(David Berger) Es ist Wahlkampf in Thüringen und unter den Journalisten mehren sich wieder einmal die kritischen bis mitleidigen Stimmen zu dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke. Unter ihnen einer, von dem man es nicht erwartet hätte: Jan Fleischhauer. Höcke sei nicht gefährlich, sondern einfach skurril. So jemand werde es sicher nicht zum Ministerpräsidenten bringen, gibt er Entwarnung.
Jan Fleischhauer galt über viele Jahre als letzter Verbliebener Lieblingsautor der bürgerlich Konservativen beim „Spiegel“. So war er etwa einer der Stargäste und Laudator bei einer Preisverleihung der „Jüdischen Rundschau“ an Tuvia Tenenebom im Berliner Adlon vor einigen Jahren. Nach seinem Weggang beim Spiegel ist er nun Kolumnist beim Focus, den dagegen Alexander Wendt vor einigen Monaten verlassen hat.
In seiner jüngsten Kolumne spricht Fleischhauer das Problem des „Flügels“ an. Grundtenor: Ein Großteil des Mythos AfD sei durch die AfD-Hasser und -Gegner generiert.
In Wirklichkeit böte einige der Protagonisten der AfD, die man für gefährlich hält, ein eher lächerliches Bild. Allen voran der „Wessi“ Björn Höcke, dem selbst die AfD-Wähler in Thüringen nicht so recht über den Weg trauen: „…die meisten Wähler verfolgen seine Auftritte mit einer Mischung aus Faszination und Befremden“ konstatiert Fleischhauer nicht ganz zu Unrecht.
„Ich halte die Leute der AfD nicht für gefährlich, ich halte sie für skurril“
Und analysiert die Hintergründe für diese Mischung aus Mitleid und Befremden:
„Manche Menschen verbringen ihr Leben damit, Elvis nachzueifern. Sie schmeißen sich in Glitzerklamotten, toupieren das Haupthaar zur Tolle und schmettern die großen Hits. Höcke hat sich für die Goebbels-Imitation entschieden. Das ist angesichts der historischen Umstände eine mutige Wahl. Als Elvis-Imitator hätte Höcke es deutlich leichter im Leben, insofern gebührt ihm Respekt, wie ich finde.
…die meisten Wähler verfolgen seine Auftritte mit einer Mischung aus Faszination und Befremden
Ich halte die Leute der AfD nicht für gefährlich, ich halte sie für skurril. Wer ständig so redet, als er ob zu viel Leni Riefenstahl geguckt hätte, der wird es in Deutschland nicht zum Ministerpräsidenten bringen, allen Erlösungsfantasien zum Trotz. Das heißt nicht, dass ich das Rohheitspotenzial übersehen würde, das in dieser Partei auch steckt. Ich glaube nur nicht, dass man es in Deutschland damit ganz nach oben schafft. Wenn sogar ein beträchtlicher Teil der AfD-Wähler der Meinung ist, dass man die Vertreter dieser Partei nicht in die Nähe eines Regierungsamts lassen sollte, sagt uns das etwas über die realen Machtchancen.“
Ein echter Professor hat es in der AfD derzeit schwerer als ein falscher Goebbels
Wer sich nun echauffiert darauf beruft, dass er Fleischhauer ja nie gemocht hätte und dieser kein wirklich Konservativer sei, der sei daran erinnert, dass das journalistische Urgestein des konservativen Journalismus in Deutschland, Dieter Stein, schon vor einiger Zeit zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kam. Er hat es nur wesentlich vornehmer und belegt durch zahlreiche Zitate aus dem Munde Höckes ausgedrückt.
Am normalsten ist noch Parteichef Jörg Meuthen.
Da kann man nur hoffen, dass die in der AfD recht haben, die Höcke ähnlich sehen, aber darauf hinweisen, dass in keiner – sieht man mal von freilich schon etwas überreifen Bundestagsabgeordneten ab, die sich in einem Umfeld wohl fühlen, in dem man revisionistische Artikel in Neonazimanier veröffenlicht – in der AfD Höcke so recht für voll nimmt. Fleischhauer sieht das allerdings anders:
„Am normalsten ist noch Parteichef Jörg Meuthen. Aber der darf ja nicht einmal mehr als Delegierter zum nächsten Bundesparteitag fahren, weil sie in seinem Kreisverband finden, dass er zu lasch sei. Ein echter Professor hat es in der AfD derzeit schwerer als ein falscher Goebbels.“
A propos Goebbels: Er scheint sich insgesamt an den rechten und linken Rändern wieder an enormer Beliebtheit zu erfreuen: