Montag, 18. März 2024

„Seenotrettung“: Deutsches Herrenmenschentum statt verantwortungsvolles Handeln

In keinem anderen Ausschnitt des Weltgeschehens manifestiert sich deutsches Herrenmenschentum dieser Tage deutlicher als in der „Seenotrettung“ im Mittelmeer. Die Hohepriester des guten Gewissens sind zurück, jene Gutmenschen, die seit der Flüchtlingskrise 2015 zum Schubladenbegriff und einer politischen Karikatur verkamen, haben wieder Konjunktur. Ein Gastbeitrag von Daniel Matissek 

Voller Lust reklamieren sie „christliche Werte“, an die sie selbst keinen Deut glauben. Die ihnen aber gerade recht und billig sind, um sie zynisch-hämisch ihren eigenen, im Zweifel populistischen Landsleuten um die Ohren zu hauen: Es seien Imperative wie Nächstenliebe, Mildtätigkeit und Hilfsbereitschaft, die selbige angeblich vermissen ließen, wenn sie sich gegen das gewerbsmäßige Chauffieren von Boat People an Europas Küsten wenden.

Die Pointe der mentalen Teddywerfer ist klar: Schande über euch bösen Rechten, die ihr einerseits ständig gegen den Islam meckert und für das „christliche Abendland“ eintretet, ja dessen Werte gar für heilig und bewahrenswert haltet, solange es um die Abgrenzung zum Islam und dessen Eindämmung in Mitteleuropa geht… andererseits aber auf dieselben christlichen Gebote scheißt, wenn es um die Not hilfloser Afrikaner geht!

Diese Logik ist ebenso perfide wie schwachsinnig. Erstens widerspricht es in keinster Weise neutestamentarischem Geist, zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik zu unterscheiden. Man ist nicht nur für die unmittelbare gute Tat verantwortlich (welchen Satisfaktionswert der damit einhergehende Kick der moralischen Selbstberauschung auch immer bringen mag) – sondern auch für die Konsequenzen dieser Tat.

Es ist der uralte dialektische Gegensatz von Ursache und Wirkung, von gut gemeint und gut, von „jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft“ oder umgekehrt. Zweitens ist von „ersaufen lassen“ ja gar keine Rede. „Rettung“ durchaus – aber eben kein Transport nach Europa, kein Einlaufen in die Häfen hoffnungslos überlasteter EU-Staaten mehr. Die Menschen müssen dort, notfalls mit Gewalt, wieder an Land gebracht werden, wo sie aufbrachen. Erst dann, wenn sich die Aussichtslosigkeit herumgesprochen hat, werden sie die Überfahrt nicht mehr riskieren. Verallgemeinert auf die Rettungsschiffe im Mittelmeer heißt das: Je mehr Menschen aus Seenot gerettet und anschließend an EU-Gestade verbracht werden, umso mehr Menschen werden sich in eben diese Seenot begeben. Fehlanreize verschlimmern die humanitäre Situation. „Christlich“ ist daher jede Maßnahme, die sie von halsbrecherischen und lebensgefährlichen Fluchtfahrten abhält.

Unerträgliche Vergleiche zwischen der Situation der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer und jener der nun glücklich geretteten 13 Jugendlichen in der thailändischen Höhle warfen ernsthaft die Frage auf, weshalb uns die einen Schicksale vermeintlich gleichgültig sind und uns das Los der anderen rund um die Uhr in seinen Bann zog. Derartig idiotische Relativierungen – etwa von Margarete Stokowski auf „Spiegel Online“ wie selbstverständlich gezogen – sind wahrlich nur in Deutschland des Jahres 2018 denkbar. Banal ist die Erklärung, dass Sterben und Leiden Normalität und Alltag sind, und selbstverständlich nicht jedes Schicksal medial rezipiert werden kann. Wann immer eine kollektive Gemeinschaft mit vereinten, übermenschlichen Kräften alles daran setzt, das Schicksal zu wenden und eine ausweglos erscheinende Rettung zu vollenden, wachsen wir als globales Dorf zusammen, berührt dies globale, existenzielle Fragen über Mensch und Natur, über Hoffnung und Willensstärke. Das ist wiederum ein christliches Motiv: „Habt ihr diesen geringsten gerettet, so habt ihr alle gerettet“. Die Höhlenrettung ist der Stoff, der Menschen an sich selbst glauben lässt und aus dem Mythen und Legenden geboren werden.

