(Veronica Schrott) Die Frage, ob ich mit meiner eigenen Meinung zu weit rechts bin, dürften sich mittlerweile viele stellen, vor allen diejenigen, die befürchten müssen, sich in diesem Fall mit beruflichen Repressalien oder sonstigen Nachteilen konfrontiert zu sehen.
Der Verfassungsschutz schreibt über sich selbst und seine Aufgaben, er sei ein Frühwarnsystem, um Gefährdungen unserer Demokratie rechtzeitig zu erkennen. Er ist ein Baustein der wehrhaften Demokratie, die sich die Abwehr von demokratiefeindlichen Aktivitäten zum Ziel gesetzt hat. Die Freiheit, so schreiben sie weiter, ist ein hohes Schutzgut.
Wer, wenn nicht der Verfassungsschutz, kann uns sagen, wer ein Rechtsextremer ist. Man muss also nur in den Bericht schauen und anhand der dort enthaltenen Definition seine eigene Meinung oder die Meinung von Parteien, Vereinigungen und Personengruppen auf den Prüfstand zu stellen.
Wie beschreibt der Verfassungsschutz einen Rechtsextremen?
Der Verfassungsschutzberichtes 2017 für Berlin beschreibt neben weiteren Indizien vier Hauptmerkmale für einen Rechtsextremen und diese sind:
- Ablehnung des Gleichheitsprinzips.
- Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit
- Antipluralismus
- Autoritanismus usw.
Aus den vier Aspekten nehmen wir mal den ersten heraus. Dazu heißt es:
„Rechtsextremisten lehnen das Gleichheitsprinzip ab. Sie rechtfertigen mit einer verschiedenen Wertigkeit der Menschen politische, soziale und gesellschaftliche Diskriminierung bestimmter Personen und Gruppen. Diese Ungleichheit wird mit ethnischen, kulturellen, geistigen, körperlichen oder politischen Aspekten begründet.“
Alle sind gleich
Ich dachte bis gestern tatsächlich noch, dass wir nicht alle gleich sind. Bis gestern dachte ich noch, dass ein Arzt, der sich durch hartes Studium geistige Fähigkeiten in seinem Fachgebiet angeeignet hat, wertvolle Arbeit leistet und damit für die Gesellschaft ganz besonders wertvoll ist.
Wenn der Arzt also jetzt denkt, er ist mehr Wert als die Putzfrau, verhält er sich absolut diskriminierend und ist folgerichtig ein Rechtsextremer, obwohl er natürlich Respekt vor der Arbeit der Reinigungskraft hat. Das Geld, was er erhält, ist noch nach allgemeinen Maßstäben dem althergebrachten Leistungsprinzip geschuldet, aber auch daran arbeitet man vermutlich schon, denn alle sind gleich.
Das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz dürfte damit nur der Einwanderung leistungsbereiter Personen dienen, denn alle sind gleich.
Jagd auf den Nobelpreisträger James Watson
Jetzt erklärt sich, dass man Jagd auf den Nobelpreisträger James Watson machte: Ihm wurden für das Veröffentlichen wissenschaftlicher Tatsachen die akademischen Titel aberkannt. Dabei hat er doch hoffentlich nicht geschlussfolgert, dass aufgrund der Unterschiede die eine Ethnie wertvoller als die andere sein könnte? Oder war der Rückschluss seiner wissenschaftlichen Thesen zu offensichtlich?
Also merken wir uns: Alle sind gleich. Alle haben einfach gleich und damit gleich viel wert zu sein. Hatten wir das nicht schon mal in der DDR, im Arbeiter- und Bauernstaat? Ich bin etwas irritiert.
War das nicht der Staat, dem die Gleichheit ökonomisch und politisch zum Verhängnis wurde, weil so viele anders sein wollten und frei, dies auch zu tun und zu sagen?
Der Kampf um die Deutungshoheit der Worte
Der Verfassungsschutz führt weiter aus: „Damit stehen Rechtsextremisten und deren Ideologien im fundamentalen Widerspruch zu zentralen und universellen Werten des Grundgesetzes, das die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt.“
Aha, da kommen wir der Sache doch schon mal näher. Kann es sein, dass die eingangs ausgeführte Definition des Rechtsextremismus in der Auslegung des Verfassungsschutzes einer Überprüfung der Formulierung nicht stand hält, denn Dreh- und Angelpunkt ist nicht die Wertigkeit, sondern die Würde des Menschen. Verwechselt man „gleich“ mit „Gleichberechtigung“ und mit dem Satz: „alle sind vor dem Gesetz gleich“? Vermischt man „Wertigkeit der Menschen“ mit „Benachteiligung“ bzw. dem Benachteiligungsverbot?
Mit welcher Prüfungsdichte beobachtet der Verfassungsschutz?
Interessant wird es u.a. in dem Verfassungsschutzbericht bei den „rechtsextremen“ Bewegungen.
Nehmen wir mal das Beispiel der Identitären Bewegung:
2016 gab es 30 Mitglieder, jetzt unter 50. Also zwischen 40 und 50. Auf Seite 89 schreibt man dazu, dass die IB 10 Mitglieder gewinnen konnte, also dürften es exakt 40 sein. Mit exakten Mitgliederangaben geht es bei den anderen Gruppierungen weiter.
Es wird minutiös festgehalten, dass eine Bewegung 35 Aktivisten verlor. Achtung! Nicht 36 und auch nicht 34 oder gar ca. 35 Aktivisten. Das bedeutet, dass man bis in den innersten Kreis V-Leute integriert hat oder aber durch Überwachungsmaßnahmen (welche?) die Informationen extrahiert haben muss.
Der Bericht des Verfassungsschutzes Brandenburg ist in vielen Teilen sogar noch detaillierter.
Im Fadenkreuz
Was passiert, wenn eine Partei oder aber vielleicht auch der eine oder andere Blogbetreiber, Aktivist, Publizist, Verlag von dem Verfassungsschutz beobachtet wird? Genau das. Überwachung pur bis in die kleinste Zelle nämlich das Mitglied, der Blogger, der Publizist bis hin zu deren privaten Kontakten werden überwacht, ausgehorcht, bespitzelt, infiltriert, abgehört.
Die Daten, die sich hinter jeder Zahl im Bericht des Verfassungsschutzes erstrecken, müssen riesig sein. Die Stasi wäre neidisch.
Kurzum: Die öffentliche, auch im Internet zugängliche Lektüre der Verfassungsschutzberichte des Bundes oder der Länder wird allen empfohlen, die sich aus beruflichen oder sonstigen öffentlichem Interesse von Rechtsextremismus abgrenzen müssen. Es gibt ein Gefühl von Überwachungsstaat. Und vielleicht fühlt Ihr Euch dadurch alle nach Genuss der Lektüre ein wenig sicherer.