urbild des edlen Helden“, als  „Freiheitsheld“  bzw. als „der Größte aller Helden der muslimischen Welt“.

Zugleich wird Saladin die Auszeichnung zuteil, Vorläufer der Aufklärung  bzw. Vorkämpfer des Toleranzgedankens der Aufklärung zu sein. So hat G. E. Lessing in seinem Stück „Nathan der Weise“ diesem ägyptischen Sultan das literarische Denkmal des vorbildhaft toleranten islamischen Herrschers gesetzt, auch zum Vorbild für Christen. Allerdings wurde der zum Mythos erhobene Saladin von Lessings großem Dichterkollegen Friedrich Schiller viel skeptischer und zurückhaltender beurteilt.

Sultan Saladin, der große Gegenspieler der angeblich „bösen Kreuzritter“, war nach Meinung seiner Bewunderer „eine rationale und kultivierte Figur im Gegensatz zu den leichtgläubigen barbarischen Kreuzfahrern“, der auch wegen seiner hohen Bildung, Großzügigkeit und Gastfreundlichkeit gepriesen wird. In seinem Film „Königreich im Himmel“ (2005) bedient und verstärkt Ridley Scotts verschiedene heute noch weitverbreitete Kreuzzugs-Klischees der Aufklärung u. a. jenes über den Sultan und die Kreuzfahrer. Demnach war  Saladin ein toleranter, großzügiger Herrscher, die Kreuzritter dagegen waren allesamt Schurken und Primitivlinge.

Lösegeldforderung, Versklavung, Verscherbeln von Büchern, Beschimpfung, Menschen als Verhandlungsmasse, tausendfacher Mord – alles Namen  für Toleranz  und  Aufklärung?

Auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. war auf Grund romantischer  Verklärung ebenfalls von Saladin fasziniert. Bei seinem Besuch in Damaskus 1898 legte der Kaiser an seinem Grab als Zeichen der Hochschätzung einen Bronze-Lorbeerkranz nieder. Den hölzernen Sarg des Sultans hielt er für unwürdig und ließ durch deutsche Steinmetze einen Steinsarkophag als Ersatz herstellen. Und nicht genug der Verehrung. Die gesamte Renovation  der Grabkammer Saladins wurde vom deutschen Kaiser initiiert und  finanziert.

Saladin hat im Jahre 1187 Jerusalem und weite Teile des Heiligen Landes zurückerobert. Dabei schonte er „großzügig“ und in der Haltung „wahrhafter Toleranz“ die Bevölkerung – allerdings gegen reichlich Lösegeld. Anders als im oben erwähnten Film von Scott dargestellt, wurde etwa die Hälfte der christlichen Bevölkerung versklavt, weil sie nicht bezahlen konnte. Die Erlaubnis für christliche Kaufleute, in den Seehäfen zu bleiben, war nach Saladins eigenen Angaben nur zu deren Nachteil und „zu unserem Vorteil“. Das alles nennt man auch Großzügigkeit aus Eigennutz und Habgier!

Die öffentliche Bibliothek in Kairo ließ diese Idealgestalt der Aufklärung schließen und deren „Bücher verscherbeln“. Die Inschrift auf dem Grab der „Ikone des Islam“ in Damaskus preist die gelebte Toleranz dieses nicht nur im Islam hochverehrten Sultans als Befreier Jerusalems „vom Schmutz der Ungläubigen“.

 Saladin: Ein berühmt-berüchtigter islamischer Gewaltherrscher

Der sooft als tolerant, großzügig und aufgeklärt gepriesene Sultan Saladin  lies Abertausende dieser schmutzigen „Ungläubigen“ brutal hinmorden. Sein Sekretär, Imad ad-Din, beschrieb auch das grausame Schicksal vieler gefangener Kreuzritter im Jahre 1187 mit den Worten:  Den „Sufimystikern in seinem Gefolge gewährte der Sultan … das Privileg, die gefangenen Templer und Johanniter köpfen zu dürfen“ (Robert Irwin). Bei deren Hinrichtung half er selbst tatkräftig mit.

Der wegen seiner angeblichen Toleranz gepriesene Saladin verhängte 1191 auch die Todesstrafe über den der Ketzerei angeklagten Suhrawardi, einen der größten islamischen Mystiker. Wenn er gefangene Kreuzfahrer mal nicht töten ließ, geschah das  nicht etwa aus Großmut, sondern um sie zurückzubehalten „als Trumpf in etwaigen Verhandlungen.“

Der so glorifizierte Sultan Saladin ist längst als berüchtigter islamischer Gewaltherrscher entlarvt, der „tötete, um dem Islam Leben zu geben.“  Der Ehrentitel „Schwert des Islam“, der ihm vom Kalifen in Bagdad verliehen wurde, dürfte unter den vielen Ehrentiteln wohl derjenige sein, der Saladins Wesen und Verhalten am besten entspricht. Denn sein Leben veranschaulicht, „dass seine Handlungsweise den Geboten und Verboten des Korans entsprach.“

Ein bezeichnendes Denkmal in Damaskus

Vor etwa 25 Jahren wurde dem Sultan Saladin in Damaskus ein errichtetes Denkmal. Darauf wird dargestellt, wie der islamische Sultan Saladin mit seinem Pferd über den christlichen König Guido hinwegreitet.

Joachim v. Fiore (gest. 1202) sah in Saladin einen „Verfolger der Christen“.  Er soll „den Kampf gegen die Kreuzfahrer als eine ihm von seinem Gott Allah zugewiesene Aufgabe bezeichnet haben.“ Trotzdem wird Saladin,  der „einsame Despot“, der „Held des Dschihad“ der den „Heiligen Krieg“ nicht nur gegen die Ungläubigen, sondern auch gegen seine muslimischen Rivalen propagierte, auch heutzutage immer noch bejubelt? – nicht zuletzt von Beifall heischenden christlichen Theologen.

Lessings Ringparabel: Ein „vorgegaugelter Traum“

In der bereits erwähnten Ringparabel „Nathan der Weise“ schrieb auch Lessing an der Legende vom friedliebenden und toleranten Saladin mit. Dabei ist die religionsrelativistische Kernaussage dieses Stücks, dass nämlich  keine Religion die beste ist, sondern alle gleich sind, eine ausgesprochene Gegenposition zur islamisch-dschihadistisch geprägten Glaubenseinstellung des historischen Saladin und dessen Herrschaftshandeln, das aus seinem Glauben folgte.

Die muslimische, jedoch islamkritische Bestseller-Autorin Necla Kelek stellt zu Lessings Saladin fest: „Doch Saladin im Stück hat nichts von dem, was wir von dem Herrscher als historische Gestalt wissen. Saladin lies die Tempelritter unbarmherzig hinrichten. Dass er einen von vielleicht Tausenden überleben lies, erscheint im Stück als Güte und Toleranz – ein dramaturgischer Kniff, der nur funktioniert, wenn man die historischen Tatsachen ausblendet.“  Und Guido Horst notiert  entsprechend: „Lessings Ringparabel von Nathan dem Weisen ist ein vorgegaukelter Traum, den heute die Wirklichkeit mehr und mehr in Luft auflöst.“

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Dieser Beitrag ist eine leicht überarbeitete, gekürzte  Fassung eines Abschnitts aus dem  Artikel Die Kreuzzüge  und ihre islamische Vorgeschichte, in: Udo Hildenbrand, Friedrich Rau, Reinhard Wenner, Freiheit und Islam. Fakten-Fragen-Forderungen, Bad Schussenried,  2016, 848 Seiten, – mit weiteren Quellenangaben.

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