Der Schriftsteller Alexander Graf von Schönburg-Glauchau beschreibt in seinem kürzlich erschienenen Buch „Die Kunst des lässigen Anstands“ das Ethos des christlichen Rittertums als zeitlos wirksame geistige Waffe gegen die in modernen Gesellschaften vorherrschenden antikulturellen Auflösungstendenzen.
Moderne Gesellschaften hätten die in den vergangenen Jahrhunderten geschaffene kulturelle Substanz mittlerweile weitgehend verzehrt. Es werde immer mehr Menschen „langsam unwohl bei dem Anblick des sich immer rascher leerenden Reservoirs tradierter Vorstellungen“.
Die moderne und postmoderne Antikultur als Herausforderung für die christliche Kultur Europas
Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung seien moderne Eliten, die eine auf Ich-Optimierung, Egoismus und der Vorstellung beliebig konstruierbarer Identität beruhende Antikultur pflegten. Diese zerstöre zunehmend die auf dem Ideal des Dienstes am Nächsten sowie auf der Annahme absoluter und unverfügbarer Wahrheit, welcher der Mensch zu entsprechen habe, beruhende christliche Kultur:
Der Entschluss der postmodernen Linken, allem den Kampf anzusagen, was gewachsen und tradiert ist, da angeblich alle gesellschaftlichen Strukturen und kulturellen Identitäten überwunden werden müssten, weil sie alle Teil eines großen, unsichtbaren Unterdrückungsapparates seien und dass man den Menschen neu erfinden und sich selbst gestalten kann, hat sich als unattraktiv herausgestellt.
Das ritterliche Ethos als geistige Waffe gegen die moderne Antikultur
Gegen diese Entwicklung bzw. gegen die „postmoderne Kulturrevolution“ sei Widerstand erforderlich, der eine „neue Form der Nobilität“ erfordere. Da der alte Adel weitgehend verschwunden sei und „ein neuer Adel […] noch nicht sichtbar ist“, müsse sich „Nobilität erst wieder neu konstituieren“.
Der Autor will dies unterstützen, indem er das abendländische Ethos des christlichen Rittertums anhand der von diesem gepflegten Tugenden vermittelt, die er kurzen Betrachtungen vorstellt. Dabei stützt sich der Autor vor allem auf die Tugendlehre des hl. Thomas von Aquin.
Er zitiert in diesem Zusammenhang den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der die Erneuerung adeliger Haltung als eine Voraussetzung kultureller Erneuerung betrachtete:
Wir stehen mitten in dem Prozess der Verpöbelung in allen Gesellschaftsschichten und zugleich in der Geburtsstunde einer neuen adeligen Haltung, die einen Kreis von Menschen aus allen bisherigen Gesellschaftsschichten verbindet.
Der Autor sieht das adelige bzw. das ritterliche Ethos dabei als geistige Waffe gegen die von ihm beschriebene Antikultur an:
Es gibt Wege, der niederen und kleinherzigen und rohen Instinkte in uns Herr zu werden. Durch Zivilisation. Durch Ritterlichkeit. Dieses Buch geht der Frage auf den Grund, ob und wie es auch heute möglich ist, dem allgemeinen Credo der Selbstbezogenheit und Beliebigkeit etwas entgegenzusetzen. […] Bewahrer tradierter und altmodischer Vorstellungen zu sein ist in Zeiten, in denen die Mehrheit dabei ist, alles Bewährte und Gelehrte aus dem Fenster zu schmeißen, die rebellischere Haltung.
Das Wesen des ritterlichen Ethos
Das ritterliche Ethos betrachte das Leben als „fortwährenden Kampf, in den durchaus auch Drachen involviert seien können“, gegen das Böse in der eigenen Seele und in der Welt.
Das Besondere an diesem Ethos sei, dass es „das Ethische und das Ästhetische mit dem Starken“ verbinde und dabei „eine starke Dosis Wehrhaftigkeit“ zur Verteidigung des Guten betone. Es gelinge ihm dabei, „das Unversöhnliche zu versöhnen“, nämlich „Anmut und Stärke, Kraft und Milde“ bzw. christliche Menschenfreundlichkeit und Güte mit der Härte des Kriegers.
Das ritterliche Ethos werde am besten durch ins Deutsche kaum übertragbare Begriffe wie „Désinvolture“ (wörtlich „Unverdrehtheit“) beschrieben. Diese sei eine Form der Tapferkeit, die ihre Träger dazu befähige, bei der Verteidigung des Wahren, Guten und Schönen auf eine gelassene und anmutige Weise Stärke zu zeigen. Ernst Jünger habe diesbezüglich von einer „göttergleichen Überlegenheit“ gesprochen, die stets Herr der Lage sei und keine Kompromisse zulasse, was die eigene Haltung und ihre Distanz zum Niedrigen angehe.
Die Schaffung eines neuen Adels aus dem Geist des Christentums
Adel wachse aus Opfern und dem Wissen um die eigene Pflicht. Er schaffe „Ordnung auf Grund von Qualität“. Der europäische Adel habe seit dem Mittelalter aus christlichem Geist und beruhend auf dem Kontakt „zwischen nordisch-germanischer und romanisch-mediterraner Welt“ in einem viele Generationen umfassenden Prozess der Formung eine Elitenkultur geschaffen, welche die Tradition und somit die Identität Europas im Guten geprägt habe.
Diese Tradition gelte es fortzusetzen, wenn die Identität Europas bewahrt werden solle.
- Anknüpfend an Bonhoeffer lehnt der Autor einen Rückzug ins Private als eine Form der Kapitulation vor dem in der Maske des Fortschritts und der sozialen Gerechtigkeit auftretenden Bösen ab. Als Christ müsse man Verantwortung übernehmen und kämpfen, denn nur dies könne die nötigen Voraussetzungen für das Leben kommender Generationen schaffen.
- Das Böse könne sich langfristig nicht durchsetzen, weil es Wahrheit leugne und nichts Bestand haben könne, was sich auf Lügen stütze. Das Böse müsse daher scheitern.
Das ritterliche Ethos sei im Kern christlich, weil es anerkenne, dass der Mensch eine Seele habe und dessen Leben einen Weg zu einem höheren Ziel darstelle. Es gehe zudem davon aus, dass alle Menschen zu diesem Kampf um ihre Seele und gegen das Böse berufen seien, wobei sich die Erbsünde dem Menschen in den Weg stelle, weshalb ihm dieser Kampf ohne die Hilfe Gottes nicht gelingen könne.
Wer sich dazu entscheide, diesem Ruf zu folgen und in die Nachfolge Christi einzutreten, erfahre dadurch den Worten des hl. Apostels Paulus zufolge eine Wiedergeburt. Dadurch werde der Mensch auf die höchste denkbare Weise geadelt, denn er werde zu einem Sohn des Königs der Könige. (ts)
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