Vera Lengsfeld fühlt sich geehrt, nach der Staatssicherheit auch dem Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt zu dienen. Das bestärkt sie in ihrer Auffassung, dass der Verfassungsschutz ebenso überflüssig ist, wie die Stasi. Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld.
In einem seiner Lieder verspottete der Liedermacher Wolf Biermann die ihn beobachtete Staatssicherheit als seinen Eckermann. Goethes Sekretär hat bekanntlich akribisch jede Bemerkung Goethes aufgezeichnet und für das geneigte Publikum bewahrt. Auch der Verfassungsschutz hält es für eine gute Idee, eifrig alles Veröffentlichte festzuhalten, zu dokumentieren und zu kommentieren. Ich fühle mich geehrt, nach der Staatssicherheit nun auch beim Verfassungsschutz auf dem Radar zu sein, als Kollateral-Beobachtungsobjekt oder wie immer man das bezeichnen möchte (siehe mail unten).
Das bestärkt mich natürlich in meiner Auffassung, dass der Verfassungsschutz ebenso überflüssig ist, wie die Stasi.
Liebe Frau Lengsfeld,
ich gratuliere Ihnen herzlich zum Geburtstag und wünsche ich Ihnen Gesundheit und dass Sie Ihren scharfen analytischen Verstand weiter mutig in die wichtigen Debatten des Landes einbringen.
Ich bin gerade dabei, mir das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes vom Februar 2021 anzusehen (da das aktuelle Gutachten als Basis der Einstufung der gesamten Partei als gesichert rechtsextremistisch ja noch nicht zugänglich ist).
Es hat immerhin 1000 Seiten und wurde – als geleaktes Dokument – von der NGO netzpolitik.org bereitgestellt: Verdachtsfall Rechtsextremismus: Wir veröffentlichen das 1.000-seitige Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD
Sie werden darin auch zitiert, und zwar im Zusammengang mit der Identitären Bewegung:
“Sowohl der AfD-Kreisverband Darmstadt (HE) als auch der im Dezember 2019 aus der AfD ausgetretene Donatus Schmidt, der aber AfD-Fraktionsmitarbeiter im Stadthaus in Halle (ST) ist, teilten bei Facebook einen Artikel der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld mit dem Titel: „Verfassungsschutz erklärt Grundgesetz für verfassungsfeindlich“. In diesem Artikel kritisiert Lengsfeld vehement das Vorgehen des BfV und nimmt klar zugunsten der IB Stellung:
„In der Begründung des Verfassungsschutzes für die Einstufung der Identitären als rechtsextremistisch wird als ‚Beweis‘ für Verfassungsfeindlichkeit eine Aktion ‚Grundgesetz statt Scharia‘ aufgeführt. […] Da eröffnet sich ein weites Feld für einen Verfassungsschutz, der mit seinem neuen Präsidenten zum Regierungsschutz mutiert ist. Um die Regierungspolitik vor Kritikern effektiv zu schützen, machen sich die Nicht-mehr-Verfassungsschützer daran, völlig neue Kulturdefinitionen zu kreieren. Sie werfen in ihrem Bericht den Identitäten vor, aus deren Sicht könnten Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen ’niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein‘. […] Die Identitären würden Menschen außereuropäischer Herkunft in einer ‚ihre Menschenwürde verletzenden Weise […] diskriminieren‘. Hat man jemals etwas von einem verbalen Angriff der Identitären auf Japaner, Chinesen oder Vietnamesen gehört? Das sind zweifellos Menschen außereuropäischer Herkunft, die sich problemlos in unsere Gesellschaft integrieren, dabei ihre eigene kulturelle Identität bewahren und damit unsere Gesellschaft tatsächlich bereichern. Nein, die Identitären kritisieren die unkontrollierte Aufnahme von jungen Männern aus gewaltaffinen und frauenverachtenden, antisemitischen Gesellschaften, die unseren öffentlichen Raum unsicher gemacht, Schwimmbäder in Nahkampfzonen verwandelt, ihre Frauenverachtung öffentlich demonstriert haben, gewalttätig und aggressiv sind. […] Ein Treppenwitz der Weltgeschichte ist, dass Innenminister Seehofer, der bei der Präsentation des Berichts gegen die angeblich rechtsextremen Identitären zustimmend neben Haldenwang saß, nach den von der Behörde gestrickten Kriterien selbst wegen rechtsextremistischer Ausfälle beobachtet werden müsste. Schließlich hatte er als Bayerischer Ministerpräsident die unkontrollierte Masseneinwanderung eine ‚Herrschaft des Unrechts‘ genannt. […] Dass auch der Versuch Haldenwangs, die AfD wenigstens als ‚Verdachtsfall‘ anzuschwärzen, von einem Gericht untersagt wurde, spielt auch keine Rolle. Rechtsstaatlichkeit war gestern, heute herrscht die Willkür der Regierungsschützer.“[2812][2813]
Dazu schrieb der Kreisverband Darmstadt (HE):
„Der Bundesverfassungsschutz sollte Deutschland eigentlich vor allem schützen vor zehntausenden von Islamisten, Djihadisten, türkisch-nationalistischen Grauen Wölfen und linksextremen Autonomen. Aber stattdessen wird der Verfassungsschutz eingesetzt gegen die politischen Konkurrenten der etablierten Parteien – die kleine Gruppe der sogenannten Identitären. Denn die sind ja so viel harmloser. Das macht die Arbeit ja so einfach!“
Nach der Teillektüre des Gutachtens erscheint mir ein Verbot der Partei auf dieser Basis ausgeschlossen. Aber es kommt ja noch das aktuelle Gutachten vom Freitag.
Das vorliegende Gutachten, das wohl komplett aus Zitaten öffentlich zugänglicher Aussagen der AfD besteht (also ohne V-Leute), könnte man auch als Propagandaschrift FÜR die AfD lesen, denn viele der emsig gesammelten Aussagen sind realitätsnah und vernünftig, und die Einordnung durch den Verfassungsschutz erscheint willkürlich und macht manchmal sogar schmunzeln.
Ich stimme den Aktivisten von netzpolitik.org zu, die sagen, dass das Gutachten unbedingt zügig an die Bürger des Landes verteilt werden sollte, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann.
Noch einen schönen Geburtstags-Sonntag,
Ihr W.

Der Beitrag erschien zuerst bei VERA LENGSFELD.
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