Über eine Rettung wirklicher Schiffbrüchiger würde selbstverständlich, sogar intensiv, berichtet – wenn etwa ein Passagierschiff havariert oder eine Fähre kentert! Man denke nur an Estonia oder Costa Condordia, oder der gekenterten malayischen Fähre mit hunderten Toten. Der Grund für die mediale Aufmerksamkeit war nicht, dass die Opfer Europäer oder Weiße waren; es ging immer um die Begleitumstände.

Ganz sicher hat es keinen vergleichbaren Nachrichtenwert, wenn täglich hunderte junge afrikanische Männer mit Smartphones auf bewusst und von vornherein seeuntauglichen Schlauchbooten oder Nußschalen in küstennahe Gewässer hinausrudern, wo sie bereitliegende europäische Shuttle-Schiffe an Bord nehmen; hier läßt sich wohl kaum von einem unabwendbaren, grausamen Los oder „unverschuldeter Notlage“ (!) reden.

Schon deshalb ist der Vergleich mit den Thai-Fussballern an bösartiger Perversion nicht zu überbieten. Wenn man beide Vorgänge unbedingt miteinander vergleichen will, dann ließe sich eher feststellen: Die einen, die in der Höhle, ertragen ihre Notlage heldenhaft, harren aus, bis ihre eigenen Landsleute unter unmenschlichen Anstrengungen alles daransetzen, sie in Sicherheit zu bringen. Die anderen, die auf dem Mittelmeer, erwarten von Europa Aufnahme, Transfer, Schutz, Unterbringung, Alimentierung, und vertrauen keinen Deut auf ihre Landsleute, denen sie längst den Rücken gekehrt haben. So herum wird, wenn überhaupt, ein Schuh daraus.

Doch in Deutschland gibt es dieser Tage dem Sozialprestige nichts Zuträglicheres, als sich mal wieder für die Notleidenden der eigenen Peripherie ins Zeug zu legen. Abstoßende, augenscheinlich endverblödete Heuchler des trashigen Mediengeschehens wie Klaus Heuffer-Umlauf, Jan Böhmermann oder vor ihnen Til Schweiger sind es, die ihr eigenes erbärmliches Lichtlein zum Leuchten bringen wollen, indem sie publicityträchtige Aktionen ins Leben rufen oder promoten, die eine verlogene, viel zu kurz gedachte Pseudo-Menschlichkeit propagieren.

Bei Schweiger war es das nie gebaute Flüchtlingsheim, beim Halligalli-Star waren es beifallheischende Suaden im Netz, mit denen er sich zur Gallionsfigur aller grünen SUV-Fahrer und Ökosupermarktstammkunden machte. Und jetzt sammelt Böhmermann von derselben Klientel eine knappe Viertelmillion Euro (bis jetzt) ein, um dem Schlepperkapitän der „LifeLine“ juristischen Top-Beistand zu finanzieren. Wie schnell dieses Spendenaufkommen erreicht wurde, räumt letzte Zweifel über den bedenklichen Geisteszustand der Deutschen aus.

Flankiert werden diese perversen Spektakel von wohlwollenden und mahnenden Journalisten mit Volkserziehungsanspruch. Deutschland muss monetär und seelisch für alles Elend der Welt, namentlich Afrikas, verantwortlich sein; wer auch sonst? Deshalb obliegt auch Deutschen die Aufgabe des moralischen Scharfrichters über all jene im In- und Ausland, die eher besonnen und pragmatisch vorgehen; die an Grenzen der Hilfsbereitschaft erinnern; die in grenzenloser Aufnahme und subsequenter Zuwanderung keine strukturelle Lösung erkennen. Diese stehen natürlich sogleich für „Abschottung“, für die „Festung Europa“, für nationalstaatliche Enge, Populismus und letztlich „Rechtsradikalismus“.

Wer traut sich bei dieser Stimmung noch öffentlich die einzig relevante Frage zu stellen, womit den Betroffenen letzten Endes mehr geholfen ist: Indem wir unseren überlegenen Zivilisierungsgrad bewahren, um unsere ökonomischen und technischen Mittel zum Wohle anderer zu verwenden, um ihnen Anleitung und Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen… oder indem wir aus lauter postkolonialem Schulgefühl, aus Scham über unsere Privilegiertheit solange „retten“, bis wir selbst nicht mehr zu retten sind? Armut und Elend für alle, endlich auch für die Europäer – das ist die wahre, die einzige Zukunft, in die uns altlinke Narren und grüne Weltverbesserer führen wollen.

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PP-Redaktion
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